Misshandlungen, Martyrium und Mord-Anklage: Grausame Details aus dem „Horror-Haus“ in Höxter

24. Oktober 2016

WICKEDE (RUHR) / HÖXTER / PADERBORN. Das sogenannte „Horror-Haus“ in Höxter-Bosseborn wurde für Susanne F. zur Folterkammer und schließlich zur Todesfalle (wir berichteten). – Der grausame Tod der in einer Pflegefamilie in Wiehagen aufgewachsenen und in Wickede zur Schule gegangenen Frau ist Teil einer Mord-Anklage gegen das offenbar sadistisch veranlagte Ex-Ehepaar Angelika und Wilfried W.. Die beiden sollen Susanne F. zusammen bestialisch gequält und durch unterlassene Hilfeleistung schließlich zu deren Tod beigetragen haben. Am Mittwoch, 26. Oktober 2016, um 9.00 Uhr beginnt vor dem Landgericht in Paderborn das Schwurgerichtsverfahren gegen die beiden Beschuldigten.

Während sich die ehemalige Ehefrau von Wilfried W. als Angeklagte bereits geständig gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft eingelassen hat, streitet Wilfried W. seine vermeintliche Haupttäterschaft noch immer ab. – Auch vor Gericht wolle er sich offenbar nicht weiter zu den gruseligen Tatvorwürfen einlassen, heißt es aus Insiderkreisen. Lediglich mit einer durch seinen Verteidiger vorgetragenen Erklärung sei zu rechnen.

Susanne F. muss unvorstellbare Qualen durchlitten haben

Aus einem Sachverständigengutachten eines Psychiaters gehe hervor, dass Wilfried W. angeblich ein „Sadist“ sei, sprich jemand, der andere Geschöpfe gerne quält, sickerte im Vorfeld des Prozesses in Paderborn bereits durch.

Der Körper von Susanne F., die das letzte Opfer der „menschlichen Monster“ war, sei bei ihrer Einlieferung in das Krankenhaus, wo sie verstarb, von Hämatomen übersät gewesen, berichtete ein Jurist am heutigen Montag (24. Oktober 2016) im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Der Anblick der Lichtbilder mit den Beweisen für die Misshandlungen von Susanne F. sei für ihn schrecklich gewesen und zeige die ganze Grausamkeit. Die ehemalige Wickederin müsse in den letzten Wochen ihres Lebens in dem „Horror-Haus“ in Höxter-Bosseborn unvorstellbare Qualen durchlitten haben.

Körperliche Übergriffe erfolgten schnell

Laut bisherigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie dem umfassenden Geständnis von Angelika W. soll Susanne F. (42) ihren späteren Partner und Peiniger Wilfried W. (46) zu Anfang des Jahres 2016 über eine Kontaktanzeige kennen gelernt haben. Nach anfänglichen Telefonaten sowie Kurznachrichten über SMS und WhatsApp sei die verliebte Frau bereits Mitte Februar 2016 von ihrem letzten Wohnsitz in Gandersheim zu Wilfried W. und seiner angeblich bei ihm lebenden Schwester (in Wirklichkeit seine von ihm formal geschiedene Ehefrau) Angelika W. gezogen.

Dabei habe es Susanne F. scheinbar auch nichts ausgemacht, dass es in der Wohnung in dem alten Bauernhaus in Höxter-Bosseborn kalt und schmutzig war und die Tapeten von den Wänden hingen.

Zusammen mit ihrem neuen Partner soll das spätere Mordopfer angeblich auf einer Couch im Wohnzimmer der heruntergekommenen Bruchbude geschlafen haben.

Nach zwei gescheiterten Ehen – die letzte war offiziell noch nicht aufgelöst – hatte Susanne F. in Wilfried W. scheinbar ihre „große Liebe“ gefunden.

Der neue Lebensabschnittsgefährte war allerdings schon bald nicht mehr so lieb zu Susanne F. . – Denn die ehemalige Wickederin erhielt alsbald Ohrfeigen von dem neuen Mann in ihrem Leben.

Und dabei blieb es nicht. Mehrfach habe Wilfried W. der Susanne F. die Finger oder Arme verdreht, bis die Frau zu Boden ging, oder ihr einfach die Beine weggetreten, damit sie vor ihm hinfiel.

Jedenfalls habe seine Mandantin Angelika W. (47) dies so zu Protokoll gegeben, berichtete deren Bielefelder Rechtsanwalt Peter Wüller am heutigen Dienstag (24. Oktober 2016) im Telefongespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Körperliche Übergriffe zum Nachteil von Susanne F. habe es zudem schnell auch durch seine Mandantin gegeben, die dies gestanden habe und inzwischen bereue, so Wüller.

Trotz Misshandlungen zurückgekehrt

Anfang März 2016 hätte das sadistische Paar Susanne F. schließlich zurück nach Bad Gandersheim gebracht. Die malträtierte Frau habe diese Chance jedoch nicht zur Flucht oder zur Benachrichtigung der Polizei genutzt.

Vielmehr sei Susanne F. nach zirka einer Woche wieder zu ihrer „großen Liebe“ nach Höxter-Bosseborn zurückgekehrt. Dort seien ihre grausamen Misshandlungen durch das Täter-Paar dann weiter gegangen.

Susanne F. sei fortan „täglich körperlich misshandelt“ und des Nachts gefesselt worden. Durch die „physischen Qualen“ und die „psychische Ausnahmesituation“ habe das Opfer auch immer weniger gegessen und sei so geschwächt gewesen, dass es im April 2016 kaum noch alleine auf den Beinen hätte stehen können. – Dies sei so von der Straftäterin Angelika W. bei ihren Vernehmungen geschildert worden, berichtete Wüller gegenüber „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Angesichts der grausamen Schilderungen, die seine Mandantin Angelika W. zu Protokoll gegeben hätte, täten sich schreckliche Abgründe auf, so der Bielefelder Strafverteidiger.

Was faszinierte die Frauen an dem Sadisten?

Was Wüllner bislang nicht begreifen kann: Sämtliche Opfer des Täter-Paares hätten offenbar die Möglichkeit gehabt, der „Hölle“ in dem Haus zu entkommen. Und einige Frauen – wie auch Susanne F. – seien sogar freiwillig in die „Folterkammer“ zurückgekehrt, obwohl sie das „Horror-Haus“ von Höxter-Bosseborn zwischenzeitlich verlassen konnten.

„Gelegenheiten zur Flucht oder sich Dritten anzuvertrauen wurden nicht genutzt!“ betonte Rechtsanwalt Wüller im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“. Dabei seien die Frauen längst nicht immer eingesperrt oder gefesselt gewesen.

Der Sadist Wilfried W. habe einige Frauen offenbar so fasziniert, dass die Damen offenbar nicht rechtzeitig von ihm losgelassen hätten. – Und dies, obwohl er beziehungsweise seine Ex-Ehefrau ihnen unvorstellbares Leid zugefügt haben müssen. Wüller: „Keiner kann es erklären, warum die Frauen nicht gegangen sind oder teilweise sogar wieder gekommen sind!“

Vom „einfachen Mädel vom Lande“ zum „Monster“ mutiert

Seine Mandantin sieht Wüller gleichzeitig als Opfer und Täterin. Erst der einschlägig vorbestrafte Wilfried W. habe „das einfache Mädel vom Lande“ zu einem „Monster“ gemacht. – „Sie war ihm nahezu hörig!“ hätte selbst die Staatsanwaltschaft über die Beschuldigte geurteilt, wenngleich ein genaues psychiatrisches Gutachten noch ausstehe.

Angelika W. sei „wie eine Marionette“ von Wilfried W. fremdgesteuert worden, meint Wüller. Die Methoden des Mannes seien so perfide, dass er sie quasi durch nonverbale Kommunikation zu den grausamen Taten gegenüber den anderen Frauen getrieben hätte. – Angelika W. habe genau gewusst: „Wenn eine andere Frau (als Opfer, Anmerkung der Redaktion) im Hause war, hatte ich meine Ruhe!“

Und so mutierte die weiterhin mit Wilfried W. zusammen lebende Ex-Ehefrau als vermeintliche „Schwester“ des Angeklagten schnell vom Opfer zur Täterin, wenn Wilfried W. über immer neue Partnerschaftsanzeigen für einige Zeit wieder eine weitere Gespielin in die gemeinsame Wohnung lockte.

Frauen ins Gesicht geschlagen und in den Bauch getreten

Durch ihr Zusammenleben mit Wilfried W. habe die ursprünglich friedfertige Angelika W. eine Wesensveränderung erfahren und schwerste Straftaten ohne jegliche Empathie und Reue begangen, meint Rechtsanwalt Wüller. „Sie hatte nur ihren Wilfried!“ – und sei von diesem über zwei Jahrzehnte quasi als Sadistin „dressiert“ worden.

Und trotz des ganzen Martyriums, welches auch die Täterin selbst als Opfer von Wilfried W. erlitt, ist sich Wüller heute sicher: „Sie liebt ihn nach wie vor!“

Und dies trotz aller Misshandlungen, die es im „Horror-Haus von Höxter“ gab: Denn Frauen wurde dort ins Gesicht geschlagen und in den Bauch getreten. Zudem biss man ihre Brüste blutig. Brühend heiße Wasserduschen gehörten ebenso zu den grausamen Bestrafungsritualen für vermeintliches Fehlverhalten wie stundenlange nächtliche Fesselungen in der kalten Badewanne.

Welche Rollen dabei Wilfried W. und seine Ex-Ehefrau im Einzelnen gespielt haben, sollen nun die Beweisaufnahme vor dem Paderborner Landgericht sowie Sachverständigengutachten ergeben. Denn bislang stellt Wilfried W. seine Mit- oder Hauptschuld angeblich in Abrede.

Anklage lautet: „Gemeinschaftlicher Mord durch Unterlassen in zwei Fällen“

Das fünfköpfige Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Bernd Emmighaus muss schlussendlich über die Schuldfrage entscheiden. Neben gefährlicher Körperverletzung wird den beiden Angeklagten durch die Paderborner Staatsanwaltschaft „gemeinschaftlicher Mord durch Unterlassen in zwei Fällen“ vorgeworfen. Denn mindestens zwei der gequälten Frauen aus dem „Horror-Haus“ in Ost-Westfalen sollen in Folge der Misshandlungen zu Tode gekommen sein.

Vorsitzender Richter Bernd Emmighaus hält den am Mittwoch beginnenden Prozess im Rahmen seiner 36-jährigen Berufserfahrung „für einen ziemlich außergewöhnlichen Fall“. Er ist gespannt, ob sich die Angeklagten vor Gericht auf die ihnen vorgeworfenen Vergehen einlassen. Davon hänge es ab, welche Zeugen man laden müsse. Zudem seinen psychiatrische Gutachten über die Beschuldigten in Auftrag gegeben worden.

Die Anklage beruhe bislang hauptsächlich auf dem Geständnis und den Aussagen der Angeklagten Angelika W. Ihr früherer Ehemann habe sich noch nicht wirklich zur Sache eingelassen.

In dem voraussichtlich mindestens bis Ende Januar 2017 andauernden Prozess wird es wohl weitere grausame Details zum Martyrium und Tod der Susanne F. geben, die als Pflegekind in einer Wiehagener Akademiker-Familie aufwuchs und auch noch als junge Erwachsene in der Ruhrgemeinde lebte.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"


LESEN SIE AUCH UNSERE WEITEREN BEITRÄGE ZUM THEMA:

4. Mai 2016: Gequältes Todesopfer aus dem Horror-Haus in Höxter wuchs in Wiehagen und Wickede auf | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

26. Mai 2016: Klassenkameraden und andere Weggefährten trauern um ermordete Susanne F. | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

27. Mai 2016: „Tears in heaven“ und reale Tränen: Trauerfeier für Susanne F. | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

23. September 2016: Verhandlung vor dem Schwurgericht: Horror-Paar aus Höxter wegen Mordes angeklagt | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

ANZEIGE
ANZEIGE
Ein Polizei-Fahrzeug vor dem Horror-Haus in Höxter-Bosseborn FOTO: ARCHIV
Ein Polizei-Fahrzeug vor dem Horror-Haus in Höxter-Bosseborn FOTO: ARCHIV