Mit Internet-Betrügereien zig tausend Euro ergaunert: Oma sitzt mit Enkel auf Anklagebank

8. November 2016

ARNSBERG / WICKEDE (RUHR). Die Liebe zwischen Oma und Enkel scheint weiterhin ungebrochen zu sein. Jedenfalls gab es vor der erneuten Verbringung des 26-jährigen Wickeders in die Justizvollzugsanstalt nach Dortmund am heutigen Dienstagmittag (8. November 2016) im Sitzungssaal des Landgerichtes Arnsberg eine riesige Umarmung mit der 70-jährigen Großmutter aus Wickede, die ihren kriminellen Enkel angeblich bei seinen Serien-Straftaten unterstützt haben soll und deshalb selbst mit auf der Anklagebank vor der zweiten „Großen Strafkammer“ in Arnsberg saß. – Im Gegensatz zu dem vermeintlichen Haupttäter befindet sich die alte Dame allerdings nicht in Haft sondern lebt weiterhin auf freiem Fuß in der Ruhrgemeinde.

Dass es sich bei den Delikten des vermeintlichen Gauner-Duos aus Enkel und Großmutter schon um „gewerbsmäßigen Betrug“ handelte, machte Staatsanwältin Verena Tigges durch das Verlesen der langen Anklageschrift deutlich. In einer schier endlos wirkenden Reihe von Fällen soll der 26-jährige Beschuldigte seine Opfer um Geld und Wertsachen gebracht haben und damit zig tausende Euro ergaunert haben.

Rund achtzig bislang bekannte Straftaten verlas Staatsanwältin Verena Tigges in ihrer Anklage, die – trotz eines immens schnellen Vorlesetempos – immerhin rund eine Stunde in Anspruch nahm, so dass die mitangeklagte Seniorin zwischendurch das Gericht sogar um eine Pause bat, um zur Toilette gehen zu können.

Während die alte Dame die meiste Zeit mit gesenktem Kopf neben ihrem Strafverteidiger Boris Strube saß, glotzte der vermeintliche Haupttäter immer wieder grinsend zwischen seiner Pflichtverteidigerin Caroline Dreier aus Werl und seinem Strafverteidiger Dieter Kaufmann aus Dortmund hervor.

26-jähriger Wickeder sitzt bereits in Haft

Nachdem sich der bereits vorbestrafte und in Haft sitzende 26-jährige Wickeder bislang noch nicht zu den zahlreichen Tatvorwürfen eingelassen hatte, kündigte sein Verteidiger Dieter Kaufmann am heutigen ersten Prozesstag eine „geständige Einlassung“ des Angeklagten voraussichtlich am nächsten Verhandlungstag an, der für den 15. November 2016 terminiert ist.

Inwieweit sich dann auch die Großmutter zu ihrer Rolle bei der immensen Betrugsserie einlassen wird, bleibt abzuwarten. – Die Staatsanwaltschaft wirft der Wickeder Seniorin vor, dass sie den möglichen Betrug ihres Enkels billigend in Kauf genommen habe.

Denn der angeklagte Enkel ließ seine Betrugsopfer für Online-Käufe von teuren Handys, Tablets und so weiter die Vorkasse unter anderem auf verschiedene Bankkonten seiner Großmutter überweisen.

Und dies obwohl er nicht in der Lage gewesen sei die angebotene Ware an die Zahler zu übersenden, so die Staatsanwaltschaft. Denn die verkauften Gegenstände seien zum Teil gar nicht existent gewesen. – Auch sei er weder willens noch in der Lage gewesen das erhaltene Geld zurückzuerstatten.

Damit habe er sich „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“ betrügerisch „einen rechtswidrigen Vermögensvorteil“ verschafft und die Opfer um ihr Geld geprellt.

Bei anderen Betrügereien in Form von vermeintlichen Ankäufen von hochwertigen Mobiltelefonen und so weiter habe der Enkel die postalische Adresse der Oma zudem für die Annahme von Päckchen missbraucht. Die Verkäufer hätten jedoch die Ware nicht von dem Angeklagten bezahlt bekommen.

„Zwischen Freispruch und einer Haftstrafe ohne Bewährung“

Rechtsanwalt Boris Strube als Strafverteidiger der Großmutter erklärte im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“, dass sich der Tatbeitrag seiner Mandantin allenfalls auf die Kenntnis der betrügerischen Machenschaften ihres Enkels reduziere. Deshalb werde sich die alte Frau voraussichtlich „nicht in vollem Umfang geständig“ im Sinne der Anklage zeigen.

Ob es überhaupt ein „billigendes in Kauf nehmen“ oder ein „positives Wissen“ der Großmutter in Bezug auf die Straftaten ihres Enkels gegeben habe, sei noch zu klären, so der Strafverteidiger. Denn es sei gar nicht klar, in wie weit die Seniorin über die Nutzung ihrer Bankkonten und postalischen Adresse durch den betrügerischen Enkel Bescheid gewusst habe.

„Zwischen Freispruch und einer Haftstrafe ohne Bewährung“ hält Strube deshalb alles als Folge für die angeklagte Seniorin für möglich.

Eine Wiederholungsgefahr gehe jedenfalls nicht von der Oma aus, da der Enkel doch die treibende Kraft für die Serien-Betrügereien gewesen sei und dieser ja in Haft säße, meint Strube.

Ob es für den Enkel noch eine bewährungsfähige Strafe auf Grund des angekündigten Geständnisses und eines geplanten Rechtsgespräches zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht gibt, hält Strube allerdings eher für unwahrscheinlich. Denn die Zahl der aus ganz Deutschland angezeigten Delikte belaufe sich mittlerweile auf mehr als hundert Betrugsfälle.


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7. November 2016: Enkel mit Großmutter wegen gewerbsmäßiger Gaunereien im Internet angeklagt | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

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Landgericht Arnsberg ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
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