Komasaufen, Drogenkonsum, illegale Autorennen und Paintball

7. Dezember 2016

WICKEDE (RUHR). „Was sich da abspielt, übertrifft alles!“ zeterte Richard Meier. Beim Punkt „Einwohnerfragen“ der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des politischen Rates der Gemeinde Wickede (Ruhr) meldete sich der ehemalige Hausmeister des Bürgerhauses am gestrigen Dienstag (6. Dezember 2016) erbost zu Wort.

Bei einem Besuch der Paintball-Anlage in Ahlen am letzten Samstag habe man nicht nur Wickeder Jugendliche und die sie begleitenden Sozialarbeiter getroffen sondern auch gesehen und gehört wie schlimm eine Paintball-Anlage tatsächlich sei.

Besorgte Anlieger befürchen „Schlimmes“

„Wir haben Verletzte getroffen“, berichtete Meier vor den erstaunten Kommunalpolitikern. Mit „Maschinengewehren“ hätten die Spieler auf der Ahlener Anlage laut herumgeballert. Vor dem Plenum behauptete Meier desweiteren, dass der Schallpegel dort mehr als 100 dB(A) erreicht habe. Zudem seien die Farbgeschosse der Paintballschützen über die Anlage hinaus geflogen. Und Explosionen von Rauchbomben habe man ebenfalls bei der Erkundung vor Ort beobachtet. – Deshalb befürchtete der erboste Anlieger mit Blick auf die mögliche Errichtung einer Paintball- und Lasertag-Anlage auf dem kommunalen Brachgelände gegenüber dem Freibad nur „Schlimmes“.

Zum Beweis für die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen spielte Meier ungefragt eine laute Tonaufnahme von einem Handy ab, die offenbar den akkustischen Terror hörbar machen sollte, der scheinbar von einer Paintball-Anlage ausgeht.

Was sagt der Naturschutz zu den Nutzungsplänen?

Die Kommunalpolitiker fragte er provokant, ob sie sich überhaupt bewusst seien, worüber sie da entscheiden würden und forderte sie auf, die Anfrage eines potentiellen privaten Investors für eine solche Freizeitstätte „ad acta“ zu legen.

Und Meier wollte von Ratsleuten und Verwaltungsmitarbeitern wissen, was denn überhaupt der Naturschutz zu den Plänen einer Paintball-Anlage auf dem Gelände sage. Schließlich gäbe es Eichhörnchen, Fledermäuse und Vögel in dem kleinen Wäldchen am Obergraben.

In Ahlen gäbe es weit und breit um die Anlage keine Wohnbebauung, erklärte Meier den Politikern und Rathaus-Mitarbeitern weiter. Zum Beweis dafür legte er Ausdrucke von Google-Earth-Fotos vor.

Außerdem reichte er noch nicht zerplatzte Farbkugeln herum, um zu demonstrieren wie groß und wie hart die Kugeln aus den „Maschinengewehren“ sind, die angeblich zu „Verletzten“ geführt haben sollen.

Bürgermeister: „Das haben wir schon auf dem Radar!“

Schließlich kam Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) als Leiter der Sitzung wieder zu Wort und erklärte: „Das haben wir schon auf dem Radar!“ Man sei sich der möglichen Problematik bewusst. Dies zeige auch die bisherige Intensität der kontroversen Beratung des Themas.

Nach den Einwohner-Fragen kamen dann ohne weitere Diskussion erst einmal andere Tagesordnungspunkte.

Unter Punkt 13 tauchte das Thema „ Sport- und Freizeitanlage gegenüber dem Freibad“ dann allerdings wieder auf.

Sehr kontroverse Meinungen in den Fraktionen der Parteien

Und CDU-Mann Burkhard Neus machte sofort deutlich, dass es bei den Wickeder Christdemokraten sehr „kontroverse Meinungen“ bezüglich der eventuellen Verpachtung des kommunalen Geländes an einen Betreiber einer Paintball- und Lasertag-Anlage gäbe. Viele Faktoren seien dabei noch unklar. Neben einer möglichen „Attraktivitätssteigerung für Wickede“ müsse man aber immer den Lärm-, Sicht-, Natur- und Anwohnerschutz berücksichtigen.

„Ich war (…) erschrocken. Ich dachte, dass das harmloser sei.“

SPD-Fraktionssprecher Engelbert Gurka, der sich danach zu Wort meldete und offenbar immer noch spürbar von dem Auftritt von Richard Meier zu Beginn der Sitzung beeindruckt war, sagte fast betroffen: „Ich war (…) erschrocken. Ich dachte, dass das harmloser sei.“

Im Übrigen gäbe es auch in den Reihen der Sozialdemokraten sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Jedes Ratsmitglied werde deshalb wohl nach seiner eigenen Ansicht abstimmen.

FDP-Vorsitzende Christa Lenz bekundete, dass es auch bei den Liberalen den ein oder anderen gäbe, der „Magenschmerzen“ bei einer Befürwortung der weiteren Prüfung habe.

Kemmerzell: Gemeinderat sollte selbst einmal Paintball spielen

Fraktionsvorsitzender Lothar Kemmerzell von „Bündnis 90 / Die Grünen“ war offenbar zwischen pazifistischer Grundeinstellung und dem Engagement für junge Leute hin und her gerissen, die eine solche Anlage in der Ruhrgemeinde befürworten.

Die „Jugendpolitische Sprecherin“ der Grünen sehe Paintball nicht so negativ, berichtete er von einem Gespräch mit ihr beim NRW-Landesparteitag am Wochenende.

„Am einfachsten wäre es, dass der Rat einmal hinfahren würde und es selbst durchspielen würde“, wirft Kemmerzell schließlich etwas provokativ in den Raum.

Regenhardt: „Es ist Krieg!“ – und kein harmloser Freizeitsport

Anlass für Hans Regenhardt (CDU) sofort den moralischen Zeigefinger zu erheben und mit einem Zwischenruf zu reagieren. Dass man beim Paintball auf Menschen schieße, halte er für sehr bedenklich, so der Christdemokrat.

Für ihn sei Paintball keine Freizeitbeschäftigung, so Regenhardt. Und wörtlich: „Es ist Krieg!“

Selbst bei Manövern der deutschen Bundeswehr würde nicht auf Menschen geschossen. – Es gelte die Regel: „Man zielt nicht auf Menschen!“

Auch „Komasaufen, Drogenkonsum und illegale Autorennen“ brächten vielleicht bei manchen Jugendlichen und jungen Leuten einen gewissen „Nervenkitzel“. Trotzdem dürfe man so etwas nicht gutheißen, fand der Wimberner Christdemokrat klare Worte.

Bürgergemeinschaft: „Von der Tendenz lehnen wir es ab!“

In der „Bürgergemeinschaft“ (BG) ist die Meinung zum Thema „Paintball“ offenbar nicht so konträr wie in den anderen politischen Fraktionen. Denn BG-Sprecher Andreas Pietsch erklärt unmissverständlich: „Von der Tendenz lehnen wir es ab!“

Und Vize-Bürgermeisterin Ellinor Schilling (SPD) sagte: „Ich gönne den Jugendlichen den Spaß!“ Aber bei einer Outdoor-Anlage und den direkten Anliegern spräche einfach „zu viel“ dagegen.

Zudem befürchtete Schilling, „dass die Verrohung in der Gesellschaft“ durch Paintball nur „noch schlimmer wird“.

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Fachbereichsleiter Markus Kleindopp aus dem Rathaus machten klar, dass es ihnen bei der Beschlussvorlage nur um die Richtung des Rates für die Gemeindeentwicklung gehe, nachdem ein möglicher Investor für das Gelände vorstellig geworden sei. Moralisch-ethisch wolle die Verwaltung das Vorhaben nicht beurteilen.

Noch immer keine Ergebnisse der SPD-Bürgerbefragung präsentiert

SPD-Ratsherr Helmut Bäcker warf der Verwaltung schließlich vor, dass es noch immer keine konkreten Pläne für die Nutzung des kostbaren kommunalen Grund und Bodens am Freibad gibt.

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Hans Regenhardt (CDU) zeigten sich dagegen enttäuscht von den Sozialdemokraten, die bisher immer noch keine Ergebnisse aus ihrer Bürgerbefragung zur Nachnutzung der Brachfläche im Wickeder Osten präsentiert hätten, wenngleich dies längst überfällig sei.

SPD-Fraktionssprecher Engelbert Gurka gab dann  zu, dass die Aktion keine realistischen Ideen erbracht habe, die durch die klamme Kommune finanzierbar seien.

Nachnutzung nur im Zusammenwirken mit einem privaten Investor möglich

ürgermeister Dr. Michalzik drängte denn auch auf „eine Nachfrage-orientierte Vorgehensweise“. Denn man könne das Grundstück nur im Zusammenwirken mit einem privaten Investor nutzen. Seitens der Gemeindeverwaltung wolle man keine Arbeitszeit und kein Geld mehr für Planungen opfern, die dann doch aus Kostengründen oder mangels Interessenten nicht zu verwirklichen seien.

Regenhardt (CDU) machte dazu nochmals deutlich, dass entsprechende Projektideen sowohl zum benachbarten Freibad als auch den Anliegern – die gestern zahlreich im Zuschauerraum saßen – passen und finanzierbar sein müssten.

Gurka (SPD) stimmte dem zu und stellte die finanzielle Realisierbarkeit von möglichen Ideen ebenfalls an erste Stelle. Die Kommune habe kein Geld für eigene Ausgaben.

Auch Bürgermeister Dr. Michalzik (CDU) machte nochmals deutlich, dass sich die Gestaltung des Geländes im Gemeindebesitz durch eine Vermarktung selbst finanzieren müsse. Er könne sich die Ansiedlung eines nicht störenden Handwerkbetriebes an der Stelle vorstellen und wünsche sich einen weitestgehenden Erhalt des kleinen Wäldchens, so Michalzik.

Die Diskussion um Paintball und die Nachnutzung des Brachgeländes wird in der Sitzung des Gemeinderates am Donnerstag, 8. Dezember 2016, wohl fortgesetzt.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Richard Meier (2. v. r.) und weitere Anlieger verfolgten die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des politischen Gemeinderates. Meier meldete sich dabei kritisch bezüglich der möglichen Errichtung einer Paintball-Anlage gegenüber dem Freibad zu Wort. FOTO: ANDREAS DUNKER
Richard Meier (2. v. r.) und weitere Anlieger verfolgten die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des politischen Gemeinderates. Meier meldete sich dabei kritisch bezüglich der möglichen Errichtung einer Paintball-Anlage gegenüber dem Freibad zu Wort. FOTO: ANDREAS DUNKER