Vor 75 Jahren: Die Möhnekatastrophe brachte Tod und Verwüstung ins Ruhrtal

7. Mai 2018

MOEHNESEE / ARNSBERG-NEHEIM / WICKEDE (RUHR) / FRÖNDENBERG. 75 Jahre nach der Möhnekatastrophe in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 zieht die Pressestelle des Ruhrverbandes eine Bilanz der britischen Bombenangriffe auf die Talsperren im Sauerland und in Nordhessen während des Zweiten Weltkrieges. Der Ruhrverband als öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen mit Sitz in Essen betreibt heute die Talsperren und regelt damit der Flußpegel im Einzugsgebiet der Ruhr. Die Redaktion von "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" hat noch einige zusätzliche Motive zu den Bildern aus dem Archiv des Ruhrverbandes hinzugefügt, die das ganze Ausmaß des Schreckens deutlich machen.

Der Angriff der britischen Royal Air Force mit Fliegerbomben gegen deutsche Talsperren sollte eigentlich die Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet schwächen, die angeblich von dem Wasserreservoir der Stauseen und der Regulierung des Flußpegels der Ruhr abhängig war. – Was die zerstörerische Wasserwelle der Möhnekatastrophe für Verwüstungen und Leid im heimischen Ruhrtal anrichtete, wird aus dem nachstehenden Bericht hoffentlich etwas deutlich:

"In der Nacht vom 16. auf den 17.Mai 1943 griffen britische Bombersechs Talsperren im Sauerland und in Nordhessen mit eigens für diesen Zweck konstruierten Rotationsbomben an, die nach dem Prinzip eines hüpfenden Kieselsteins in Richtung der Staumauer beziehungsweise des Staudamms springen, dort versinken und in der Tiefe explodieren sollten.

Für für die Angriffe auf die Möhne-, Lister-, Sorpe- und Ennepetalsperre des Ruhrverbands sowie die Diemel- und Edertalsperre an der Grenze zu Nordhessen hatten die Piloten der Royal Air Force monatelang trainiert.

Die verheerendsten Folgen des Angriffs gab es an der Möhnetalsperre: Hier erreichte eine der abgeworfenen Bomben ihr Ziel und verursachte einen Riss in der Mauer, der sich durch den Druck der ausströmenden Wassermassen rasch zu einer fast 80 Meter breiten Lücke erweiterte.

Mit einer Höhe von bis zu sieben Metern raste die Flutwelle durch das enge Möhnetal und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand.

In weniger als neun Stunden strömten über 100 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Talsperre und ergossen sich bis weit ins Ruhrtal hinein. Häuser wurden fortgespült, Brücken und Straßen zerstört. Das Kraftwerk am Hengsteysee, mehr als 60 Kilometer flussabwärts gelegen, wurde ebenso überflutet wie die Wasserwerke an der mittleren Ruhr. Auf den umliegenden Äckern hinterließ das Wasser unvorstellbare Mengen von Schlamm und Geröll.

Rund 1.600 Menschen kamen bei der Möhnekatastrophe ums Leben, die meisten davon ausländische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in einem Lager fünf Kilometer unterhalb der Sperrmauer untergebracht waren.

Ein Mahnmal am Standort des durch die Flutwelle ebenfalls völlig zerstörten Klosters Himmelpforten erinnert heute an die Toten in diesem Lager. Auch im Ortskern von Neheim, das heute zu Arnsberg gehört und von der Hochwasserwelle schwer getroffen wurde, gibt es ein Mahnmal für die Opfer der Katastrophe. (Ebenso gibt es in Wickede an der Ruhr eine Gedenkstätte für die Wassertoten. – Anmerkung der Redaktion)

DieMenschen in der Region spürten die Folgen der Zerstörung noch monatelang: Die Versorgung mit Trinkwasser war durch die Beschädigung der Stauanlagen und Wasserwerke stark eingeschränkt. Da viele Kläranlagen ebenfalls zerstört oder beschädigt waren, gelangten hoch belastete Industrieabwässer ungereinigt in die Flüsse.

In den Rüstungsstandorten Dortmund, Bochum und Hagen lag die Produktion durch den Ausfall von Wasser- und Elektrizitätswerken mehrere Tage lang still.

Nachdem sich Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, bereits wenige Stunden nach dem Angriff persönlich einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung verschafft hatte, begann die „Organisation Todt“, der Bautrupp des nationalsozialistischen Regimes, rasch mit dem Wiederaufbau und setzte dabei nahezu 4.000 überwiegend ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein.

Bereits im September 1943 wurde die Möhnetalsperre wieder eingestaut. Mit dem Wiederaufbau der ebenfalls beschädigten Grundablässe begann der Ruhrverband allerdings erst 1950. Anschließend wurde als Ersatz für das bei dem Angriff zerstörte Hauptkraftwerk ein neues Werk am Auslauf des früheren Umleitungsstollens für Möhne und Heve errichtet. Das alte Nebenkraftwerk wurde abgetragen und – zusammen mit einem deutlich vergrößerten Ausgleichsweiher – ebenfalls durch ein neues Kraftwerk 400 Meter westlich der alten Position ersetzt.

Auch die nordhessische Edertalsperre wurde bei dem Angriff zerstört. Dort fanden Dutzende Menschen den Tod.

Die Absperrbauwerke der übrigen angegriffenen Talsperren wurden zwar teilweise stark beschädigt, brachen aber nicht.

Zur Abwehr erneuter Bombardements erhielten die Talsperren im Sauerland in der Folge Flakstellungen. Allerdings wurden bis Kriegsende keine weiteren gezielten Angriffe auf Talsperren mehr unternommen."

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Die durch die britischen Bomben zerstörte Staumauer von der Wasserseite aus betrachtet. ARCHIVFOTO
Die durch die britischen Bomben zerstörte Staumauer von der Wasserseite aus betrachtet. ARCHIVFOTO
Durch die zirka 80 Meter breite Lücke in der Staumauer des Möhnesees strömten binnen weniger Stunden mehr als hundert Millionen Kubikmeter Wasser aus. FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
Durch die zirka 80 Meter breite Lücke in der Staumauer des Möhnesees strömten binnen weniger Stunden mehr als hundert Millionen Kubikmeter Wasser aus. FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
Im Möhne- und Ruhrtal unterhalb der zerstörten Staumauer zog die zirka sieben Meter hohe zerstörerische Wasserwelle eine Spur der Verwüstung. ARCHIVFOTO
Im Möhne- und Ruhrtal unterhalb der zerstörten Staumauer zog die zirka sieben Meter hohe zerstörerische Wasserwelle eine Spur der Verwüstung. ARCHIVFOTO
In Neheim richtete die Flutwelle der Möhnekatastrophe vom 16. auf den 17. Mai 1943 schwerste Verwüstungen an. FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
In Neheim richtete die Flutwelle der Möhnekatastrophe vom 16. auf den 17. Mai 1943 schwerste Verwüstungen an. FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
Das durch die Wasserwelle der Möhnekatastrophe vom 16. auf den 17. Mai 1943 verwüstete Wickeder Unterdorf FOTO: KREISARCHIV SOEST
Das durch die Wasserwelle der Möhnekatastrophe vom 16. auf den 17. Mai 1943 verwüstete Wickeder Unterdorf FOTO: KREISARCHIV SOEST
Ein von der Flutwelle der Möhnekatastrophe bis auf die Hauptstraße in Wickede geschwemmter Eisenbahnwagon. – Dies zeigt, welch zerstörerische Wucht die Wasserwelle im Möhne- und Ruhrtal hatte. – Im Hintergrund das zerstörte Kino "Schauburg" neben der Gaststätte Lindenhof. ARCHIVFOTO
Ein von der Flutwelle der Möhnekatastrophe bis auf die Hauptstraße in Wickede geschwemmter Eisenbahnwagon. – Dies zeigt, welch zerstörerische Wucht die Wasserwelle im Möhne- und Ruhrtal hatte. – Im Hintergrund das zerstörte Kino "Schauburg" neben der Gaststätte Lindenhof. ARCHIVFOTO
Ein durch die Möhneflut erstörtes Haus in Fröndenberg FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
Ein durch die Möhneflut erstörtes Haus in Fröndenberg FOTO: BILDARCHIV RUHRVERBAND
Die „Organisation Todt“, der Bautrupp des nationalsozialistischen Regimes, begann rasch mit dem Wiederaufbau und setzte dabei fast 4.000 – überwiegend ausländische – Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. ARCHIVFOTO
Die „Organisation Todt“, der Bautrupp des nationalsozialistischen Regimes, begann rasch mit dem Wiederaufbau und setzte dabei fast 4.000 – überwiegend ausländische – Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. ARCHIVFOTO
Die „Organisation Todt“, der Bautrupp des nationalsozialistischen Regimes, begann rasch mit dem Wiederaufbau und setzte dabei fast 4.000 – überwiegend ausländische – Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. ARCHIVFOTO
Die „Organisation Todt“, der Bautrupp des nationalsozialistischen Regimes, begann rasch mit dem Wiederaufbau und setzte dabei fast 4.000 – überwiegend ausländische – Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. ARCHIVFOTO
Wiederaufbau der Staumauer der Möhnetalsperre ARCHIVFOTO
Wiederaufbau der Staumauer der Möhnetalsperre ARCHIVFOTO