Was die SPD zu erwähnen vergaß …

11. Dezember 2018

WICKEDE (RUHR). Mit der „Willy-Brandt-Gedenkmedaille“, dem höchsten Ehrenzeichen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), zeichnete Vorsitzende Inga Westermann im Rahmen der alljährlichen Weihnachtsfeier des Wickeder SPD-Ortsvereins jetzt den Sozialdemokraten Fritz Ziegler (85) aus, der seit langem in Wiehagen wohnt. – Damit würdige die SPD das Lebenswerk des gebürtigen Gelsenkircheners, der zwischen 1973 und 1977 als Arnsberger Regierungspräsident fungierte und über den das Nachrichten-Magazin „DER SPIEGEL“ im Jahre 1998 schrieb, dass er „einer der einflussreichsten Manager an Rhein und Ruhr“ und „ein Mann mit ausgeprägtem Machtinstinkt“ sei, der „zum inneren Zirkel“ der SPD in Nordrhein-Westfalen gehöre, wo er als Landesschatzmeister jahrelang zu den engen Vertrauten des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau gezählt habe. Unter anderem habe Ziegler als gewiefter Taktiker auch als Wahlkampfmanager der Partei fungiert, so der „SPIEGEL“.

Und während Inga Westermann lobte, dass der alte SPD-Mann die demokratischen Ideale „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ besonders verkörpere, schreibt das Online-Lexikon „Wikipedia“ über den Wahl-Wiehagener: „… 1998 wurde Ziegler wegen des Vorwurfs der privaten Steuerhinterziehung in einer sechsstelligen Höhe kurzzeitig in Untersuchungshaft genommen. In einem umfassenden Geständnis räumte er die Vorwürfe ein.“ – Ziegler kehrte anschließend dann sogar für kurze Zeit als Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW) an seinen Arbeitsplatz zurück, da der Aufsichtsrat des Energiekonzerns den Genossen nicht fallen lassen wollte. Erst unter dem Druck der Öffentlichkeit erklärte er 1998 seinen Rücktritt von dem Posten.

Als Sohn einer Bergmannsfamilie im Ruhrgebiet geboren

Zum Werdegang: Fritz Ziegler wurde am 1. Januar 1933 in Gelsenkirchen als Sohn einer Bergmannsfamilie geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als 17-jähriger verließ er das Gymnasium und absolvierte eine Ausbildung zum Bergmann. Mehr als 15 Jahre arbeitete er unter Tage und machte auf der Zeche „Monopol“ in Bergkamen eine Karriere bis zum Abteilungs- und Reviersteiger.

Daneben studierte Ziegler an der Dortmunder Sozial-Akademie noch Betriebswirtschaft. Zudem engagierte er sich in der Gewerkschaft und in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Beginn der hauptberuflichen politischen Karriere

1967 wechselte Fritz Ziegler hauptberuflich in die Politik und wurde persönlicher Referent von Werner Figgen, dem damaligen nordrhein-westfälischen Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

1973 berief ihn Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) zum Regierungspräsidenten von Arnsberg. Ein Amt, welches Ziegler nur vier Jahre lang ausübte.

Rückkehr in die Wirtschaft

Denn 1977 kehrte der gelernte Bergmann in die Montanwirtschaft des Ruhrgebiets zurück – allerdings über Tage. – Seine sozialdemokratischen Genossen hatten ihn zum Vorstandsmitglied der Bergbau AG Westfalen in Dortmund befördert, wo er „richtig Kohle“ verdiente, wie die Tageszeitung „DIE WELT“ dereinst schrieb.

Von dieser Tochtergesellschaft der Ruhrkohle AG wechselte Ziegler schließlich in deren Chefetage. „Vom 1. Mai 1981 bis zum 28. August 1990 gehörte er als Arbeitsdirektor dem Vorstand der Ruhrkohle AG an“, heißt es in Munzingers „Internationales Biographisches Archiv“ über den Manager, der heute in Wiehagen seinen Ruhestand verlebt. Und in „Wikipedia“ ist nachzulesen: „In seine Amtszeit fiel der sozialverträgliche Abbau von etwa 46.000 Arbeitsplätzen.“

Im Jahre 1990 wechselte Fritz Ziegler dann in den Vorstand der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW), dessen mächtiger Chef er 1993 wurde. – „Vom Bergmann zum Vorstandsvorsitzenden – eine Karriere wie aus dem Bilderbuch“ hieß es dazu in den Medien.

„Graue Eminenz“ der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie 

Damals galt Fritz Ziegler schon lange als „graue Eminenz“ der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie, dessen geschäftsführendem Landesvorstand er über Jahre als einflussreicher Schatzmeister angehörte.

Verhaftung wegen wirtschaftskrimineller Machenschaften

Am 22. September 1998 wurde der Sozialdemokrat und VEW-Vorstandsvorsitzende schließlich wegen des Vorwurfs privater Steuerhinterziehung verhaftet. „Die Bochumer Staatsanwaltschaft und die Steuerfahndung werfen ihm vor, mit Hilfe der Dresdner Bank knapp eine Million Mark an der Steuer vorbei auf Konten in Luxemburg angelegt zu haben“, schreibt Udo Leuschner in seiner „Energie-Chronik“ dazu.

Außerdem soll Ziegler durch „die unrechtmäßige Deklarierung seiner Privatvilla (in Wiehagen, Anm. d. Red.) als Zweifamilienhaus in großem Umfang Steuern hinterzogen zu haben“, berichtete „DIE ZEIT“ (1998).

Erst nachdem er ein umfassendes Geständnis abgelegt und eine Kaution in sechsstelliger Höhe hinterlegt hätte, sei der sozialdemokratische Top-Manager am 29. September 1998 wieder aus der Untersuchungshaft freigekommen.

„DIE WELT“ frotzelte damals über die vermeintlich „weiße Weste der grauen Eminenz“ der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie, nachdem der Chef eines der größten deutschen Energiekonzerne als Wirtschaftskrimineller entlarvt worden war.

Ehrung mit der „Willy-Brandt-Gedenkmedaille“

Der Wickeder SPD-Ortsverein hat während seiner Weihnachtsfeier, wo Fritz Ziegler ob seiner Verdienste für die Sozialdemokratie mit der „Willy-Brandt-Gedenkmedaille“ geehrt wurde, diese Punkte seiner Biografie allerdings wohl ausgeklammert. Jedenfalls stand dazu nichts in der Mitteilung an die Medien.

Vielmehr war nur die Rede vom Lob des Wahl-Wiehageners, der in vielen Bereichen den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen mitgestaltet habe, was sicherlich auch ein Teil der Wahrheit ist.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Der Sozialdemokrat Fritz Ziegler (85, 4. v. l.) wurde im Rahmen der Weihnachtsfeier des Wickeder SPD-Ortsvereins mit der „Willy-Brandt-Gedenkmedaille“, dem höchsten Ehrenzeichen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), ausgezeichnet. Mit auf dem Foto (von links): SPD-Fraktionsvorsitzender Engelbert Gurka, SPD-Landtagsabgeordneter Norbert Römer, SPD-Ehrenvorsitzender Helmut Bäcker, SPD-Vorsitzende Inga Westermann und stellvertretende Bürgermeisterin Ellinor Schilling (SPD) FOTO: SPD-ORTSVEREIN WICKEDE (RUHR)
Der Sozialdemokrat Fritz Ziegler (85, 4. v. l.) wurde im Rahmen der Weihnachtsfeier des Wickeder SPD-Ortsvereins mit der „Willy-Brandt-Gedenkmedaille“, dem höchsten Ehrenzeichen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), ausgezeichnet. Mit auf dem Foto (von links): SPD-Fraktionsvorsitzender Engelbert Gurka, SPD-Landtagsabgeordneter Norbert Römer, SPD-Ehrenvorsitzender Helmut Bäcker, SPD-Vorsitzende Inga Westermann und stellvertretende Bürgermeisterin Ellinor Schilling (SPD) FOTO: SPD-ORTSVEREIN WICKEDE (RUHR)