„Eine Kuh macht muh, viele Kühe machen Mühe!“

1. Juni 2019

WICKEDE (RUHR). „Eine Kuh macht muh, viele Kühe machen Mühe!“ – Darin sind sich die Familien Goeke in Wimbern und Kruse/Prenger in Schlückingen einig. Denn auf ihren Bauernhöfen in den Ortsteilen betreiben die beiden Familien aktuell immer noch eine eigene Milchvieh-Haltung.

Es sind inzwischen die einzigen landwirtschaftlichen Betriebe in der Gemeinde Wickede (Ruhr) mit Milchkühen. Und das bedeutet, dass die Vollerwerbslandwirte das ganze Jahr über jeden Tag morgens und abends füttern und melken müssen. Außerdem ist eine ständige Kontrolle angesagt, wenn wieder eines der trächtigen Muttertiere im Stall kalbt.

„Da muss man schon Idealist sein, um das zu machen!“

„Da muss man schon Idealist sein, um das zu machen“, meint der staatlich geprüfte Landwirt Frank Kruse (31). Zusammen mit seiner Ehefrau Ines Kruse (28, geborene Prenger) bewirtschaftet er seit 2018 den Hof an der Straße „Auf der Bredde 6“ in Schlückingen. – Unterstützt werden die beiden jungen Leute dabei immer noch von Josef Prenger (63) und seiner Frau Angelika (59), die sich nur offiziell aufs Altenteil zurückgezogen haben, aber noch immer mit Rat und Tat helfen.

Die nächste Generation hat den Hof übernommen

Die neue und vierte Generation der Hofbesitzer investiert gerade in die Vergrößerung des landwirtschaftlichen Betriebes: Künftig will die Familie Kruse doppelt so viele Kühe wie jetzt auf dem Hof Prenger halten und diese dann durch moderne Technik in der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit melken. Rund hundert zu melkende Kühe soll die Herde des Hofes auf Dauer umfassen. Hinzu kommt die Nachzucht.

Dazu erfolgt am heutigen Samstag (1. Juni 2019) – dem „Internationalen Tag der Milch“ – der erste Spatenstich für ein neues Stallgebäude direkt an dem bisherigen Altbau. Außerdem entstehen parallel nebenan weitere Fahrsilos für Gras- und Mais-Silage sowie eine ebenfalls befahrbare Mistplatte. Denn auf dem Hof Prenger in Schlückingen stehen und liegen Kühe und Kälber auf Stroh – und nicht auf Spaltböden. Und bis zur Ausbringung als natürlicher Dünger auf den Feldern muss der Mist irgendwo vorschriftsmäßig zwischengelagert werden. Außerdem wird ein effizienter zentraler Melkstand mit Absauganlage errichtet.

„Trockensteher“ für sechs bis acht Wochen pro Jahr auf die Weide

Anders als beim Hof Goeke in Wimbern kommen auf dem Hof Prenger in Schlückingen nur die „Trockensteher“ ganztägig für sechs bis acht Wochen pro Jahr auf die Weide, sprich: die Kühe, die nicht gemolken werden können. Das ist die Phase zwischen der vorangegangenen Laktation (Milchabgabe) und der Geburt des folgenden Kalbes.

Ansonsten werden Kühe und Kälber auf dem Hof Prenger hauptsächlich im Stall gehalten und verbringen täglich nur zwischen zwei und drei Stunden im Freien.

Zwei Dutzend Kühe grasen im Sommer in Wimbern auf der Weide

Bei der Familie Goeke in Wimbern, die nur etwa zwei Dutzend Kühe der bayrischen Rasse „Fleckvieh“ hält, kommen die Tiere hingegen zwischen Mai und November hingegen fast den ganzen Tag zum Grasen auf die Weide, die direkt an den Hof angrenzt. Denn die frische Luft, das saftige Gras am Wimberner Bach und der Auslauf bekämen den Wiederkäuern nicht nur gut, sondern sorgten auch für mehr und bessere Milch sowie entsprechend gute Fleischqualität bei der späteren Schlachtung der Tiere, meinte Alt-Bauer Josef Goeke (66) im Gespräch mit unserem lokalen Nachrichten-Portal „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“. Er hat seinen Hof im Jahre 2017 an Sohn Christoph (heute: 32) übertragen, der staatlich geprüfter Landwirt ist.

Neben Rinderzucht und Milichvieh-Wirtschaft auch Bullenmast

Anders als bei Kruse/Prenger in Schlückingen werden die männlichen Kälbchen von der Familie Goeke auch nicht nach wenigen Wochen an andere Bauern verkauft. Vielmehr mästet der Wimberner Betrieb die Bullen selbst, bevor er sie an einen Schlachthof oder Metzger verkauft.

Außerdem konzentriert sich der Hof in Wimbern nicht nur auf Rinder, sondern züchtet auch Ferkel und mästet Schweine.

Konventionelle Landwirtschaft auf beiden Vollerwerbshöfen

Beide Betriebe gehören zur konventionellen Landwirtschaft und wollen auf absehbare Zeit auch nicht auf ökologischen Landbau umstellen. Allerdings verzichten sowohl der Schlückinger als auch der Wimberner Betrieb auf genmanipuliertes Futter. Beide produzieren Kraftfutter und Silage großteils selbst durch Ackerbau und Grasschnitt auf ihren eigenen Feldern sowie angepachteten Flächen, die aufgrund der Ausweisung von Bauland, Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie Boden-Spekulation reicher Nicht-Landwirte allerdings immer knapper und teurer werden.

Kühe geben rund 10.000 Liter Milch pro Jahr

Während das rote Fleckvieh mit dem typischen weißen Kopf in Wimbern jährlich zwischen 8.000 und 11.000 Liter Milch pro Kuh liefert, liegt der Ertrag bei den rot- und schwarzbunten Tieren im Schlückinger Stall bei rund 10.000 Litern.

Tankwagen von unterschiedlichen Molkereien holen Rohmilch ab

Vom Hof Goeke wird die Rohmilch dabei alle drei Tage von einem Tanklastwagen der Molkerei Friesland-Campina aus Köln abgeholt, die zu einem niederländischen Konzern gehört. Unter anderem vertreibt der Verarbeiter der Milch seine Ware unter der bekannten Marke „Landliebe“.

In Schlückingen wird die Kuhmilch vom Hof Prenger alle zwei Tage von der „DMK Deutsches Milchkontor Guppe“ aus Everswinkel abgefahren, die ihre Milchprodukte unter anderem unter dem Markennamen „Milram“ an den Lebensmitteleinzelhandel verkauft.

Bei den Verbrauchern landet die Kuhmilch aus der Ruhrgemeinde schließlich in Form von Frisch- und H-Milch, Butter, Käse und Sahne sowie Milchpulver oder als fertiges Dessert (Joghurt, Pudding, Quark).

Milch für den Endverbraucher meist entrahmt und pasteurisiert

Die teils noch frisch gemolkene und teils noch warme Milch direkt aus dem Euter der Kuh habe allerdings einen ganz besonderen Geschmack, schwärmte Josef Goeke im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“. Denn die Milch in den Supermärkten und anderen Geschäften sei in der Regel ja entrahmt und pasteurisiert.

In der Küche der Wimberner Bauernfamilie wird deshalb lieber gleich die Rohmilch von den eigenen Kühen verarbeitet.

Zahl der Milchkuh-Halter sinkt deutschlandweit kontinuierlich

„Leider sinkt die Zahl der Milchkuh-Halter im Kreis Soest, wie im gesamten Bundesgebiet kontinuierlich“, erklärte Josef Lehmenkühler als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest. Auch aktuell sei, obwohl die Milchpreise schon mal schlechter gewesen seien, im Kreis Soest der Trend zur Aufgabe der Milchkuhhaltung nicht gestoppt.

Dies sei Entwicklung und Folge der vergangenen 20 Jahre mit den Milch-Krisen und dem Preisdruck des Lebensmitteleinzelhandels auf Molkereien und Bauern.

Tiefe und lange Preistäler, dazu nur kurze Phasen mit auskömmlichen oder höheren Preisen und dazu immer höhere Auflagen und die massive Arbeitsbelastung gerade im Milchviehbereich – dies alles seien Gründe, warum Milchkuhhalter ihren Betrieb häufig irgendwann aufgeben würden, so Lehmenkühler.

„Der Schritt ist für die betroffenen Bauernfamilien ein schwerer, unsere Milchviehhalter sind mit viel Herzblut dabei. Bevor die Kühe den Stall für immer verlassen, hat es meistens viele schlaflose Nächte gegeben“, meint der regionale Bauernverbandsvorsitzende.

Laut dem statistischen Landesamt „IT.NRW“ gab es im Jahre 1980 übrigens noch 1.308 Milchviehhalter-Betriebe im Kreis Soest mit 17.439 Milchkühen. Bis 2016 sanken die Zahlen auf 197 Milchviehhalter-Betriebe mit 9.862 Milchkühen.

Enorm gestiegene Milchproduktion pro Tier

Durch eine gestiegene Abgabeleistung pro Tier ist die Milchproduktion trotz sinkender Zahlen von Milchvieh-Haltern und Kühen allerdings deutschlandweit gestiegen und es gibt europaweite Überkapazitäten, die auf die Preise drücken. Denn auf Höchstleistung gezüchtete Kühe geben bis zu 10.000 Liter Milch pro Jahr. 1960 waren es durchschnittlich nur 4.000 Liter. Dadurch lässt sich auch erklären, dass trotz eines erheblichen Rückgangs des Tierbestandes innerhalb der letzten Jahrzehnte die produzierte Milchmenge fast gleich geblieben ist.

Früher mehr Bauern mit kleineren Herden

Früher hatte ein Bauer auch durchschnittlich nur fünf Kühe auf seinem Hof. Wie der Branchendienst „agrarheute.com“ berichtete, gab es hingegen 2016 in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 66 Milchkühe pro Betrieb. Denn die heutige Haltung in Verbindung mit moderner Technik ermöglicht es den Bauern immer mehr Milchvieh zu halten und zu melken.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Josef Goeke auf dem Familienbetrieb an der Arnsberger Straße in Wimbern FOTO: ANDREAS DUNKER
Josef Goeke auf dem Familienbetrieb an der Arnsberger Straße in Wimbern FOTO: ANDREAS DUNKER
Die Fleckvieh-Herde des Hofes Goekes grast zwischen Mai und November in der Regel auf der Weide neben dem Betrieb. FOTO: ANDREAS DUNKER
Die Fleckvieh-Herde des Hofes Goekes grast zwischen Mai und November in der Regel auf der Weide neben dem Betrieb. FOTO: ANDREAS DUNKER
Frank und Ines Kruse (geb. Prenger) bauen den übernommenen Milchvieh-Betrieb an der Straße "Auf der Bredde" in Schlückingen gerade aus und wollen die Zahl der Tiere ihrer Kuhherde verdoppeln. FOTO: ANDREAS DUNKER
Frank und Ines Kruse (geb. Prenger) bauen den übernommenen Milchvieh-Betrieb an der Straße "Auf der Bredde" in Schlückingen gerade aus und wollen die Zahl der Tiere ihrer Kuhherde verdoppeln. FOTO: ANDREAS DUNKER
Kälber-Nachzucht auf dem Hof Prenger der Eheleute Kruse in Schlückingen: Hier ist eine Stallhaltung mit Stroh die Regel. Gefüttert werden die Rinder unter anderem mit Gras- und Mais-Silage. FOTO: ANDREAS DUNKER
Kälber-Nachzucht auf dem Hof Prenger der Eheleute Kruse in Schlückingen: Hier ist eine Stallhaltung mit Stroh die Regel. Gefüttert werden die Rinder unter anderem mit Gras- und Mais-Silage. FOTO: ANDREAS DUNKER
Die dritte und vierte Generation auf dem Milchvieh-Betrieb "Hof Prenger" (von links): Frank Kruse, Angelika und Josef Prenger sowie Ines Kruse (geborene Prenger) FOTO: ANDREAS DUNKER
Die dritte und vierte Generation auf dem Milchvieh-Betrieb "Hof Prenger" (von links): Frank Kruse, Angelika und Josef Prenger sowie Ines Kruse (geborene Prenger) FOTO: ANDREAS DUNKER
Milchtankwagen auf dem MHof Prenger in Schlückingen FOTO: PRIVAT
Milchtankwagen auf dem MHof Prenger in Schlückingen FOTO: PRIVAT
Verkauf der frischen Milch aus Blechkannen vom Pferdewagen – eine historische Aufnahme von der Hauptstraße in Wickede QUELLE: HEIMATVEREIN WICKEDE (RUHR) (Wir danken Herrn Josef Kampmann für die Überlassung des Bildes!)
Verkauf der frischen Milch aus Blechkannen vom Pferdewagen – eine historische Aufnahme von der Hauptstraße in Wickede QUELLE: HEIMATVEREIN WICKEDE (RUHR) (Wir danken Herrn Josef Kampmann für die Überlassung des Bildes!)

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