30. August 2019
WICKEDE (RUHR). Die diesjährige Saison im Freibad der Gemeinde Wickede (Ruhr) geht dem Ende zu. Bei schönem Wetter hat das öffentliche Schwimmbad noch maximal bis zum 14. September 2019 geöffnet. Früher schloss die kommunale Freizeit-Einrichtung sogar schon immer Ende August ihre Pforten und öffnete erst wieder am 1. Mai des Folgejahres. – In einem Interview mit unserem lokalen Nachrichten-Portal „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ ziehen Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Schwimmmeister Michael Scheffler als verantwortlicher Betriebsleiter exklusiv Bilanz: Wie ist die Saison in der beliebten Wickeder Freizeit-Einrichtung in diesem Jahr bislang verlaufen? Und wie ist es um die Zukunft des Freibades bestellt?
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Mit dem Ende der nordrhein-westfälischen Schulferien endet auch so langsam die Hauptsaison im kommunalen Freibad. Wie viele Besucher zählte das Wickeder Bad bislang genau?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Bis zum 25. August 2019 zählten wir rund 70.000 Gäste.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: An welchem Tag war der Besucherandrang in der Saison 2019 am
größten? Und wie viele Gäste kamen an diesem Tag genau?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Am 30. Juni 2019 – ein Sonntag in den Ferien – kamen 3.700 Besucher.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Rechnet man alle Besucher seit Beginn der Zählung im Jahre 1965
bis heute zusammen, weist die Statistik der Gemeinde Wickede (Ruhr)
weit mehr als 4,5 Millionen Gäste im kommunalen Freibad auf. Die
bislang höchste Nutzungsquote innerhalb der Saison erreichte das
Bad im Jahre 2003 mit 149.576 Besuchern. – Warum erreicht das Bad
heute keine solche Frequenz mehr?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU): Als ich Jugendlicher war, war Schulschluss um Eins und ab zwei
Uhr war Freibadzeit. Heute endet der Unterricht häufig erst am Nachmittag. Schüler sind erst gegen 16 Uhr daheim. Gruppenstunden und Trainings von Vereinen „drubbeln“ sich heute am Spätnachmittag. Neue Freizeitangebote sind dazu gekommen. Manche Kinder gehen nur
schwimmen, wenn das „Elterntaxi“ fährt. Viel Freizeit wird natürlich auch auf PC und Handy konzentriert.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Früher hatte man das Gefühl, dass die Besucher im Wickeder Freibad
hauptsächlich aus der Ruhrgemeinde und den Nachbarorten stammten,
heute sieht der einheimische Beobachter – zumindest an warmen
Wochenenden und in den Ferien – auch viele fremde Gesichter. –
Woher kommen die Besucher und wie ist die Relation zwischen
Einheimischen und Auswärtigen?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Abfragen und Auswertungen dazu machen wir nicht. Ein Blick auf die Nummernschilder rund ums Freibad, zeigt an Sonnen-Tagen, dass viele Besucher aus dem Märkischen Kreis und dem Hochsauerlandkreis kommen. Nachbarn aus Ense und Werl kennen wir aus Gesprächen ebenso wie Gäste aus Fröndenberg und Soest.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Und welcher Tag war in diesem Sommer der bislang wärmste Tag im
Wickeder Freibad? Wie hoch war die höchste gemessene Lufttemperatur
im Schatten an diesem Tag?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Am 25. Juli 2019 haben wir 40 Grad Celsius im Schatten gemessen.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Wie war das Wetter über die gesamte Saison gesehen und wie hat
sich dies auf die Besucher-Statistik des Freibades ausgewirkt?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Wir hatten auch 2019 wieder einige besonders heiße Tage. Insgesamt gesehen war die Saison aber durchschnittlich.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Wie wirkt sich das Wetter voraussichtlich auf die aktuellen
Betriebskosten aus? Sind warmes Wetter und viele Besucher für die
betriebswirtschaftliche Bilanz (Wasser-, Strom-, Gas-Verbrauch,
Personalkosten für Saisonkräfte usw.) gut oder schlecht?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Das bleibt sich in etwa gleich. Als Faustformel kann gelten: Kühles Wetter bedeutet weniger Besucher, aber höhere Heizkosten und geringere Einnahmen durch
Einmalzahler. – Gutes Wetter mit vielen Gästen bedeutet weniger
Heizenergie für das Badewasser bei etwas mehr Einnahmen, aber deutlich höhere Kosten für Klärung des
Wassers, Einleitung von Frischwasser und Reinigung der Gebäude und des Geländes.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Wie hoch waren die durchschnittlichen Betriebskosten für das
kommunale Freibad in den vergangenen Jahren? Wie viel
erwirtschaftet der Betrieb durch eigene Einnahmen und welche Summe
an Zuschüssen aus kommunalen Steuermitteln ist pro Saison
notwendig? Sorgen mehr Besucher für ein geringeres Defizit?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Wir haben viele Jahres- und Zehnerkarteninhaber. Insgesamt wirken Schwankungen der Besucherzahlen sich auf der Einnahme-Seite nicht spektakulär aus. Die Erfahrungswerte zeigen Einnahmen aus Eintrittskarten-Verkäufen zwischen 85.000 und 92.000 Euro. Der Betrieb des Bades kostete in der Vergangenheit zwischen 350.000 und 380.000 Euro. Bleibt ein Zuschussbedarf zwischen etwa 270.000 und 290.000 Euro. Tendenz steigend, da Energie- und Personal-Kosten nach oben gehen. Wir haben rund 135 Öffnungstage pro Saison: Also kommen wir auf einen täglichen Zuschuss je Badetag in Höhe von 2.000 bis zirka 2.150 Euro. Auf Besucher verteilt heißt dass: Bei 70.000 gezählten Besuchen gibt die Gemeinde Wickede (Ruhr) im Jahre 2019 für jedes Mal Schwimmen vier Euro dazu. Damit können sich Jahres- und Familienkarteninhaber anhand ihrer Besuche gut ausrechnen, welchen Wert eine Jahreskarte tatsächlich darstellt. Denn diese kostet sie ja nur 85 Euro für die ganze Familie.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: In anderen Städten und Gemeinden werden vielfach kommunale
Freibäder geschlossen oder in die Trägerschaft privater
Betreiber-Vereine übergeben. Haben Politik und Verwaltung vor Ort
angesichts der hohen Kosten im kommunalen Finanzhaushalt auch schon
einmal mit solchen Gedanken gespielt? Warum „gönnt“ sich eine
kleine Gemeinde wie Wickede (Ruhr) überhaupt diesen „Luxus“? Was
spricht für den Erhalt des Bades in kommunaler Trägerschaft?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Ein Freibad ist ohne Zweifel eine kostspielige Angelegenheit für
eine kleine Gemeinde. Viele Orte vergleichbarer Größe haben keine
Freibäder mehr. In Wickede (Ruhr) gibt es bislang politische
Übereinstimmung, dass wir unser Freibad aus mindestens vier guten
Gründen besonders schätzen:
1. Als Ort, um Vitalität in jedem Lebensalter zu erhalten.
2. Um eine attraktive und preisgünstige Freizeitstätte für Familien
anzubieten.
3. Um eine örtliche Sommer-Erlebniswelt für alle Generationen
anzubieten.
4. Um eine über die Gemeinde hinaus attraktive Sport- und
Freizeitstätte zu haben, die für Wickede (Ruhr) ein
„Aushängeschild“ ist.
Ich selbst gehe gerne hier schwimmen. Mir liegt am Herzen, unser
Bad aus diesen guten Gründen zu erhalten.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Der Freibad-Förderverein wünscht sich Investitionen der Gemeinde
Wickede (Ruhr) in das kommunale Freibad, um die alte
Gebäudesubstanz zu erhalten und ein modernes Ambiente für die Gäste
zu schaffen. Denn die Umkleideräume und der Sanitärbereich mit
Duschen und Toiletten sind zwar funktionsfähig, benötigen aber –
aus Sicht des Fördervereins – schon ein paar Schönheitsreparaturen.
Zudem bemängelt man die fehlende Barrierefreiheit. An welchen
Stellen und in welchem Umfang sind Ihrer Meinung nach
finanzielle Investitionen und Sanierungsarbeiten dringend
notwendig? Und wann wollen Sie diese konkret realisieren?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Die Wünsche sind dem Freibad-Team, dem Rat und mir bekannt. Zum Beispiel – gerade im Damen-Bereich – wenn es um schönere Duschen geht. Ich erlebe im Freibad-Förderverein und bei Bad-Besuchern aber auch viel Verständnis dafür, dass das auf der Liste für Investitionen nicht ganz oben steht. Sanitäranlagen sind teuer. Duschen geht schnell. Eine Finanzierung dauert lange. Dennoch fällt das Thema bei mir nicht „hintenrüber“.
Ich finde sinnvoll, die Dinge zusammen zu sehen: Modernisierung von Duschen ja, aber zugleich barrierefreie Zugänge
ohne Stufen, ein Blick auf die Umwelt-Effizienz für das Freibad insgesamt und auf die Frei- und Spielflächen. Wir wollen herausfinden, ob wir eine solche Planung unter den Stichworten „Barrierefreiheit“,
„Inklusion“ und „Klimaschutz“ mit Fördergeldern erstellen und umsetzen lassen könnten.
Mein Fazit: Mittelfristig soll was passieren, ganz fix wird es aber nicht
gehen.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister weist aktuell auf einen
zunehmenden Fachkräftemangel im Bereich des Aufsichtspersonals hin.
Welche Erfahrungen hat die Gemeinde Wickede (Ruhr) hier in dieser
Saison und in den letzten Jahren gemacht? Ist es schwierig,
Saison-Kräfte zu gewinnen?
Schwimmmeister Michael Scheffler: Ja, das ist ein großes Thema im Austausch mit den Kollegen aus anderen Bädern. Bisher haben wir es in Wickede (Ruhr) aber immer geschafft , erfahrene Kräfte zu gewinnen, die mit dem Bad und unseren Besuchern vertraut sind. Hinzu kommen engagierte Schüler und Studenten als wertvolle Saisonkräfte. – Ich glaube, für uns spricht dabei, dass wir ein schönes Bad mit guter Atmosphäre sind.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister beklagt eine zunehmende
Respektlosigkeit und Aggression gegenüber dem Aufsichtspersonal in
Bädern? Gibt es im Wickeder Freibad auch solche Probleme?
Schwimmmeister Michael Scheffler: In der Saison 2019 gab es bislang nur einen Vorfall . Den haben wir mit einer Strafanzeige und einem Hausverbot geahndet.
Ansonsten gab es keine weiteren Delikte.
Schwimmmeister und andere Aufsichtskräfte gehen respektvoll mit den Besuchern um und umgekehrt. Das ist uns und mir persönlich sehr wichtig.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Laut einer repräsentativen Umfrage von „Forsa“, der Gesellschaft
für Sozialforschung und statistische Analysen, im Auftrage der
Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) können inzwischen
fast 60 Prozent der 10-jährigen Kinder gar nicht oder zumindest
nicht mehr sicher schwimmen. Hat die Gemeinde schon mal
nachgefragt, wie viele Kinder und Jugendlichen in den örtlichen
Schulen aktuell Nichtschwimmer sind? Und warum wird im kommunalen
Freibad kein Schwimmunterricht angeboten?
Schwimmmeister Michael Scheffler: In unserem Freibad gibt es schon immer unterschiedliche Angebote
an privatem Schwimmunterricht. Auch die heimischen Schulen
integrieren Schwimmstunden in den Sportunterricht.
Angaben zur Zahl
von Nichtschwimmern haben wir jedoch nicht.
Viele Familien nutzen die wetterunabhängigen Schwimmkurse
im Frei- und Hallenbad unserer Nachbarstadt Werl, wo ganzjährig
Unterrichtsmöglichkeiten bestehen.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Immer wieder gibt es öffentlich Kritik an den Betreibern des
Freibad-Kiosks, dessen Öffnungszeiten vielen Kunden zu willkürlich
und nicht plausibel erscheinen. Wie ist ihre Meinung als Verpächter
dazu? Und sehen Sie eine Lösung des Problems, um die Gastronomie
und den Verkauf während der nur etwa dreimonatigen jährlichen
Betriebsdauer des Bades für Betreiber und Kunden attraktiv zu
gestalten?
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Mit der Familie Teipel als Kiosk-Pächter haben die Gemeinde und die Freibad-Besucher über viele Jahre das große Privileg gehabt, da sich hier zwei Senioren leidenschaftlich für die kleine Gastronomie und den
Verkauf engagiert haben. Zudem war unser kommunales Freibad dabei auch ihre persönliche „Sommer-Residenz“.
Wirtschaftlich ist der kleine Freibad-Kiosk als Saison-Betrieb
nicht einfach zu führen. Er hat ja nur etwa drei Monate pro Jahr geöffnet. Und Umsatz und Gewinn hängen ganz stark vom Wetter ab.
Daher waren wir froh, nach dem Weggang der Familie Teipel mit dem
Ehepaar Strade vom örtlichen Eis-Café „Cortina“ rasch eine
Nachfolgelösung gefunden zu haben.
Die Wünsche vieler Besucher nach längeren und wetter-unabhängigen Öffnungszeiten kennen wir ebenso wie das derzeitige
Pächter-Paar. Darüber sind wir auch stets im Gespräch.
Auf der anderen Seite sehen wir auch, dass es für die Betreiber oft
schwierig sein kann, kurzfristig Personal für Küche und Verkauf
zu bekommen.
Wie es 2020 besser gelingen kann als 2019, werden wir in der Saison-Bilanz mit
Pächter-Paar, Freibad-Team und Vertretern des Freibad-Fördervereins
noch besprechen.
wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Herzlichen Dank für die aufschlussreichen und informativen
Antworten.
Die Fragen stellte ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.