Ergänzende Äußerungen vom Rathaus-Chef zu den kommunalen Finanzen

28. April 2020

WICKEDE (RUHR). Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) von der Gemeinde Wickede (Ruhr) hat im Nachgang zu dem am Montag von uns veröffentlichten zweiten Teil des Exklusiv-Interviews mit ihm zu den örtlichen Auswirkungen der Corona-Krise nochmals ergänzend Stellung genommen und seine Aussagen bezüglich der kommunalen Finanzen sowie der Ratsarbeit ergänzt und präzisiert. Unser lokales Nachrichten-Portal „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ gibt die detaillierteren Antworten des Bürgermeisters nächstens wieder.

wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Wie wirken sich voraussichtlich die  fehlenden Gebühren- und Gewerbesteuer-Einnahmen in diesem Jahr auf den ohnehin schon defizitären Finanzhaushalt und die bereits bestehende hohe Verschuldung der Gemeinde Wickede (Ruhr) aus?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU): Ich gehe davon aus, dass durch die Corona-Krise bedingte Mindereinnahmen dazu führen, dass wir unsere Rücklage von rund sechs Millionen Euro, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, weitgehend, vielleicht sogar komplett einsetzen. Die hätten wir gerne als Reserven auch in die kommenden Jahre mitgenommen. Alle Tilgungen für langfristige Kredite werden weiterhin ohne Probleme bedient.

Unsere Verschuldung ist durch den Bau der Sekundarschule zwar gestiegen, wird aber auch schrittweise wieder zurückgeführt. Das ist der Preis für eine hervorrangend ausgerüstete, weiterführende Schule in unserem Ort.

Die Auseinandersetzung mit Ihrer Frage führt genau auf die Zwickmühle, in die alle Städte und Gemeinden durch die Corona-Folgen noch stärker kommen werden: Einerseits werden neue Schulden skeptisch betrachtet, auf der anderen Seite wird aber von vielen Seiten gefordert, gerade die Kommunen müssten jetzt investieren. In Schulen, Straßen oder zusätzliche Kindertagesstätten. Um die Wirtschaft zu stärken. Und wir sollen dazu gerade jetzt die Zeit des preiswerten Geldes nutzen.

Daher bitte ich, hier sehr genau zu schauen. Es ist und bleibt sinnvoll, langfristig günstige Kredite aufzunehmen, um werthaltige Investitionen – wie in Schulen, in eine Drehleiter für die Feuerwehr oder in unser Bügerhaus – zu finanzieren, die sonst gar nicht oder nur um den Preis schlagartig höherer Steuern möglich wären. Die will aber auch niemand, schon gar nicht im drohenden Umfeld einer Rezession.

Verzichten die Städte und Gemeinden auf diese Investitionen, fehlen Impulse für die heimische Wirtschaft. Und zugleich können wir absehen, dass zum Beispiel Gebäude schlechter werden und eine spätere Renovierung noch teurer wird.

Problematisch sind Schulden, die zur Deckung der laufenden Ausgaben wie für das Personal aufgenommen werden müssen. In dieser Situation befinden wir uns in Wickede (Ruhr) aber seit einigen Jahren nicht mehr.

Die Sorge von Kämmerer Christian Wiese und mir ist, dass uns das aber drohen kann, wenn die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie wirklich tief und lang andauernd sind. In diesem Fall würden die Pflichtausgaben und wichtige Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuern länger weit auseinander gehen.

Diese Gefahr droht aber auch aus manchen sozialpolitischen Vorschlägen, die von Bundes- und Landespolitik kommen. Beitragsfreie Kindergartenjahre sind familienpolitisch schön, aber natürlich laufen die Ausgaben für den Betrieb voll weiter, ohne das die bisherigen Einnahmen aus Elternbeiträgen kommen. Diese Lücke muss dann von allen Steuerpflichtigen in einer Gemeinde gemeinsam gedeckt werden.

Die einzigen Instrumente, die Städte und Gemeinden dafür haben sind die Grund- und Gewerbesteuer.

Im Personalaufwand unserer Verwaltung hat eine externe Untersuchung schon 2016 gezeigt, dass wir hier sehr wirtschaftlich sind.

Und die Alternative, wie ein Unternehmen die größten Ausgabe-Positionen zu kürzen, haben wir auch nicht: Wie schon gesagt, sind die meisten Aufgaben für das Rathaus gesetzlich vorgegeben.

Weiterhin brauchen wir eher mehr Personal im Bereich der Kindertageseinrichtungen. Und auch der Aufwand an Fachpersonal für Bauvorhaben steigt mit den Auflagen.

Zudem werden die millionenschweren Umlagen an den Kreis unter anderem aufgrund der Ausgaben für Soziales und Jugendhilfe weiter steigen.

Die Aufgabe, zusätzlich auszubilden und Nachwuchskräfte zu gewinnen, kommt dazu: Denn bis 2030 erreicht fast die Hälfte der Rathaus-Mitarbeiter die Altersgrenze.

Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen Kommunalverwaltung und Ortspolitik heute  schon arbeiten und künftig ihre Entscheidungen treffen müssen.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Bedarf es eines Nachtragshaushaltes? Und muss es Einsparungen, sprich Zurückstellungen von ursprünglich geplanten Ausgaben geben? Wer oder was wäre Ihrer Meinung nach am ehesten von entsprechenden Kürzungen oder Streichungen betroffen?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU): Eines Nachtragshaushaltes bedarf es nicht. Zurückstellungen von geplanten Ausgaben für Investitionen, zum Beispiel für das Bürgerhaus, sind nicht erforderlich, da diese Ausgaben über sehr zinsgünstige Kredite finanziert werden sollen. Und wie sich genau die Steuerausfälle darstellen werden, kann niemand sagen. Das gilt auch dafür, ob und wie hoch ihnen Einnahmen aus staatlichen Kommunal-Hilfen wegen der Coronavirus-Pandemie gegenüber stehen werden.

So lange solche Werte aber nicht vorliegen, kann man auch keinen anderen Haushaltsplan machen.

Bei den laufenden Ausgaben ist der ganz überwiegende Teil gesetzlich oder vertraglich festgelegt, so dass eine Zurückstellung nicht möglich ist.

Die Absagen von Kultur-Veranstaltungen, eine spätere Öffnung des kommunalen Freibades und andere Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden zwangsläufig zu geringeren Ausgaben an manchen Stellen führen. Dem stehen Mindereinnahmen – zum Beispiel bei der Vermietung von Bürgerhaus und Gemeindehalle oder bei den OGGS*-Gebühren (ANM. D. RED.: Offene Ganztagsgrundschule) gegenüber. Auch hier ist ja noch völlig offen, wie lange diese Angebote und Einnahmen ausgesetzt werden.

Im Übrigen haben wir den Haushalt 2020 bis auf eine mit den Stimmen aus allen fünf Fraktionen beschlossen –  das heißt: selbst sonst sehr kritische Stimmen tragen hier mit, dass wir uns auf Notwendiges und Sinnvolles konzentrieren.

Außerdem hat Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) im Nachgang nochmals klargestellt, dass seine Antwort: „Das bekommen wir hin“ sich auf die Ratssitzung bezog, die nach der Teilnehmerzahl die größte Runde ist.

Interfraktionell sei verabredet worden, dass Anfang Mai diesen Jahres nur diese Sitzung stattfinden solle.

Es sei daher für den 5. Mai 2020, 18.00 Uhr, zu einer Ratssitzung eingeladen worden – mit dem Hinweis, dass am gleichen Ort um 18.15 Uhr mit gleicher Tagesordnung hilfsweise der Haupt- und Finanzausschuss tage, falls sich zur Ratssitzung nicht genügend Mandatsträger einfänden. 

Im Juni und August sollten dann turnusmäßig auch wieder die Fachausschüsse vor den jeweiligen Ratssitzungen tagen.


ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) von der Gemeinde Wickede (Ruhr) FOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) von der Gemeinde Wickede (Ruhr) FOTO: ANDREAS DUNKER