200 Anwohner von Umwidmung der Straßennamen betroffen

12. Januar 2021

WICKEDE (RUHR). Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) hat auf Anfrage unseres lokalen Nachrichten-Portals "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" am heutigen Dienstagabend zum aktuellen Antrag der Fraktion "Bündnis 90 / Die Grünen" zur Umbenennung von vier Straßennamen in Wickede ausführlich Stellung genommen (wir berichteten heute Vormittag exklusiv). – Von der Umwidmung der Bezeichnungen "Christine-Koch-Weg", "Heinrich-Luhmann-Weg", "Georg-Nelius-Weg" und "Maria-Kahle-Weg" wären gegebenenfalls rund 200 Anwohner der kommunalen Straßen betroffen, hieß es aus dem Rathaus auf Nachfrage unserer Redaktion.

Die vier betroffenen Straßennamen in der Siedlung Ziegenhude seien durch einen Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses des politischen Rates der Gemeinde Wickede (Ruhr) am 2. Dezember 1980 festgelegt worden, erklärte Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) gegenüber "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE".

Straßen nach bekannten westfälischen Dichtern und Schriftstellern benannt

"Im vorhandenen Wohngebiet ,Oberer Hövel‘ sind die Straßen nach westfälischen Dichtern benannt. Es wird vorgeschlagen, auch die Straßen im Baugebiet ,Ziegenhude‘ nach westfälischen Dichtern und Schriftstellern zu benennen", hieß es in der Beschlussvorlage des damaligen Gemeindedirektors Franz Haarmann von der Kommunalverwaltung, die die bis heute verwendeten Namen aller Straßen in dem Siedlungsbereich aufführte.

Keinerlei Ehrung von nationalsozialistisch belasteten Persönlichkeiten beabsichtigt

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU): "Es steht für mich bei Gemeindedirektor Franz Haarmann wie auch bei den seinerzeitigen Ratsmitgliedern völlig außer Frage, dass mit der damaligen Straßennamenswahl keinerlei ,Ehrung‘ von nationalsozialistisch belasteten Persönlichkeiten beabsichtigt war." – Vielmehr habe eine nähere Erforschung der nationalsozialistischen Regionalgeschichte und belasteter Vertreter aus der Heimat-Literatur erst später eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Straßenwidmung sei die Einordnung als "westfälische Schriftsteller" üblich gewesen.

Thema rückte bereits 2011 in mehreren Städten und Gemeinden in den kritischen politischen Fokus

Erst 2011 sei das Thema – in Folge von öffentlichen Diskussionen und teilweise Umbenennungen von Straßen in anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen – auch in Wickede von Bürgermeister Hermann Arndt (CDU) aufgegriffen worden.

Arndt habe bezüglich der geschichtlichen Bewertung der Biografien der Namensgeber mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der Universitätsstadt Münster damals Kontakt aufgenommen, dessen Historiker sich mit der Regionalgeschichte und westfälischen Persönlichkeiten wissenschaftlich beschäftigen.

Die lokale Tageszeitung "Soester Anzeiger" habe im Juli 2011 darüber berichtet, dass der damalige Rathaus-Chef Arndt auf die Kontaktaufnahme der Kommune zum LWL und eine später notwendige Entscheidung des politischen Rates der Gemeinde Wickede (Ruhr) verwiesen.

Eine Beratung von Bürgermeister Hermann Arndt (CDU) mit den Sprechern der im Gemeinderat vertretenen Parteien und politischen Vereinigungen und Vertretern des Kultur-Ausschusses habe aber zu keinen weiteren Initiativen bezüglich einer möglichen Umwidmung der Straßennamen gefüht, erinnert Michalzik.

Anregung zur Umwidmung der Straßen aus Anwohnerschaft der betroffenen Wege blieb bislang aus

Und weiter: "Nach der Kommunalwahl 2014 verständigten sich die Fraktionssprecher mit mir als damals neu gewähltem Bürgermeister dann so, dass die Thematik einer Umbenennung aufgegriffen werden soll, sobald aus der Anwohnerschaft der betroffenen Straßen selbst die Anregung beziehungsweise der Wunsch dazu käme." Dies sei aber bisher nicht der Fall gewesen.

Dr. Martin Michalzik (CDU) wörtlich: "Grundsätzlich ist das Anliegen mit plausiblen Argumenten zu belegen, die ursprüngliche Namenswahl im Licht neuerer historischer Forschung zu überdenken und zu ändern. Entsprechend haben manche Kommunen auch in der Vergangenheit Straßennamen mit Personen geändert, die als westfälische Heimat-Schriftsteller ausgewählt worden waren, sich aber später auch als stark propagandistische Autoren für das NS-Regime erwiesen (…)."

"Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur"

Zu diesem bereits erstmals vor etwa zehn Jahren intensiv diskutierten erinnerungs-politischen Thema rund um Namen von Straßen und Plätzen hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit dem Westfälischen Heimatbund und der Literaturkommission für Westfalen im Sommer 2011 die Tagung "Fragwürdige Ehrungen" veranstaltet. Im Folgejahr 2012 brachte der Historiker Matthias Frese im Auftrag der Veranstalter zudem ein Tagungsband unter dem Titel "Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur" heraus.

Dr. Martin Michalzik (CDU) hätte sich eine vorherige Einbeziehung betroffener Bürger gewünscht

Michalzik weiter: "Bei der sensiblen Thematik hätte ich mir gewünscht, dies vorbereitend im Kreis aller Fraktionssprecher und mit mir anzusprechen und möglicherweise als gemeinsamen Impuls einzubringen. Dabei wäre gut gewesen, sich zu verständigen, wie die betroffenen Anwohner einbezogen werden, da von dort bisher keine Umbenennungswünsche kamen. Die Änderung von Straßennamen kann – auch das zeigen Erfahrungen aus anderen Kommunen – innerhalb von Nachbarschaften sehr konfliktreich sein zwischen Befürwortern und Ablehnenden."

Erheblicher Aufwand durch Änderung eines Straßennamens für die Anwohner

Der Aufwand für die Anwohner, der sich mit der Änderung eines Straßennamens verbinde, sei erheblich. Denn es müssten zig Meldedatenänderungen erfolgen. Angefangen von Ausweisen, Pässen bis hin zu Fahrzeugpapieren. Desweiteren müssten aber auch Adressänderungen bei Banken, Versicherungen und so weiter vorgenommen werden, gibt Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) zu bedenken.

Entstehende Kosten für die Kommune lassen sich nicht so einfach kalkulieren

Die Kosten einer Ratsentscheidung zur Umwidmung der Straßennamen für die Kommune ließe sich ad hoc nicht verlässlich beziffern, sagt der Rathaus-Chef. Folge die Gemeinde Wickede (Ruhr) aber dem Gedanken "einer pauschalen Erstattung für die Unannehmlichkeiten der Anwohner" in Höhe von 50 Euro pro Anwohner, wie dies 2014 in einem ähnlichen Fall in Finnentrop im Sauerland praktiziert worden sei, kämen alleine dadurch Kosten von rund 10.000 auf die Kommune zu.

Hinzu kämen dann noch finanzielle Erstattungen von nachzuweisenden Kosten der betroffenen Bürger für die zwingende Umschreibung amtlicher Dokumente wie Personalausweis, Kraftfahrzeugschein et cetera.

Desweiteren müsse die Gemeinde Wickede (Ruhr) eigene Kosten beispielsweise für die Herstellung und Montage neuer Straßenschilder, Straßenkarten und so weiter kalkulieren, gibt Michalzik zum jüngsten Antrag der Fraktion "Bündnis 90 / Die Grünen" im politischen Rat in seinem heutigen exklusiven Statement für unser lokales Nachrichten-Portal "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" zu bedenken.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) ARCHIVFOTO; ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) ARCHIVFOTO; ANDREAS DUNKER