Überwiegende Mehrheit des Rates für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht

14. November 2014

WICKEDE (RUHR). Die Kommune wird klagen. 25 von 31 anwesenden Ratsmitgliedern stimmten in der außerordentlichen Sitzung des örtlichen Parlamentes der Gemeinde Wickede (Ruhr) in geheimer Abstimmung am heutigen Donnerstagabend (13. November 2014) im großen Saal des Bürgerhauses dem Beschlussvorschlag von Bürgermeister und Verwaltungsspitze zu. (Wir berichteten vorab bereits LIVE auf unserer FACEBOOK-Seite!)

Dr. Martin Michalzik (CDU) hatte in seiner Vorlage gefordert, gegen den Bescheid der Arnsberger Bezirksregierung vom 26. Mai 2014 zur Einrichtung einer „Zentralen Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) für Flüchtlinge in Wimbern juristisch vor dem Verwaltungsgericht vorzugehen.

Nicht pro oder kontra Flüchtlinge

Dabei ginge es nicht pro oder kontra Flüchtlinge sondern einzig und allein darum, dass die Bezirks- beziehungsweise Landesregierung nicht einfach ohne das gemeindliche Einvernehmen eine solche Einrichtung vor Ort eröffnen könne.

Gesundheits- und Pflegezentrum als Nachnutzung für Krankenhaus

Die Gemeinde hätte ganz andere Pläne mit dem Areal des ehemaligen Marien-Krankenhauses. Sie wünsche sich dort für die Zukunft ein Gesundheits- und Pflegezentrum.

Konträre Rechtsauffassungen von Kommune und Bezirksregierung

Das Verwaltungsgericht als Schiedsstelle müsse nun prüfen und entscheiden, ob die Kommune oder die Bezirksregierung mit ihren konträren Rechtsauffassungen dem Gesetz entsprächen.

Michalzik: „Offen ist – wie bei vielen Schiedsrichterentscheidungen beim Fußball auch – ob die Beteiligten mit ihr am Ende zufrieden sind.“

Unabhängig von der aktuellen Flüchtlingssituation in Europa

Diese für die Kommune wichtige Entscheidung für eine langfristige Entwicklung sei völlig unabhängig von der aktuellen Flüchtlingssituation in Europa, so Bürgermeister Michalzik.

Bei dem Gerichtsverfahren ginge es nicht um das deutsche Asylrecht sondern um eine rein „baurechtliche Auseinandersetzung“.

Gemeinderat lehnte Begehren des Landes ab

Bekanntlich hätte der Wickeder Gemeinderat am 2. Juli 2013 mit großer Mehrheit den seinerzeitigen Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen abgelehnt, eine Nutzungsänderung und eine Ausnahme von der Veränderungssperre für den Standort des früheren Krankenhauses in Wimbern zu erwirken.

Schock der Krankenhausschließung in 2011

Michalzik: „Bürgerschaft, Rat und Verwaltung hatten – nach Überwindung des Schocks der Krankenhausschließung in 2011 – damals mit ersten Überlegungen für eine künftige Entwicklung des Standortes begonnen. Erste Ideenskizzen waren in Entwicklung, als die Planungen des Landes NRW für Flüchtlinge, der Antrag und die Nutzung durch die Bezirksregierung einsetzten, die das Haus seit April 2014 als Notunterkunft nutzt.“

„Notunterkunft“ in „Zentrale Unterbringungseineheit“ umwidmen

Am 26. Mai 2014 – einen Tag nach der Kommunalwahl – habe die Bezirksregierung Arnsberg als Vertretung des Landes dann ihre Entscheidung mitgeteilt, die Wimberner „Notunterkunft“ in eine „Zentrale Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) umzuwidmen.

Über die Köpfe Wickedes hinweg

Und dies unter Bezugnahme auf Paragrafen 37 des Baugesetzbuches über die Köpfe Wickedes hinweg.

Die Begründung der Bezirksregierung den Widerspruch der Gemeinde einfach übergehen zu können, sei aus seiner Sicht rechtlich nicht haltbar, so der Bürgermeister.

Eingriff in kommunale Planungs- und Gestaltungskompetenz

Michalzik: „Die Entscheidung der Bezirksregierung stellt ohne Zweifel einen weit reichenden Eingriff in die kommunale Planungs- und Gestaltungskompetenz von Wickede (Ruhr) dar. (…) Unsere Entscheidung für eine Klage gegen eine ZUE im Ortsteil Wimbern stellt die gesetzliche Verpflichtung und die gelebte Bereitschaft der Gemeinde Wickede (Ruhr) zur tatkräftigen Hilfe für Flüchtlinge in keiner Weise in Frage.“

CDU- und FDP-Fraktionen einstimmig für Klageweg

CDU-Vorsitzender Thomas Fabri erklärte, dass sich die 15-köpfige christdemokratische Ratsfraktion geschlossen für die Klage ausgesprochen hätte. Und auch Christa Lenz erklärte, dass sie und Andreas Teutenberg von der FDP dem Vorschlag des Bürgermeisters folgen würden. 

SPD-Fraktion gespallten

Anders die SPD-Fraktion, die eine geheime Abstimmung forderte, da ihre Mitglieder in der Frage gespalten seien und frei von öffentlichem Druck entscheiden sollten.

Kemmerzell gibt kontra

Nur Lothar Kemmerzell – einziger Vertreter von Bündnis 90 / Die Grünen – am Ratstisch sprach sich deutlich gegen die Klage und für die Unterkunft für Asylbewerber in Wimbern aus.

Eine Klage könne für Wickede (Ruhr) einen Imageschaden verursachen, argumentierte Kemmerzell unter anderem.

Persönliche Stellungnahme von Helmut Bäckker

Und SPD-Ratsherr und Ortsvereinsvorsitzender Helmut Bäcker gab eine persönliche Stellungnahme ab, die wir hier im Wortlaut dokumentieren.

25 Ja- und 6 Nein-Stimmen

Nach der geheimen Abstimmung waren es aber 25 Ja-Stimmen und nur 6 Nein-Stimmen, so dass die Gemeinde nun das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren einleiten kann.

Verhältnisse werden sich mutmaßlich nicht ändern

SPD-Fraktionssprecher Engelbert Gurka zeigte sich allerdings nicht so sicher, ob die Gemeinde Wickede (Ruhr) das Verwaltungsgerichtsverfahren gewinnen könne. Und wenn auch er als SPD-Mann einräumte, dass der Verwaltungsakt der SPD-geführten Regierung eventuell fehlerhaft sein könne, sieht Gurka das Problem, dass sich auch nach einem von der Gemeinde gewonnenen Prozess „die Verhältnisse nicht ändern werden“.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

Bei der pflichtmäßigen Ausschusssitzung vor der Sondersitzung des Gemeinderates saßen auch viele Parlamentarier mit im Publikum. Danach waren es nur noch zirka 15 Gäste, die die Ratssitzung verfolgten. FOTO: ANDREAS DUNKER
Bei der pflichtmäßigen Ausschusssitzung vor der Sondersitzung des Gemeinderates saßen auch viele Parlamentarier mit im Publikum. Danach waren es nur noch zirka 15 Gäste, die die Ratssitzung verfolgten. FOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) FOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) FOTO: ANDREAS DUNKER
Thomas Fabri (CDU) FOTO: ANDREAS DUNKER
Thomas Fabri (CDU) FOTO: ANDREAS DUNKER
Engelbert Gurka (SPD) FOTO: ANDREAS DUNKER
Engelbert Gurka (SPD) FOTO: ANDREAS DUNKER
Christa Lenz (FDP) FOTO: ANDREAS DUNKER
Christa Lenz (FDP) FOTO: ANDREAS DUNKER