Rüben aus der Ruhrgemeinde: Tausend Tonnen zuckersüße Fracht für Lage

11. Dezember 2014

SCHLÜCKINGEN / WIEHAGEN. Tausend Tonnen Zuckerrüben wurden am Dienstag (9. Dezember 2014) bis gegen Mitternacht an der Ecke „An der Kuckelburg“ und Neuenkamp in Schlückingen verladen. Eine riesige „Rübenmaus“ – so die Bezeichnung für die selbst fahrende landwirtschaftliche Fördermaschine – lud die Früchte von zwei so genannten „Mieten“ (aufgeschüttete Berge) am Feldrand auf rund 40 im Takt anrollende Lkw.

Diese fuhren mit jeweils zirka 25 Tonnen Ladung zur Zuckerfabrik nach Lage in Lippe, einem Standort der Unternehmensgruppe „Pfeiffer & Langen“ (Diamant-Zucker).

Genossenschaftlich organisierte Zuckerrüben-Anbauer der Region

Gestellt werden Maschinen und Transporter sowie das entsprechende Fachpersonal durch die LMZ Hellweg, einer genossenschaftlich organisiert Einrichtung der Zuckerrüben-Anbauer in der Region.

Jährliche Erntekampagne bis kurz vor Weihnachten

Diese bäuerliche Zuckerrübenlade- und Abfuhrgemeinschaft verfügt über zwei eigene monströse Maschinen namens „Rübenmaus“, die während der Zuckerrübenkampagne von Mitte September bis kurz vor Weihnachten im Einsatz sind.

Von Montag 0 Uhr bis Samstag 22 Uhr fressen sich die „Mäuse“ durch die langen Rübenmieten – große Halden – am Ackerrand und transportierten die Feldfrüchte mittels Rollen und Förderbändern auf 40-Tonnen-Fahrzeuge.

Zwei „Rübenmäuse“ und 16 Lastkraftwagen sind zwischen Dortmund und Paderborn, Haarstrang und Lippetal ständig im Einsatz.

Einzugsgebiet der ehemaligen Zuckerfabrik in Soest 

Es ist das Einzugsgebiet der ehemaligen Zuckerfabrik in Soest, die die Bauern der umliegenden Börde bis 1992 mit Treckern und Anhängern direkt vom Feld belieferten.

Viele Wickeder kennen dies noch von den Fahrten zur Soester Allerheiligenkirmes, wenn diese Gespanne auf dem Weg zur Soester Zuckerfabrik auf Grund ihres langsamen Tempos lange Autoschlangen hinter sich her zogen.

Landwirte schlossen sich zu einer Lade- und Abfuhrgemeinschaft zusammen

Nach der Schließung der Fabrik zu Anfang der 1990er Jahre schlossen sich die Landwirte zu einer Lade- und Abfuhrgemeinschaft zusammen, um ihre Rüben über die Autobahn 44 zwecks Weiterverarbeitung zu den noch bestehenden Zuckerfabriken ins westfälisch Warburg im Kreis Höxter oder ins lippische Lage zu bringen. Insgesamt knapp 200.000 Tonnen Rüben pro Jahr.

Während der Kampagne 180 Lkw-Fahrer im Schichtbetrieb

Neben den Maus-Maschinisten arbeiten für die genossenschaftlich organisierte LMZ GmbH & Co. KG noch 180 Lkw-Fahrer, deren Schichten von Obleuten organisiert werden, die sich auch um die Instandhaltung und Wartung der einzelnen Transporter kümmern.

Denn Traktoren und Anhänger – wie sie früher für die Fahrt zur nahe gelegenen Soester Zuckerfabrik genutzt wurden – sind einfach zu langsam für den weiten Weg nach Warburg oder Lage.

Rund vier Stunden für eine Tour

Ein Lkw benötigt nämlich beispielsweise rund vier Stunden im Umlauf zwischen Wickede (Ruhr) und Lage – inklusive Be- und Entladen sowie Fahrtzeiten und gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen.

Zirka 25 Tonnen in gut fünf Minuten aufgeladen

Die Beladung der Transporter geht dabei am schnellsten: Nur gut fünf Minuten benötigt die Maus um die zirka 25 Tonnen Zuckerrüben von den Mieten auf die Ladeflächen der Lastwagen zu bewegen. Und dabei werden die Rüben auch sofort grob vom Dreck gereinigt. So dass möglichst wenig Erde zur Zuckerfabrik transportiert wird, wo man in den Fabriken aus den Rüben den Zucker gewinnt.

Der landwirtschaftlichen Gemeinschaft der Zuckerrübenbauern gehören übrigens rund 400 Landwirte an, wie der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Landwirt Bernd Frank aus Bad Sassendorf, erklärt.

Zusammenschluss besteht seit 1993

Seit 1993 bestehe der Zusammenschluss, der die zwei selbst fahrenden Reinigungs- und Lademaschinen sowie die Lkw-Flotte unterhält, die außerhalb der Rübenkampagne in Scheunen verteilt ist und nicht genutzt wird.

Eine Station ist beispielsweise in Wiehagen bei  Landwirt Antonius Neuhaus, der während der Zuckerrübenkampagne einen Lkw für die LMZ fährt und den Transporter den Rest des Jahres über auch wartet.

Der Hof Neuhaus baut übrigens selbst auch noch Zuckerrüben an.

Eigene Maschinenführer für die „Rübenmäuse" 

Theoretisch könnten die Lkw-Fahrer die Rüben auch selbst laden. Da die Maschinen jedoch sehr kompliziert sind, haben sie eigene Führer, die zwischendurch auch lange Wartezeiten haben.

Bei ihrem Weg von Miete zu Miete „tuckern“ die Mäuse übrigens mit maximal 25 Stundenkilometern über die Landstraße.

Inzwischen werden Zuckerrüben teilweise zu Bio-Energie umgewandelt

Neben den Lkw beladen die „Mäuse“ übrigens inzwischen teilweise auch wieder Muldenhänger, die von Treckern geschleppt werden. Diese beliefern nahe gelegene Bio-Gas-Anlagen, die die schnetzeln und in Bio-Energie umwandeln.

Drei Landwirte in Wickede (Ruhr) bauen noch Zuckerrüben an

Neben dem Mendener Landwirt Heinz Scheffer, der einen Großteil der Ländereien des ehemaligen Gutes Scheda in Wiehagen übernommen hat, und Rüben anbaut sind Ortslandwirt Theo Arndt aus Wiehagen nur noch zwei weitere Bauern in der Gemeinde Wickede (Ruhr) bekannt, die hier heute Zuckerrüben anbauen: neben dem schon genannten Antonius Neuhaus ist dies Johannes Behme – ebenfalls aus Wiehagen.

Bis 2017 regelt eine besondere Quote noch den Umfang des Rübenanbaues. Dann soll der Markt liberaler werden.

Sehr guter Ertrag – aber geringerer Zuckergehalt

Im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ erklärte Behme, dass der Ertrag bei den Rüben in diesem Jahr sehr gut sei, dafür der Zuckergehalt der einzelnen Rübe aber etwas geringer. Mit der Ernte ist er aber insgesamt sehr zufrieden.

Seine rund 200 Tonnen Zuckerrüben wurden allerdings schon im Oktober abgefahren. 

Die tausend Tonnen von Scheffer sind die letzten in diesem Jahr aus der Ruhrgemeinde.

Eine Rübe für einen Liter Cola

Übrigens findet man die heimischen Zuckerrüben teilweise im eigenen Kühlschrank wieder: Denn die westfälischen Zuckerrüben produzieren auch für Coca Cola. Und der Zuckergehalt einer Rübe reicht etwa, um einen Liter der koffeinhaltigen Limonade zu süßen …

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

„Rübenmaus“ auf dem Acker neben der Straße „An der Kuckelburg“ FOTO: ANDREAS DUNKER
„Rübenmaus“ auf dem Acker neben der Straße „An der Kuckelburg“ FOTO: ANDREAS DUNKER
Nächtliche Verladung von Zuckerrüben am Neuenkamp FOTO: ANDREAS DUNKER
Nächtliche Verladung von Zuckerrüben am Neuenkamp FOTO: ANDREAS DUNKER