„Fotodokumentation" über Wimberner Massenunterkunft: Leider nur Bilder ohne Flüchtlinge

27. Februar 2015

WIMBERN. Exklusive Einblicke in die ansonsten für Medienvertreter kaum zugängliche Massenunterkunft für Asylsuchende in Wimbern konnte man als Journalist erwarten, nachdem die Bezirksregierung Arnsberg der Redaktion von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ für den gestrigen Donnerstag (26. Februar 2015) endlich einen Termin für eine „Fotodokumentation“ (O-Ton von Pressesprecher Christoph Söbbeler) in dem ehemaligen Krankenhaus zugesagt hatte. Und dies nach zig Anfragen und mehreren Monaten Wartezeit sowie der Drohung uns direkt an Innenminister Ralf Jäger zu wenden, wenn man weiterhin keinen Fotografen von unserem Redaktionsbüro in das Gebäude lasse.

Gestern gegen 11.00 Uhr war es dann soweit: Pressesprecher Christoph Söbbeler war eigens von der Bezirksregierung in Arnsberg nach Wimbern gereist, um den Bildberichterstatter durch die Einrichtung zu geleiten. Mit zum Empfangskomitee gehörten des weiteren Timo Maier als stellvertretender Einrichtungsleiter der Bezirksregierung vor Ort sowie die Flüchtlingsbetreuer Kai Jatzenko und Jana Förster als Verantwortliche der Malteser-Werke in Wimbern.

„Geführter Gang durch ein Geisterhaus“

Was nach einem kurzen Willkommen am runden Tisch folgte, war allerdings wieder einmal das genaue Gegenteil von Kommunikation, Transparenz und Offenheit: Gefühlt war es wie „ein geführter Gang durch ein Geisterhaus“.

Denn bis auf wenige Flüchtlinge aus dem Kosovo im Foyer der Unterbringungseinrichtung, die als mutmaßliche Wirtschaftsflüchtlinge eine Chance von weniger als 0,5 Prozent auf Anerkennung als berechtigt Asylsuchende haben und von sich aus Aufnahmen ablehnten, traf man bei dem Rundgang für die Reportage kaum auf Hausbewohner.

Lediglich einige vereinzelte Mitarbeiter waren anzutreffen, davon erklärten sich drei mit einem Foto einverstanden.

Leere Flure: Menschen beim Mittagessen

Warum waren die Flure so leer und standen keine Zimmertüren offen? – Den Grund dafür bekam der Fotograf von seinen drei hoch dotierten Führern* erklärt: Derzeit seien nur etwa die Hälfte der 500 Regelplätze belegt und die meisten dieser Menschen seien gerade zum Mittagessen.

Beim Essen wolle man die Leute aber absolut nicht stören und auch von der Ausgabe der Speisen könne man keine Aufnahmen machen.

Höchstens vielleicht mal in ein paar Monaten, wenn es eine neue Theke in dem dann erweiterten Speiseraum gäbe.

Karge und menschenleere Freizeiträume

Gezeigt wurden ansonsten neben langen (Krankenhaus-)Fluren lediglich ebenso menschenleere und karg wirkende Freizeiträume mit Billardtisch, Tischtennisplatte und Dartscheibe sowie einer „Disco“ mit nicht vorhandener Musikanlage, die sich die Bewohner der Massenunterkunft aber angeblich irgendwo ausleihen können.

Von Gebetsräumen nur gesprochen …

Gesprochen wurde auch von einem christlichen und einem muslimischen Gebetsraum im Hause. Dafür müsse man sich aber an der Pforte einen Schlüssel besorgen. – Und dies schien den Begleitern des Fotografen zu müßig zu sein.

Die alte Krankenhauskapelle solle eventuell später mal wieder für religiöse Zwecke genutzt werden, sei aber derzeit aus Brandschutzgründen nicht für Bildjournalisten zugänglich.

Da man aus reinen Erzählungen bekanntlich keine Fotos machen kann, blieben Bilder von diesen Bereichen leider aus.

Trotz unkenntlicher Personen kein Symbolfoto gestattet

Vorgeführt wurde dem Fotografen noch ein tatsächlich mit echten Flüchtlingskindern „belebter“ Kinderhort. Leider wurde dem Bildberichterstatter aber von Jana Förster (Malteser-Werke) vehement verboten dort redaktionelle Reportagefotos zu machen.

Auch wenn diese nur das dort befindliche Buch „Kinderatlas Deutschland“ groß im Vordergrund und klein im Hintergrund ein paar nicht erkennbare Flüchtlingskinder zeigen sollten. – Also ein klassisches Symbolbild ohne erkennbare Personen.

Für Frau Förster gab es da aber keine Diskussion.

Selbst, wenn die Kinder völlig unkenntlich auf den Bildern seien, wolle sie dies nicht ohne die Einverständniserklärung der Eltern zulassen. Und diese seien – wie zuvor bereits gesagt – ja bekanntlich zum Mittagstisch und dort derzeit für einen Medienvertreter nicht ansprechbar.

(Anmerkung der Redaktion: Für unkenntliche Personen gibt es kein „Recht am eigenen Bild“. Dies wäre ja auch völliger Blödsinn. – Frau Förster wollte oder konnte dieser Argumentation des Fotoreporters aber nicht folgen.)

Inszeniertes Sechs-Bett-Zimmer

Und dann gab es da – neben Krankenstube und Kleiderkammer – doch noch ein Motiv für den Bildjournalisten: ein abgeschlossenes und unbewohntes Sechs-Bett-Zimmer mit frisch bezogenen Doppelstock-Metallbetten, welches eigens von Jana Förster geöffnet wurde.

Auf fünf der bunten Oberbetten ein durchsichtiger Plastikbeutel mit Handtuch und Haarshampoo, Zahnbürste und -pasta sowie Gabel, Löffel und Messer aus Metall nebst Plastikbecher mit Griff sowie einer Rolle Toilettenpapier. – Scheinbar eine erste persönliche Grundausstattung für neue Bewohner!

Und auf dem ersten obersten Bett all’ diese Utensilien nochmals einzeln und „unverpackt“ schön dekorativ  drapiert – offenbar nur für den „Dokumentarfotografen“.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt und vermuten könnte, dass dieser Raum für Medienvertreter oder andere externe Besucher des Hauses eigens in Szene gesetzt worden sei.

Ein Eindruck von der Enge – auch ohne Menschen

Einzig der Eindruck von der Enge und der realistischen Vorstellung, dass es hier mit sechs Personen sowie deren kompletten Habseligkeiten und Koffern beziehungsweise Taschen noch viel enger als so schon sein müsse, ließ ein lebendiges Bild im Kopf des Fotografen entstehen. – Aber leider nur dort.

Definition des Begriffes „Dokumentation“

Motive für eine – von der Bezirksregierung zugesagten – „Fotodokumentation“ waren bei dem „geführten Gang durchs Geisterhaus“ allerdings kaum zu finden.

Vielleicht hätte die Pressestelle des Regierungspräsidenten ja einfach in einem allgemein zugänglichen Online-Lexikon die Definition des Begriffes „Dokumentation“ für den journalistischen Bereich vorab mal nachlesen sollen.

Dort steht nämlich, dass eine Bilddokumentation einen „Anspruch auf Nichtfiktionalität, auf Bezug zur realen Welt“ erhebt.

Hoch dotierte Führer durch Flüchtlingsunterkunft

Eine Fotoreportage ohne Flüchtlinge als Dokumentation über eine Massenunterkunft für Asylsuchende – wie in Wimbern – ist jedenfalls völliger Nonsens.

Insbesondere, wenn ein Journalist dabei von drei hoch dotierten und angeblich qualifizierten Leuten begleitet wird, deren Gehalt von Steuergeldern finanziert wird.

Bedanken für die Besuchserlaubnis und die aufgewendete Zeit für die „Führung“ des Fotografen müssen wir uns jedenfalls wohl nicht.

Bürgermeister kritisierten bereits mangelhafte Kommunikation

Bereits die Bürgermeisterrunde vor einigen Monaten im Wickeder Rathaus hatte übrigens die schlechte Kommunikation der Arnsberger Bezirksregierung massiv kritisiert.

Die Regierung hatte daraufhin Besserung gelobt.

Fakt ist aber, dass die Kommunikation in Sachen „Unterbringungseinrichtung“ in Wimbern seitdem noch schlimmer als zuvor geworden ist.

Behinderung einer ordentlichen Bildberichterstattung

Verheimlichen, vertuschen und verschleiern sind offensichtlich die Devise von Christoph Söbbeler, Timo Maier und Jana Förster. – Sonst hätte man eine journalistische Fotoreportage und Bilddokumentation über die Massenunterkunft für Asylsuchende in Wimbern nicht so massiv behindert.

Missstände durch Bilddokumente aufgedeckt

Vielleicht liegt dies ja daran, dass ein journalistischer Kollege durch ihm zugespielte Bildaufnahmen die Schlampereien der Arnsberger Regierungsbehörde in Burbach ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat.

In Folge gab es polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Dies hatte bekanntlich bundesweit für negative Schlagzeilen sowie erhebliche Kritik durch die politische Opposition geführt.

Was ist das Problem der Verantwortlichen?

Wir fragen jedenfalls öffentlich: Was gibt es in der Unterbringungseinrichtung in Wimbern zu verbergen, wenn man die Freiheit der fotojournalistischen Berichterstattung seitens der Regierungsbehörde und der Malteser-Werke als Betreuer so einschränkt.

Und dies, obwohl Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte der Bewohner garantiert sind, indem man im Vorfeld versichert, dass keine Gesichter der Menschen zu sehen sind oder diese durch „Pixelung“ vor Veröffentlichung unkenntlich gemacht werden.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“


Anmerkung der Redaktion: Statt einer klassischen Fotoreportage über die Lebensumstände der Flüchtlinge in der Asylunterbringungseinrichtung konnten wir jetzt leider nur diesen Beitrag mit unserer klaren Meinung zum Verhalten von Bezirksregierung und Malteser-Werken an dieser Stelle veröffentlichen. Lieber wäre uns eine unkommentierte Bilderstrecke gewesen.

Hinweis: * Kai Jatzenko hatte sich zwischenzeitlich von der Gruppe verabschiedet.

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Drangvolle Enge: kaum Platz zwischen den Doppelbetten FOTO: ANDREAS DUNKER
Drangvolle Enge: kaum Platz zwischen den Doppelbetten FOTO: ANDREAS DUNKER
Dekoriert für die „Dokumentation“: Utensilien in einem Sechs-Bett-Zimmer FOTO: ANDREAS DUNKER
Dekoriert für die „Dokumentation“: Utensilien in einem Sechs-Bett-Zimmer FOTO: ANDREAS DUNKER
Ein Reportagefoto wie es journalistisch üblich ist: Volle Kleiderkammer für Kleinkinder – mit einer Mitarbeiterin. Die Dame wurde vom Fotografen vor der Aufnahme natürlich gefragt, ob sie mit einer Veröffentlichung einverstanden wäre. FOTO: ANDREAS DUNKER
Ein Reportagefoto wie es journalistisch üblich ist: Volle Kleiderkammer für Kleinkinder – mit einer Mitarbeiterin. Die Dame wurde vom Fotografen vor der Aufnahme natürlich gefragt, ob sie mit einer Veröffentlichung einverstanden wäre. FOTO: ANDREAS DUNKER
Mitarbeiterinnen in der medizinischen Ambulanz, wo kranke Flüchtlinge untersucht werden. Die beiden Damen lächeln freundlich in die Kamera des Bildberichterstatters. FOTO: ANDREAS DUNKER
Mitarbeiterinnen in der medizinischen Ambulanz, wo kranke Flüchtlinge untersucht werden. Die beiden Damen lächeln freundlich in die Kamera des Bildberichterstatters. FOTO: ANDREAS DUNKER
Medizinischer Untersuchungsraum für die Flüchtlinge – hier muss nicht unbedingt ein Mensch mit aufs Bild FOTO: ANDREAS DUNKER
Medizinischer Untersuchungsraum für die Flüchtlinge – hier muss nicht unbedingt ein Mensch mit aufs Bild FOTO: ANDREAS DUNKER
Symbolfoto ohne erkennbare Personen: So sollte auch das Foto vom Kinderhort ausschauen. FOTO: ANDREAS DUNKER
Symbolfoto ohne erkennbare Personen: So sollte auch das Foto vom Kinderhort ausschauen. FOTO: ANDREAS DUNKER