Was dem Bürgermeister schlaflose Nächte bereitet …

22. Juni 2015

WICKEDE (RUHR). Zwei Probleme haben dem Bürgermeister der Gemeinde Wickede (Ruhr) in seinem ersten Amtsjahr teils schlaflose Nächte bereitet: Die Massenunterkunft für Flüchtlinge im ehemaligen Marien-Krankenhaus in Wimbern und die unerwartete Steigerung der Kosten um rund eine Million Euro für die Neu- und Umbaumaßnahmen der „Sekundarschule Wickede“. – Andererseits habe er „viele schöne Begegnungen“ gehabt und wichtige Erfahrungen sammeln können, erklärte Dr. Martin Michalzik (CDU) jetzt in einer Bilanz der vergangenen zwölf Monate in einem Exklusiv-Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Neunzig Minuten – so lange wie ein Fußballspiel dauert – plauderte das Gemeindeoberhaupt über seine Arbeit seit seinem Amtsantritt am 23. Juni 2014 als Wickeder Bürgermeister und die künftigen Herausforderungen für die Kommune.

Mit Personalressourcen in der Kommune haushalten

Dabei machte er deutlich, dass er ungern zu viel Energie in das Schreiben von Plänen und lieber mehr Engagement in die effektive Umsetzung von vorhandenen Projektideen investiere. Damit sprach sich Michalzik (54)  gegen eine Überbewertung eines von FDP und SPD im Gemeinderat geforderten „Masterplans“ zur zukünftigen Entwicklung der Kommune aus. Denn mit dem LEADER-Programm gebe es ohnehin schon einen Handlungsrahmen. – Und angesichts von statistisch nur zwei Dutzend Verwaltungskräften müsse man auch mit Personalressourcen in der Kommune haushalten.

Mitarbeiterentwicklung ist für die Zukunft wichtig

Die Mitarbeiterentwicklung sieht Michalzik generell als wichtiges Thema an, da der Altersdurchschnitt der 34 Voll- und Teilzeitbeschäftigten im Rathaus bei 53 (!) Jahren liegt. – „Wir haben also viel Erfahrung im Hause. Das schätze ich sehr. Aber man sieht auch: Nachwuchs ist nötig!“ Doch diesen zu bekommen, sei häufig im öffentlichen Dienst nicht einfach. Vor allem für junge IT-Fachkräfte und Ingenieure seien Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft beim Berufseinstig häufig finanziell viel lukrativer als Stellen in der Verwaltung, so der Bürgermeister.

Vertrauen in die Kompetenz der Kollegen

Die Fachleute im eigenen Hause, die sich mit gesetzlichen Vorschriften und Details auskennen, sind für Martin Michalzik wichtig. Er baut bei seinen Entscheidungen auf die Vorarbeit seiner Mitarbeiter.

Trotz der Kostenexplosion bei der Sekundarschule habe er weiterhin Vertrauen in die Kompetenz der Rathaus-Kollegen, so Michalzik. Denn beispielsweise Bau- und Sozialrecht würden immer komplizierter und verlangten Spezialisten.

Mitarbeiter bestätigten gegenüber „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“, dass Michalzik ihnen viel Eigenverantwortung zutraut und ihnen „auf Augenhöhe“ begegnet. Trotzdem habe „der Chef“ klare Linien, die er auch durchziehe.

Viele Sachfragen haben hier ein Gesicht

Im Exklusiv-Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ erklärte Michalzik, dass er seine Wahl zum Bürgermeister bislang nicht bereut habe. Das Interessante an dem Amt sei für ihn, dass in einer kleinen Gemeinde wie Wickede (Ruhr) „viele Sachfragen auch ein Gesicht“ hätten. Bei seiner vorhergehenden Arbeit in Düsseldorf habe man zwar „den Blick aufs ganze Land“ gehabt, mitunter aber viele Details vor Ort nicht gesehen.

In der NRW-Landesverwaltung war Michalzik zwischen 2005 und 2014 unter anderem als Abteilungsleiter für den Verbraucherschutz und die Förderung des ländlichen Raumes zuständig. Zwischen 1994 und 2005 war der Wickeder außerdem als CDU-Fraktionsmitglied des Gemeinderates tätig.

Selbst in der Freizeit nie so ganz Privatmann

Anders als bei seinem Job in Düsseldorf sei er in Wickede auch in seiner Freizeit nie so ganz Privatmann. Denn als Bürgermeister sei man immer im Dienst, so Michalzik. Egal ob beim Besuch des Freibades mit der Familie oder beim Spaziergang allein auf der Büdericher Haar.

Häufig würden ihn Bürger auch außerhalb der offiziellen Dienstzeit auf Probleme ansprechen und ihn um Lösungen bitten. – Dies sei in der Regel okay und mache „den Reiz der Kommunalpolitik“ aus, meint Michalzik.

Journalistische Erfahrung und Bildungsarbeit als Basis

Als Bürgermeister sieht er sich als „Übersetzer“ zwischen Bürgern und Verwaltung. Dabei komme ihm häufig seine frühere journalistische Erfahrung als „freier Mitarbeiter“ bei den örtlichen Tageszeitungen „Soester Anzeiger“ und „Westfalenpost“ zugute. Dort habe er gelernt Schlagzeilen zu formulieren, die Leute ansprechen und interessieren.

In der Bildungsarbeit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung habe er außerdem viel Wissen über die Organisation von Veranstaltungen und Rhetorik hinzugewonnen. So reduziere er Podiumsdiskussionen gerne von vorne herein auf 90 Minuten – „die Dauer eines Fußballspiels“ – und gliedere seine Referate zumeist in eine überschaubare Zahl von thematischen Punkten. Denn eine anschauliche Vermittlung der Kommunalpolitik läge ihm am Herzen.

Bittere Wahrheit: Manchen Luxus kann sich Wickede auf Dauer nicht mehr leisten

Neben frohen Botschaften wie dem Erfolg beim LEADER-Wettbewerb müsse man als Verwaltungschef manchmal auch bittere Wahrheiten vermitteln. Dies gelte beispielsweise für die Erhöhung der Gewerbesteuer und der Gebühren für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen in diesem Jahr. – Er stehe aber voll dahinter, betonte Michalzik. Denn für ihn sei die Frage ganz entscheidend: „Was können wir uns auf Dauer leisten?“

Die Instandhaltungskosten für die örtliche Infrarstruktur seien beispielsweise vielfach zu teuer. Man müsse sich klar machen, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung der Gemeinde alleine das Bürgerhaus knapp tausend Euro pro Tag (!) koste und das Freibad – je nach saisonaler Besucherzahl – etwa mit 700,00 Euro pro Öffnungstag an Zuschusskosten zu Buche schlage.

Man könne die immensen Kosten für Einrichtungen, die von einer Minderheit genutzt würden, nicht einfach immer der großen Gemeinschaft aufbürden. Deshalb müssten Nutzer durch Gebühren künftig mehr zur Verringerung des Defizits solcher Einrichtungen beisteuern. Denn leider seien die entsprechende Entgelte in der Vergangenheit nicht angemessen und kontinuierlich erhöht worden, um steigende Personal- und Energiekosten auszugleichen.

Angesichts der angespannten Finanzlage und der geringer werdenden Bevölkerungszahl könne sich die Kommune manchen Luxus auf Dauer nicht mehr erlauben. So müsse man bei geringeren Kinderzahlen beispielsweise überlegen, ob nicht einige der etwa zwei Dutzend Spielplätze abgebaut werden könnten und man sich auf die Plätze konzentriere, wo im Umfeld überhaupt noch Kinder wohnen.

Zudem müssten manche öffentliche Flächen und Gebäude daraufhin geprüft werden, ob sie wirklich noch notwendig und finanzierbar seien.

Kosten der Kreisumlage belasten Kommune zusehends

Vor allem die immer höher werdende Kreisumlage belaste die Kommune zusehends. – Die Kosten für den Jugendamts- und Sozialbereich würden für Wickede (Ruhr) immer höher werden, so Michalzik. Die Steigerungen lägen alleine dabei im hohen sechsstelligen Bereich. So koste die zunehmende Unterbringung von Jungen und Mädchen in Pflegefamilien beispielsweise enorm viel, erklärte Michalzik. Dies sei ein gesellschaftliches Problem.

Ein weiterer Faktor für die Finanzlage der Gemeinde sei die Frage, ob man dauerhaft mit hohen Gewerbesteuereinnahmen rechnen könne. Dies hänge stark von der weltwirtschaftlichen Entwicklung und der Situation der örtlichen Unternehmen ab.

„Zahlen greifbar“ und „Entwicklungen anschaulich“ machen

Martin Michalzik will für seine Mitbürger „die Zahlen greifbar“ und „die Entwicklungen anschaulich“ machen. – Er ist Pragmatiker und kein Perfektionist.

Man könne nicht jeden Weg in Wickede (Ruhr) so ebnen, das alle Strecken ohne Stolperkanten seien. Dies sei personell und finanziell nicht zu stemmen. Als Beispiel nennt Michalzik hier die Probleme mit Baumwurzeln in der Ring- und Erlenstraße.

Sorge über „ZUE“ und politische Polarisierung in der Gemeinde

Sorge bereite ihm seit seinem Dienstantritt als Bürgermeister die „ZUE“ in Wimbern, betonte Michalzik. Denn bereits am ersten Amtstag habe er an einer kontroversen Diskussion im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins „Dorf Wimbern“ teilgenommen.

Er freue sich sehr über „die große Hilfsbereitschaft aus der Gemeinde“ für die Flüchtlinge. Aber es habe auch  unschöne Zwischenfälle mit einigen Flüchtlingen in der Ortsmitte gegeben, die ihn persönlich mit Sorge erfüllt hätten.

Zudem stelle eine politische Polarisierung in der Bevölkerung zum Thema „ZUE“ und Flüchtlinge ebenfalls ein Problem dar. Einige Äußerungen von Bürgern in sozialen Netzwerken diesbezüglich seien sehr bedenklich.

Wenngleich er die Massenunterkunft für Asylsuchende für die weitere Entwicklung der Gemeinde als Hemmnis ansehe, plädiere er ausdrücklich für „ein ordentliches Miteinander“ zwischen einheimischer Bevölkerung und Flüchtlingen.

Erst alte Aufgaben abarbeiten, dann neue suchen

Generell hält Michalzik es für wichtig die bereits vorhandenen Aufgaben der Gemeinde erst einmal solide abzuarbeiten, statt sich immer neue Themen zu suchen.

Michalzik ist kein Perfektionist – aber Optimist: „Es wird anders werden – kann aber trotzdem gut bleiben!“ lautet seine Devise. Dafür sei eine „aktive Bürgergesellschaft“ in der Zukunft immer wichtiger.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Ein Motto von Michalzik hängt groß an der Wand hinter ihm: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht!“ – Ein Zitat des legendären CDU-Politikers Konrad Adenauer. FOTO: ANDREAS DUNKER
Ein Motto von Michalzik hängt groß an der Wand hinter ihm: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht!“ – Ein Zitat des legendären CDU-Politikers Konrad Adenauer. FOTO: ANDREAS DUNKER