Ideen zur Förderung des Fahrrad-Tourismus': Theorie und Praxis

16. Juli 2015

WICKEDE (RUHR). Können Echthausen, Wickede oder Wimbern vom Tourismus des Ruhrtal-Radweges profitieren? – Ein Teil der heimischen Gastronomie und Hotels tut dies seit Eröffnung der 230 Kilometer langen Strecke sicherlich, die von der Ruhrquelle bei Winterberg im Sauerland bis zur Mündung des Flusses in den Rhein bei Duisburg führt. – Aber nicht jede Idee, um Wickede (Ruhr) als „Pausenstopp“ attraktiver zu machen, ist auch wirtschaftlich sinnvoll.

Die anfängliche „Euphorie“ der Radtouristen sei der Normalität gewichen, erklärt beispielsweise Inhaber Egon Schulte vom „Gasthaus Schulte“ in Echthausen im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

In dem Landgasthaus übernachten nicht nur viele Radfahrer – viele von ihnen machen zwischen Frühjahr und Herbst auch einfach „nur“ Rast in dem vis-à-vis des Radweges gelegenen Biergarten der Familie Schulte.

Ruhrtal gehört zu "Top Ten" der Radwege in Deutschland

Wenngleich die „Euphorie“ der ersten Jahre naturgemäß etwas verblasst ist: Der Ruhrtal-Radweg gehöre immer noch zu den „Top Ten“ der Routen in ganz Deutschland, erklärte Christoph Lottritz in seiner Funktion als Teamleiter für Radtourismus bei der „Ruhrtourismus GmbH“ in Oberhausen in der vergangenen Woche.

Die jährlich auf der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) präsentierte Radreise-Anlayse des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) zeige, dass der Ruhrtal-Radweg zu den beliebtesten und meistbefahrenen Routen der Republik zähle.

Die letzte große Erhebung aus dem Jahre 2011 habe hochgerechnet ergeben, dass das Sauerland mit rund 150.000 Übernachtungen und das Ruhrgebiet mit mehr als einer Millionen Tagesausflüglern von dem Radweg profitiere. – Einen aktuelleren Stand gäbe es nicht und über genaue Zahlen für Wickede (Ruhr) als eine von 23 Kommunen, die an der Ruhrtal-Strecke lägen, verfüge man auch nicht, so Lottritz.

Strecke für Zweirad-Touristen noch attraktiver machen

„Den Ruhrtalweg zu radeln fordert Ausdauer, aber es lohnt sich! Und genauso ist es mit den Anstrengungen, um die Route für die Radler stetig besser zu machen“, erklärten Tourismus-Experten und Vertreter der Gemeinde nach einem gemeinsamen Gespräch in der Ruhrgemeinde.

Da Stillstand bekanntlich Rückschritt ist, wollen sie den Ruhrtal-Radweg noch attraktiver machen: Beispielsweise durch eine Optimierung der Routenführung und eine bessere Beschilderung.

Neben Wickedes Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und der örtlichen Tourismus-Beauftragten Ruth Hornkamp nahmen an dem Treffen noch Thomas Weber als Geschäftsführer von „Sauerland-Tourismus“ aus Bad Fredeburg und Melanie Wolinski vom Fahrradtourismus-Team des „Ruhrgebiet Tourismus’“ aus Oberhausen sowie Harald Spiering vom „Regionalverband Ruhr“ in Essen an der Sitzung teil.

Das Ziel der Überlegungen: Wie kann man Wickede (Ruhr) noch attraktiver als „Pausenstopp“ machen? Und welche Initiativen – beispielsweise im Bereich der Infrastruktur – muss man dazu ergreifen?

Einrichtung einer „Fahrrad-Service-Station“ vorgeschlagen

Als eine Idee wurde in dem kleinen Kreis die Einrichtung einer „Fahrrad-Service-Station“ vorgeschlagen – wie es sie beispielsweise an der Ruhrpromenade in Meschede gibt.

Davon „profitieren“ bislang allerdings nur die Radler, die die Reparatur-Säule kostenlos nutzen können.

Gemeinde oder Gewerbe in Meschede haben nichts von der Service-Einrichtung, die von heimischen Firmen gestiftet wurde.

Zudem wurde die „Fahrrad-Service-Station“, die mit Stahlseilen gesicherte Hilfsmittel wie Werkzeuge für Touristen bereit hält, nur vier Wochen nach ihrer Aufstellung durch Vandalen beschädigt.

Nicht gerade für die Praktikabilität einer solchen Säule spricht auch, dass die Mescheder Station weltweit die einzige dieser Art neben einer vergleichbaren an einer Trekkingroute im Himalaya in Nepal sein soll. – Andere Kommunen hat die Idee also bislang wohl nicht überzeugt.

Es bliebe also die berechtigte Frage, ob die Realisierung einer solchen Idee mit Steuermitteln oder Spendengeldern wirklich wirtschaftlich sinnvoll wäre.

Tourismus-Chef schlägt Ausweisung von mehr Privatunterkünften vor

Auf Skepsis stößt bei Wickeder Praktikern auch der Vorschlag von Sauerland-Tourismus-Chef Thomas Weber: „Es lohnt sich in Wickede bestimmt, mehr Privatunterkünfte bereit zu stellen!“

Laut Weber gibt es inzwischen eine ganze Reihe privater Vermieter am Ruhrtal-Radweg, die an interessanten und kurzweiligen Begegnungen mit ihren Tagesgästen „ganz viel Freude“ hätten.

Weber wörtlich: „Interessierte Privatpersonen beraten wir gerne. Die Hürden sind gar nicht hoch. Welche Tage und Zeiten man Bett und Frühstück bereitstellen möchte, kann ja jeder selbst entscheiden.“

Wickeder Betreiber warnt vor hohen Hürden und Folgekosten

Jan Degenhardt, der an der Oststraße in Wickede die „Privatunterkunft Ruhrtal“ betreibt, ist da allerdings ganz anderer Ansicht als Weber.

Degenhardt erklärte auf Anfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ zu seinen Erfahrungen schriftlich: „ Zu der Aussage (…) ,Die Hürden sind gar nicht hoch.‘ vertreten wir aus aktueller Erfahrung eine andere Auffassung. Die Hürden sind viel zu hoch!“

So kämen alleine durch die notwendige Nutzungsänderung erst einmal ein erkleckliches Architektenhonorar und Verwaltungsgebühren für den Bauantrag beim Kreis Soest auf Privatleute zu.

Rückführung in private Wohnnutzung problematisch

Degenhardt weist zudem darauf hin, dass eine Rückführung in eine private Wohnnutzung wiederum einen behördlichen Änderungsantrag erfordere.

Ein ganz wichtiger Aspekt dabei sei, dass dieser nicht nur weitere Kosten verursache – sondern auch die Bestandsrechte (!) aufhebe.

Bei einer „Rückwandlung“ kämen die Vorschriften der dann aktuellen Gesetzeslage zur Anwendung. Dies könne beispielsweise erhebliche Renovierungskosten auf Grund neuerer Energieeinspar-Verordnungen bedeuten, deren Einhaltung durch die Baubehörde des Kreises Soest kontrolliert würde.

Bei gewerblichen Beherbergungsbetrieben nicht beliebt

Zudem seien private Anbieter von Zimmern und Appartements auch bei gewerblichen Beherbergungsbetrieben nicht beliebt, da sie natürlich eine Konkurrenz darstellten, weiß Jan Degenhardt. Er sieht sogar die Gefahr, dass Privatunterkünfte sich negativ auf die Hotelbelegung auswirken und somit Arbeitsplätze gefährden könnten.

Zugesagt wurde in dem Gespräch von Tourismus-Experten und Rathaus-Vertretern übrigens eine Hilfestellung bei der eventuellen Auswahl und Einrichtung von Wohnmobil-Stellplätzen.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“  

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Nette Ideen für die Gemeinde am Ruhrtal-Radweg – aber wirtschaftlich auch immer sinnvoll? – Praktiker aus Wickede haben plausible Argumente gegen einige der Vorschläge von Melanie Wolinski, Harald Spiering, Ruth Hornkamp, Dr. Martin Michalzik und Thomas Weber (von links). FOTO: GEMEINDE WICKEDE (RUHR)
Nette Ideen für die Gemeinde am Ruhrtal-Radweg – aber wirtschaftlich auch immer sinnvoll? – Praktiker aus Wickede haben plausible Argumente gegen einige der Vorschläge von Melanie Wolinski, Harald Spiering, Ruth Hornkamp, Dr. Martin Michalzik und Thomas Weber (von links). FOTO: GEMEINDE WICKEDE (RUHR)