„Willkommen auf Deutsch“: Wie kann man den Flüchtlingen helfen?

17. September 2015

WICKEDE (RUHR). Die aktuelle Flüchtlingsproblematik findet in Wickede ein großes Interesse. So war die Resonanz bei der Veranstaltung „Willkommen auf Deutsch“ am gestrigen Mittwochabend (16. September 2015) im Bürgerhaus größer, als von vielen erwartet. Mehr als 150 Besucher verfolgten den etwa 90-minütigen Film, den einige schon aus einer Fernsehausstrahlung vor wenigen Wochen kannten. Die groß angekündigte Diskussion im Anschluss blieb aufgrund der viel zu langen und streckenweise zudem sehr langweiligen Dokumentation allerdings auf der Strecke.

Moderator Marco Schlicht, Leiter der Volkshochschule Werl, Wickede (Ruhr) und Ense, resümierte denn am heutigen Donnerstag (17. September 2015) im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ auch: „Man hätte die gleiche Botschaft auch kürzer rüber bringen können!“ – Eine Kritik, mit der Schlicht nicht alleine ist.

Parallelen zu Wickede?

Die Bilanz des Abends unter den Besuchern war recht unterschiedlich. Während einige Gäste die Veranstaltung als durchaus interessant und informativ charakterisierten und Ähnlichkeiten zur Situation in der Ruhrgemeinde sahen, monierten andere Teilnehmer die fehlenden Parallelen zu Wickede. Denn bei den im Film vorgestellten Fällen handelte es sich um einzelne „Langzeitbewohner“ in den Dörfern – und nicht um eine solch große Massenunterkunft wie in Wimbern, wo die Aufenthaltsdauer nur wenige Tage beträgt.

Syrer berichtete selbst über seine Flucht

Applaus gab es für einen Flüchtling, der in englischer Sprache das persönliche Schicksal seiner Familie schilderte, die aus Syrien fliehen musste. In der Türkei hatte der Mann dann ein Jahr lang ein Bildungszentrum für seine geflohenen Landsleute aufgebaut. – Der Syrer gab der weltweiten Völkerwanderung ein Gesicht.

Einige Besucher kritisierten später allerdings, dass es sich bei dem Syrer um einen überaus gebildeten Mann mit perfekten Englischkenntnissen handele, der ein „Vorzeige-Flüchtling“ und für die Masse nicht repräsentativ sei.

Ins Deutsche übersetzt wurden die Ausführungen des Syrers von Clara Hüttenbrink, die aus Wickede stammt und in der ZUE inzwischen als Schnittstelle zwischen ehren- und hauptamtlichen Helfern fungiert.

Mancher Zuhörer hätte sicherlich noch gerne mehr zu den Fluchtursachen sowie der gefährlichen Reise der syrischen Familie nach Deutschland erfahren. Die Zeit hierzu war allerdings zu knapp.

Neue ehrenamtlich Deutsch-Lehrer?

Lebensnah und ortsbezogen schilderte der pensionierte Lehrer Werner Grote aus Wimbern den ehrenamtlichen Deutsch-Unterricht für rund 50 Bewohner der ZUE. Grote machte deutlich, dass das Erlernen der deutschen Sprache die wichtigste Voraussetzung für die spätere Integration der Flüchtlinge in Deutschland sei.

Zudem erklärte der pensionierte Direktor des Werler Ursulinen-Gymnasiums, wie simpel der Anfangsunterricht in den Deutsch-Basiskursen der ZUE gestaltet werden muss. Denn häufig habe man nicht einmal eine „Metasprache“ wie Englisch als gemeinsame Verständigungsmöglichkeit, betonte Grote.

So versuchten die fünf an der ZUE ehrenamtlich tätigen Deutsch-Lehrer beispielsweise den Flüchtlingen aus dem albanischen, arabischen und kurdischen Sprachraum erste Begriffe mit Bildwörterbüchern, Zeichnungen und Rollenspielen beizubringen.

Für Grote war die Veranstaltung „Willkommen auf Deutsch“ ein Erfolg. Denn seine Akquise von weiteren Deutsch-Lehrern für die ZUE in Wimbern erbrachte durchaus interessierte Kandidaten aus dem Publikum. Rund zehn Anwesende konnten sich spontan eine ehrenamtliche Tätigkeit in der ZUE vorstellen.

Für den Anfangs-Unterricht benötige man keine Pädagogen und Germanisten, so Grote. Aufgrund des kurzen Aufenthalts der Flüchtlinge in Wimbern könne man ihnen ohnehin nur ein minimales sprachliches Alltagswissen beibringen: Begrüßungsformeln, Zahlen und Preise, Körperteile – beispielsweise zum Verständnis bei medizinischen Untersuchungen, Orientierungsbegriffe (rechts, links) usw.

Derzeit unterrichte man jeden Wochentag zwischen 10.00 und 11.45 Uhr rund 50 Flüchtlinge in einem provisorischen Unterrichtsraum, erklärte Grote. Die Kunst läge in der Reduktion der Kommunikation auf die wesentlichsten Begriffe. Mehr als Vokabeln und Floskeln könne man den Flüchtlingen in den wenigen Tagen in Wimbern nicht vermitteln.

Bei dem Basis-Deutsch-Kursus für Asylbewerber ließen sich die bislang fünf aktiven Lehrer vom „Thannhauser Modell“ leiten.

Moderator Schlicht bemängelte, das „der rote Faden“ fehlte 

Insgesamt wirkte die Veranstaltung vom Freundeskreis „Menschen helfen Menschen“ und der Kolpingfamilie am Mittwochabend allerdings etwas konzeptlos. Selbst VHS-Leiter und Moderator Marco Schlicht fehlte rückblickend schlicht „der rote Faden“.

Generell zeigte die große Publikumsresonanz aber das Bedürfnis der Bürger an Informationen aus erster Hand zur Flüchtlingsfrage allgemein und zur ZUE in Wimbern im Besonderen.

Kärtchen mit kritischen Fragen wurden nicht verlesen

Kritische Fragen und Beiträge zum Thema gab es übrigens nicht. – Nur die Frage: Wie können wir den Flüchtlingen helfen?

Von den anonymen Fragekärtchen, die die Besucher am Eingang ausfüllen konnten, wurde nur eine einzige (!) von Freundeskreis-Sprecher Heinz Vihrog verlesen. Dabei ging es darum, welche Hilfe von muslimischer Seite für die Flüchtlinge käme.

Eine Antwort blieben die Vertreter auf dem Podium schuldig. – Stattdessen bat Vihrog spontan den Wickeder Murat Güneser vom Alevitischen Kulturverein in Menden, einer islamischen Glaubensrichtung, um eine Stellungnahme. Dieser eigentlich als Gast anwesende Muslim erklärte, dass man bereits mit den Flüchtlingen zusammen Volkstänze gemacht habe und ihm dies sehr viel Spaß bereitet habe.

Enser Initiative kann für Wimbern kein Beispiel sein

Daniel Keil als Sprecher der Gruppe „Flüchtlinge werden Nachbarn“ aus Ense stellte praktische Hilfen für Asylbewerber in seiner Kommune vor.

Im Publikum stieß dieser Beitrag allerdings nur teilweise auf Interesse. Denn die Enser Erfahrungen seien keine hilfreichen Ansätze für Wickede (Ruhr), wo künftig bis zu 900 Flüchtlinge in einer Massenunterkunft im 800-Seelen-Dorf Wimbern leben könnten, hieß es. Und dies – anders als in der Nachbargemeinde – mit einer Aufenthaltsdauer von jeweils nur wenigen Tagen.

Einige Teilnehmer auf dem Podium kamen kaum zu Wort

Als Ansprechpartner stand zudem Heinz Drucks vom Flüchtlingsrat NRW zur Verfügung, der allerdings kaum zu Wort kam, wenngleich er sich bereits bei einer Podiumsdiskussion der Jungsozialisten im März in Wickede als profunder Kenner der Asylfrage gezeigt hatte. 

Kurz stellte auch Galina Nedelcheva, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums des Kreises Soest, die Arbeit ihrer Einrichtung vor.

Fazit: Wer wissen wollte, wie man Flüchtlingen allgemein helfen kann, bekam bei der Veranstaltung „Willkommen auf Deutsch“  einige Tipps. – Wer detaillierte Informationen zur „Zentralen Unterbringungseinrichtung“ in Wimbern oder Antworten auf kritische Fragen erhofft hatte, blieb enttäuscht.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Heinz Vihrog, Sprecher des fünfköpfigen Flüchtlings-Freundeskreises "Menschen helfen Menschen" in der Gemeinde Wickede (Ruhr) FOTO: ANDREAS DUNKER
Heinz Vihrog, Sprecher des fünfköpfigen Flüchtlings-Freundeskreises "Menschen helfen Menschen" in der Gemeinde Wickede (Ruhr) FOTO: ANDREAS DUNKER
"Willkommen auf Deutsch": Voller Saal im Bürgerhaus in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER
"Willkommen auf Deutsch": Voller Saal im Bürgerhaus in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER
VHS-Leiter und Moderator Marco Schlicht, der pensionierte Deutsch-Lehrer Werner Grote aus Wimbern und Galina Nedelcheva, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums des Kreises Soest (von links) FOTO: ANDREAS DUNKER
VHS-Leiter und Moderator Marco Schlicht, der pensionierte Deutsch-Lehrer Werner Grote aus Wimbern und Galina Nedelcheva, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums des Kreises Soest (von links) FOTO: ANDREAS DUNKER
Malteser-Ehrenamtsbeauftragte Clara Hüttenbrink FOTO: ANDREAS DUNKER
Malteser-Ehrenamtsbeauftragte Clara Hüttenbrink FOTO: ANDREAS DUNKER
Kam am Rande auch zu Wort: Jana Förster, Leiterin der Flüchtlings-Betreuung der Malteser-Werke in der "Zentralen Unterbringungseinrichtung" (ZUE) in Wimbern FOTO: ANDREAS DUNKER
Kam am Rande auch zu Wort: Jana Förster, Leiterin der Flüchtlings-Betreuung der Malteser-Werke in der "Zentralen Unterbringungseinrichtung" (ZUE) in Wimbern FOTO: ANDREAS DUNKER
Vom Zuhörer zum Sprecher im Podiumskreis: der Wickeder Murat Güneser vom Alevitischen Kulturverein in Menden, einer islamischen Glaubensrichtung FOTO: ANDREAS DUNKER
Vom Zuhörer zum Sprecher im Podiumskreis: der Wickeder Murat Güneser vom Alevitischen Kulturverein in Menden, einer islamischen Glaubensrichtung FOTO: ANDREAS DUNKER