„Brandbrief“ an Merkel: Warum die Unterschrift des Wickeder Bürgermeisters fehlt …

21. Oktober 2015

WICKEDE (RUHR). „Wir schaffen das – nicht mehr!“ stellen 215 Bürgermeister aus Nordrhein-Westfalen sinngemäß in einem „Brandbrief“ an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) fest. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen seien die Städte und Gemeinden „am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen“, erklären die Kommunalpolitiker in einem gemeinsamen „Brandbrief“ an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) vom 21. Oktober 2015. – Wickedes Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) zählt nicht zu den Unterzeichnern. Warum, das hat er im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ erklärt.

In dem Schreiben haben mehr als die Hälfte der politischen Spitzenvertreter der 396 selbstständigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Kanzlerin sowie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihre Sorge um das Land zum Ausdruck gebracht. – An erster Stelle der Soester Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer (CDU) als Präsident des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes.

Grund sei der massive und vielfach unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland.

Kommunen können kaum noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen

In dem Schreiben weisen die Verwaltungschefs darauf hin, dass praktisch alle verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien und weitere Flüchtlinge nicht mehr aufgenommen werden könnten. Der Betrieb der insbesondere zahllosen kommunalen Notunterkünfte binde erheblich kommunales Personal, sodass die Städte und Gemeinden kaum noch in der Lage seien, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen.

Das jüngst beschlossene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sei zwar ein erster Schritt, es werde aber nicht dazu führen, den Zustrom von Flüchtlingen zeitnah und spürbar zu verringern. Ebenso brächten die Verhandlungen auf internationaler und europäischer Ebene zur Beseitigung der Fluchtursachen kurzfristig keine Erleichterung.

Daher seien – so die Bürgermeister – weitere Schritte notwendig.

Forderungskatalog der kommunalen Verwaltungschefs an überörtliche Politiker

In einem Forderungskatalog verlangen die Bürgermeister die konsequente Anwendung des Dublin-Verfahrens sowie europaweit gültige Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen und ein stärkeres operatives Engagement des Bundes bei der Registrierung und Betreuung.

Unter anderem heißt es wörtlich: „Der Bund muss in Umsetzung des Dublin-Verfahrens wieder geltendes Asylverfahrensrecht anwenden, das heißt: Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an der deutschen Außengrenze abweisen. Dazu sind die bestehenden Grenzkontrollen auszuweiten und zu intensivieren, um die Zahl der unkontrolliert nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge zu minimieren.“

Und Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern dürfen nicht mehr einreisen und müssten ihr Asylverfahren in ihrem Herkunftsstaat betreiben. Das Asylverfahrensrecht müsse diesbezüglich geändert werden.

Neben einem wirksamen Schutz der Schengen-Außengrenzen fordern die Kommunalpolitiker eine Angleichung der nationalen Asylgesetze der Mitgliedsstaaten auf europäischer Ebene sowie einheitliche Standards und Leistungsvorgaben.

An das Land NRW ergeht zudem die Forderung, die im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz festgelegten Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen auch wirklich 1:1 umzusetzen.

Michalzik erklärt, warum seine Unterschrift unter dem Brief der Bürgermeister fehlt

Warum zählt der Wickeder Bürgermeister nicht zu den Unterzeichnern des aktuellen „Brandbriefes“?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik erklärte auf Anfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ am heutigen Mittwoch (21. Oktober 2015), dass er in den letzten Tagen thematisch anderweitig stark eingebunden gewesen sei und somit keine Zeit gefunden habe, den auch ihm zugesandten Entwurf des Briefes genau zu lesen.

Einfach nur seine Unterschrift unter ein solches Dokument zu setzen, ohne den Inhalt wirklich geprüft zu haben, sei aber nicht seine Art. Wenn er sich als Vertreter der Gemeinde Wickede (Ruhr) einem solchen Protestschreiben anschließe, sei für ihn zudem eine vorherige Absprache mit den politischen Spitzenvertretern der örtlichen Parteien wichtig. Dies habe er ebenfalls in der Kürze der Zeit nicht realisieren können.

Außerdem, merkte Michalzik an, dürften die meisten der Forderungen inzwischen ohnehin schon in Berlin und Düsseldorf bekannt sein.

Desweiteren sei für die Gemeinde Wickede (Ruhr) die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden durch die Kommune sowie die Schaffung von Notaufnahmeeinrichtungen „zur Zeit in Wickede kein Thema mit örtlicher Betroffenheit, aber wir müssen und werden natürlich die gesamte Asylentwicklung hier als ZUE-Standort auch in Zukunft sehr intensiv verfolgen und die lokalen Interessen mit Nachdruck vertreten, die sich aus Problemen mit diesen Einrichtungen ergeben können“ .

Michalzik (CDU), der sich bei kritischen Briefen an die rot-grüne Landesregierung in der Vergangenheit durchaus an die Spitze mehrerer Bürgermeisterkollegen stellte, beteiligte sich auch daher nicht an dem aktuellen Forderungskatalog an Parteikollegin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Gleich lautende Schreiben wie an die beiden Regierungschefinnen hatten die 215 NRW-Bürgermeister übrigens auch an den Vize-Kanzler Sigmar Gabriel und die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Bündnis 90 / Die Grünen) geschickt. 

Michalzik verweist  darauf, dass er einen ähnlich angelegten Brief der 14 Bürgermeister aus dem Kreis Soest an die Ministerpräsidenten vor einigen Wochen bereits mitverfasst und unterzeichnet habe. Auch in Konferenzen von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) in Düssseldorf mit ZUE-Kommunen und weiteren Städten und Gemeinden habe er die Probleme deutlich benannt.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER