Betrieb wird „zerschlagen“: Kaltband-Sparte soll an Hagener Wälzholz-Gruppe verkauft werden

11. November 2015

WICKEDE / HAGEN. Die Kaltband-Sparte der „Wickeder Westfalenstahl GmbH“ soll an die Hagener Wälzholz-Gruppe verkauft werden. Die Übernahme stehe allerdings unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Kartellbehörden, teilten die beiden Unternehmen am heutigen Dienstag (10. November 2015) in einer gemeinsamen Verlautbarung mit. – Wie viele der knapp 300 Mitarbeiter am Standort Wickede davon betroffen sind und welche Auswirkungen die gravierende unternehmerische Entscheidung für sie genau hat, steht noch nicht fest.

Bereits mit Wirkung zum 2. November 2015 hatte sich die „Wickeder Westfalenstahl GmbH“ von ihrer Tochtergesellschaft „Wickeder Steel Company (WSC)“ in den Vereinigten Staaten getrennt. Die Fabrik für gehärteten Bandstahl, die seit 1994 zur „Wickeder Group“ gehörte, hatte man an „voestalpine Precision Strip GmbH“ verkauft.

Weiterer Verkauf von Unternehmensteilen

Mit dem weiteren Verkauf von Unternehmensteilen – diesmal am traditionsreichen Stammsitz in Wickede – will sich die „Wickeder Group“ auf ihre Kernkompetenzen in den Bereichen plattierte Werkstoffe und Thermobimetalle konzentrieren und somit neu ausrichten. 

Für das Wickeder Unternehmen bedeutet der geplante Übergang des Geschäftsbereiches „Kaltband“ – mit einer jährlichen Absatzmenge von mehr als 50.000 Tonnen – an die Hagener Wälzholz-Gruppe erhebliche Veränderungen.

Wie sich diese genau für die Beschäftigten in der Ruhrgemeinde auswirkt, könne man erst nach weiteren Verhandlungen mit dem Betriebsrat mitteilen, so Pressesprecherin Sabrina Rössler im Gespräch mit "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE".

Einer der fünf führenden Kaltband-Hersteller in Europa

Die „Wickeder Westfalenstahl GmbH“ ist – eigenen Angaben zufolge – einer der Weltmarktführer für plattierte Werkstoffe und sieht sich unter den fünf führenden Kaltband-Herstellern in Europa. Trotzdem will man den letztgenannten Bereich an die Hagener Wälzholz-Gruppe verkaufen, da die Kaltband-Produktion angeblich zu wenig Gewinn abwirft und deren Zukunftsentwicklung zu ungewiss erscheint.

Weiterverarbeitung von warm gewalztem Bandstahl

Seit der Gründung im Jahr 1913 hat das Unternehmen mit Werken in Europa, Amerika und Asien seine Marktposition durch ständige Produkt- und Technologie-Innovationen gefestigt.

Das Wickeder Unternehmen produziert für weiterverarbeitende Betriebe fast aller Branchen und Bereiche – von der Automobilindustrie und der Elektrotechnik bis hin zur Möbel- und Beschlagindustrie.

Das Verwaltungsgebäude an der Hauptstraße in Wickede ist Stammsitz und zentraler Geschäftssitz der „Wickeder Group“.

Hersteller von Kaltband und plattierten Werkstoffen

„Wickeder Westfalenstahl“ ist Hersteller von Kaltband und plattierten Werkstoffen. 

Bei plattierten Werkstoffen handelt es sich um einen Verbund aus zwei oder mehr Metallen, die durch Walzen unter hohem Druck miteinander verpresst werden und danach untrennbar miteinander verbunden sind.

Kaltband, das heißt kaltgewalzter Bandstahl, ist ein Metall-Halbzeug. Dieses entsteht durch die Weiterverarbeitung von zuvor warm gewalztem Material, welches in Form von Coils (aufgewickeltes Metallband) angeliefert und dann durch ein Kaltwalz-Verfahren teilweise erheblich in seiner Dickte reduziert wird.

Zudem wird das „Blech“ in verschiedenen Produktmerkmalen kundenspezifisch in dem Wickeder Werk veredelt.  

Das Kaltwalzwerk wurde 1913 von Bernhard Bauer mitgegründet

Zur Geschichte: Unter der Bezeichnung „Wickeder Eisen- und Stahlwerk GmbH, Präzisionszieherei und Kaltwalzwerk“ wurde das Ursprungsunternehmen der heutigen „Wickeder Westfalenstahl GmbH“ am 25. Oktober 1913 ins Handelsregister eingetragen.

Federführend bei der Unternehmensgründung und -entwicklung war damals der aus Letmathe stammende Kaufmann Bernhard Bauer (* 31. Juli 1881, † 22. September 1958) – nach dem heute noch der Park in der Ortsmitte benannt ist.

Demontage und Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg

1945 beschlagnahmte die britische Armee das Werksgelände und richtete dort einen eigenen Betrieb zur Reparatur von Militärfahrzeugen ein.

Dem Wickeder Eisen- und Stahlwerk verblieb nur eine kleine Teilfläche zur Herstellung der Aluminium-Stahl-Plattierung (FERAN). – Schließlich musste der kleine Restbetrieb sogar ganz auf das damalige Wuragrohr-Gelände umziehen.

1948 dann erfolgte auf Grund von alliierten Reparationsforderungen die Demontage der recht alten Maschinen.   Dies brachte den Vorteil, dass „Eisen und Stahl“ nach der Freigabe des ursprünglichen Werksgeländes durch die Besatzer alsbald mit modernsten neuen Anlagen günstiger produzieren konnte als manche Mitbewerber.

Noch zur Jahrtausendwende der größte Arbeitgeber am Ort

Noch um das Jahr 2000 war das Unternehmen mit knapp 500 Beschäftigten übrigens der größte Arbeitgeber der Industriegemeinde Wickede (Ruhr).

Die strategische Zielsetzung der „Wickeder Group“ – zu der die Firmen Wickeder Westfalenstahl, Auerhammer Metallwerk, Deutsche Nickel, micrometal und Engineered Materials Solution zählen – sei künftig auf spezielle, technologisch anspruchsvolle Marktnischen und Produktgruppen ausgerichtet, hieß es. Deshalb trenne man sich vom Kaltband-Sektor.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Das Werk der "Wickeder Westfalenstahl GmbH" in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER
Das Werk der "Wickeder Westfalenstahl GmbH" in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER