Rosenmontag: Polizei bestätigt nackten ZUE-Bewohner am Bürgerhaus

12. Februar 2016

X-tes UPDATE - WICKEDE. Der Weg der Wahrheitsfindung ist manchmal holprig und steinig. Bei unseren Berichten verlassen wir uns nicht auf Gerüchte, sondern recherchieren Hinweise auf Vorfälle in der Regel bei amtlichen Pressestellen und über andere offizielle Quellen. Wenn diese allerdings nicht informiert sind oder keine Auskünfte geben wollen, helfen manchmal auch die Aussagen mehrerer glaubwürdiger Zeugen und inoffizielle Quellen, um Abläufe zu „rekonstruieren“.

Dieser Weg ist allerdings mühseliger, da man dabei Behauptungen wesentlich genauer überprüfen muss, um festzustellen, was Tatsachen, Vermutungen und Meinungen der Beobachter sind, denen es häufig an Hintergrundwissen zur professionellen Einordnung eines Sachverhaltes fehlt.

Bei unbekannten Personen und Quellen müssen zudem immer deren Glaubwürdigkeit und deren mögliche tendenzielle Absichten hinterfragt werden.

Professionelle Pressesprecher lassen sich da eher „einordnen“ und sind teilweise auch durch ihr Amt zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet. – Was nicht heißt, dass wir deren Statements nicht ebenso kritisch hinterfragen wie die Aussagen anderer Informanten.

Manchmal ergibt sich aber erst aus vielen Mosaiksteinchen, die im Rahmen der journalistischen Recherche zusammengetragen werden, ein Gesamtbild.

Selbst aus anfangs scheinbar routinemäßigen Abfragen können dann manchmal langwierige Prozeduren werden. So hatten wir für Dienstag (9. Februar 2016) bereits eine kurze Bilanz des Rosenmontags geplant und wollten kurz mit den Akteuren darüber sprechen, als uns ein Anruf erreichte, dessen Inhalt uns im Rahmen der Gesamtbilanz erwähnenswert erschien. – Nachstehend eine Zeitleiste, die den Ablauf unserer Recherchen zeigt:


Dienstag, 9. Februar 2016, 9.29 Uhr: Ein Informant berichtet uns telefonisch von einem Vorfall, von dem er durch Erzählungen einer Bekannten erfahren hatte. Demnach sollen angeblich vier Bewohner aus der ZUE in Wimbern am Rosenmontagabend vor dem Bürgerhaus in Wickede „randaliert“ haben. Die Männer hätten Mädchen „abfangen“ wollen, hieß es. Einer der Asylsuchenden sei sogar so „ausgetickt“, dass er sich „komplett ausgezogen“ habe. – Der Anrufer erinnerte in diesem Zusammenhang an den kürzlichen Übergriff auf eine 19-jährige Wickederin und den Exhibitionisten an der Ringstraße in Wickede vor gut einem Jahr. – Seine Gesprächspartnerin sei durch solche Vorfälle äußerst verärgert und beunruhigt, da sie selbst Mutter einer Tochter sei, erklärte der Anrufer und bat uns um Berichterstattung, soweit weitere Details bekannt wären.


Dienstag, 9. Februar 2016, 9.51 Uhr: Der WiKaVau-Vorsitzende Thomas Schmelzer zieht auf unsere telefonische Anfrage hin eine kurze Bilanz bezüglich der Rosenmontags-Party des Wickeder Karnevalsvereins. – Schmelzer berichtet von rund 500 Gästen im Bürgerhaus und dass man die Feier gegen 21.00 Uhr mit einer kurzen musikalischen Zugabe beendet habe. Zusammen mit weiteren Aktiven habe er dann noch bis etwa 23.00 Uhr aufgeräumt. – Auf die Frage, ob es noch Ärger mit Flüchtlingen aus der Massenunterkunft in Wimbern gegeben habe, erklärt der WiKaVau-Sprecher, dass es nicht mehr Probleme als manches Vorjahr mit betrunkenen einheimischen Jugendlichen gegeben habe.


Dienstag, 9. Februar 2016, 10.22 Uhr: Pressesprecher Frank Meiske von der Kreispolizeibehörde Soest erklärt auf Anfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ fernmündlich, dass die Lage am Rosenmontag in Wickede insgesamt ruhig gewesen sei. Bei der Karnevalsfeier im Bürgerhaus habe die Polizei lediglich gegen 19.00 Uhr eine Strafanzeige wegen einfacher Körperverletzung aufgenommen. Da man über Massendelikte wie Ladendiebstähle, einfache Körperverletzungen und so weiter aus Zeitgründen nicht berichten könne, habe man auch zu diesem Vorfall keine Meldung veröffentlicht. Zu Alter und Herkunft des Täters machte Meiske keine weiteren Angaben. Weitere Fragen müssten wir schriftlich stellen, erklärte uns der Polizei-Sprecher.


Dienstag, 9. Februar 2016, 10.22 Uhr: Jürgen Schlautmann, Fachbereichsleiter für Sicherheit und Ordnung der Gemeinde Wickede (Ruhr), berichtet uns telefonisch darüber, warum der traditionelle Karnevalsumzug am gestrigen Rosenmontag ausfallen musste. Aufgrund der Unwetterwarnungen der Stufe „Rot“ für Nordrhein-Westfalen gestern um 11.06 Uhr hätte er zusammen mit Bürgermeister Dr. Martin Michalzik und dem WiKaVau-Vorsitzender Thomas Schmelzer im Konsens entschieden, dass der Umzug aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden solle. – Über negative Vorkommnisse am Rosenmontag sei dem Ordnungsamt vom beauftragten Sicherheitsdienst „FreeStage“ bislang nichts mitgeteilt worden. Die vier Security-Mitarbeiter seien allerdings auch nur in der Zeit zwischen 11.00 und 15.00 Uhr im Auftrag der Kommune in der Ortsmitte unterwegs gewesen. Der WiKaVau habe – unabhängig davon – fürs Bürgerhaus den gleichen Sicherheitsdienst beauftragt.


Dienstag, 9. Februar 2016, 10.26 Uhr sendet uns einer der Leser von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ eine „Persönliche Nachricht“ via Facebook. Der Wickeder hatte heute Morgen gehört, dass sich ein ZUE-Bewohner am gestrigen Abend nicht mit dem Ende der Karnevalsveranstaltung abgefunden haben soll, da er scheinbar unbedingt noch ein Bier trinken wollte. Er habe aufgebracht sein Smart-Phone und 20-Euro-Scheine in eine noch offen stehende Seitentür geworfen. Auch der Aufforderung das Gelände zu verlassen sei er nicht gefolgt. Vielmehr habe er sich nach dem „Platzverweis“ durch den WiKaVau-Vorstand „bis auf die Socken“ ausgezogen und angefangen sein Glied von außen vor die Glasscheibe des Bürgerhauses zu drücken. Auf die mehrmalige Aufforderung dies zu unterlassen habe der wohl „stark alkoholisierte Mann“ nicht reagiert. Deshalb habe der WiKaVau schließlich die Polizei gerufen.


Dienstag, 9. Februar 2016, 14.46: Ein weiterer zuverlässiger Informant bestätigt auf Nachfrage in einem Telefonat, dass er selbst Augenzeuge gewesen sei, dass sich ein Mann in der Zeit zwischen 21.30 und 23.00 Uhr vor dem Bürgerhaus entkleidet habe. Den nackten Oberkörper habe er selbst gesehen. Auch habe er mitbekommen, dass die Veranstalter der Karnevalsparty schließlich wohl die Polizei gerufen hätten. Ob diese gekommen sei, habe er nicht mitbekommen.


Dienstag, 9. Februar 2016, 15.59 Uhr: Nachdem uns nun drei glaubwürdige Hinweise auf einen entblößten Mann am gestrigen Rosenmontagabend am Bürgerhaus vorliegen, fragen wir nochmals schriftlich per E-Mail bei der Pressestelle der Polizei nach, was denn da wirklich los war und ob es sich erneut um Bewohner der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Wimbern gehandelt hat, die strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten sind. 


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Mittwoch, 10. Februar 2016, 7.58 Uhr: Die Pressestelle der Kreispolizeibehörde teilt per E-Mail auf unsere gestrige Anfrage (siehe oben) wörtlich mit: „Hier liegt eine Anzeige wegen einfacher Körperverletzung vor. Täter ist bekannt, er kommt nicht aus der ZUE und ist auch kein Zuwanderer. – Bei einem weiteren Einsatz, gegen 22.30 Uhr, kam es zu einem Einsatz „Hilflose Person“. Ein Mann aus der ZUE wurde nach auffälligem Verhalten (hat sich ausgezogen, keine Anzeige) in die ZUE gebracht.“


Mittwoch, 10. Februar 2016, 12.01 Uhr: Das Online-Portal des „Soester Anzeiger“ veröffentlicht unter dem Titel „Keine Randalierer aus der ZUE / Polizei widerspricht Gerüchten aus sozialen Netzwerken“ erstmals einen Beitrag über die Polizei-Einsätze am Rosenmontag am Bürgerhaus in Wickede. – Im Online-Portal der gedruckten Tageszeitung heißt es, dass sich der Soester Polizei-Pressesprecher Frank Meiske angeblich im Gespräch mit der Zeitung verärgert über „immer neue Enten“ gezeigt habe, die in sozialen Netzwerken und Online-Portalen verbreitet würden. – Gleichzeitig bestätigt die Berichterstattung des „Soester Anzeiger“ allerdings merkwürdigerweise zwei Polizei-Einsätze am Rosenmontag am Bürgerhaus und schreibt zu dem zweiten Vorfall wörtlich: „Der Mann aus der ZUE war betrunken und sei zum Ausnüchtern zurück in die Einrichtung gebracht worden. Eine Anzeige gab es nicht.“ Darüber, ob sich der Flüchtling nackt ausgezogen hat, berichtet das Online-Portal des „Soester Anzeiger“ nichts.


Mittwoch 10. Februar 2016, 16.14 Uhr: Um „der nackten Wahrheit“ auf die Spur zu kommen und zu prüfen, welche Aussagen von Informanten und Zeugen denn nun wirklich stimmen und bei welchen Behauptungen es sich um Unwahrheiten oder Übertreibungen handelt, fragen wir nochmals per E-Mail bei der Pressestelle der Kreispolizeibehörde nach:

1.) Handelte es sich bei dem betrunkene Flüchtling aus der ZUE in Wimbern nur um einer „Hilflose Person“ – oder hat der alkoholisierte Mann am Bürgerhaus „randaliert“?

2.) Warum wurde die Polizei wirklich gerufen?

3.) War der Betrunkene – wie es mehrfach hieß – nackt oder nicht?

4.) Stand er auch ohne Hose mit unbedecktem Glied oder Hinterteil in der Öffentlichkeit?

5.) Ist es üblich stark alkoholisierte „Hilflose Personen“ zur Ausnüchterung wieder „nach Hause“ zu schicken – oder werden diese üblicherweise erst einmal ins Polizei-Gewahrsam genommen?


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Donnerstag, 11. Februar 2016: Wir warten vergeblich auf eine Rückmeldung der Pressestelle der Kreispolizeibehörde Soest. – Da die Kreispolizeibehörde an diesem Tag unter anderem mit einer Messerattacke in der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Rüthen und der Festnahme eines Tatverdächtigen wegen versuchten Totschlags beschäftigt ist, haken wir während der Dienstzeit auch nicht mehr nach.


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Freitag, 12. Februar 2016, 7.03 Uhr: Nachdem wir die Pressestelle der Kreispolizeibehörde Soest nochmals per E-Mail nachdrücklich um die Beantwortung unserer Fragen zum Sachverhalt am Rosenmontagabend gebeten haben, erhielten wir folgende Stellungnahme von Polizei-Pressesprecher Frank Meiske: „Alles was zu berichten war, haben wir berichtet. (…) Darüber hinaus werden keine weiteren Details von uns geschildert.“ – Da in der Bevölkerung aber inzwischen fremdenfeindliche Gerüchte über Belästigungen junger Mädchen kursieren, scheint uns die Beantwortung der Fragen für die Berichterstattung über den Vorfall doch wesentlich zu sein und wir recherchieren weiter.

Denn unser Verständnis von Journalismus heißt: Berichten, wie es wirklich war!


Freitag, 12. Februar 2016, 12.29 Uhr: Polizei-Pressesprecher Frank Meiske bestätigt nach einer erneuten Nachfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ bei der Kreispolizeibehörde Soest schriftlich per E-Mail, „dass der Mann unbekleidet war“. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten des ZUE-Bewohners hätten die eingesetzten Beamten aber nicht feststellen können.

Polizei-Direktor Manfred Dinter hatte bereits kurz vorher telefonisch im Gespräch mit unserem Online-Portal erklärt, dass die Polizei den alkoholisierten Flüchtling am Montagabend zur Ausnüchterung und weiteren Betreuung in die ZUE nach Wimbern gebracht hätte. – Er selbst sei über den Fall aus Wickede sogar noch am Rosenmontag zu später Stunde von den diensthabenden Beamten unterrichtet worden. 

Wenn man den alkoholisierten Asylsuchenden in eine Ausnüchterungszelle der Polizei hätte sperren wollen, hätten die verantwortlichen Beamten aber erst einen erheblichen Arbeitsaufwand wegen freiheitsentziehender Maßnahmen betreiben müssen, so Dinter. Außerdem hätte der Streifenwagen den ZUE-Bewohner dann noch bis nach Lippstadt chauffieren müssen, denn in der Polizei-Wache Werl gäbe es zwar mehrere Gewahrsamszellen, leider habe aber kein ausreichendes Aufsichtspersonal zur Verfügung gestanden.

Deshalb sei die Rückführung in die Flüchtlingsmassenunterkunft die effizienteste Lösung gewesen. – Einen Wickeder Bürger hätte man im Vergleichsfall in die Obhut seiner Verwandten übergeben.

Scheinbar habe alkoholisierte Asylsuchende mit seiner Entkleidung gegen die Schließung der Halle protestieren wollen, nachdem die Karnevalsveranstaltung bereits gegen 21.00 Uhr beendet worden war. Der alkoholisierte Mann habe offenbar noch mehr Durst gehabt und sich weitere Bierchen genehmigen wollen.


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Die Polizei hat damit unsere anfänglichen Recherchen von Dienstag bestätigt, dass der alkoholisierte Flüchtling am Abend des Rosenmontags nackt vor dem Bürgerhaus gestanden hat.


Eine strafbare „Exhibitionistische Handlungen“, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, gab es nicht, da die Jecken im Bürgerhaus sich offenbar nicht so schlimm belästigt gefühlt haben, dass sie Anzeige erstattet hätten. Denn Exhibitionismus wird nur auf Grund einer Anzeige verfolgt –   oder von Amts wegen, wenn die Beamten ein besonderes öffentliches Interesses sehen.


ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Symbolbild ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
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