ZUE wird zwei Jahre alt: Bislang 15.655 Flüchtlinge in Wimbern

15. April 2016

WICKEDE (RUHR). Von einer anfänglichen „Notunterkunft“ hat sich die Massenunterkunft für Flüchtlinge im ehemaligen Marien-Krankenhaus in Wimbern zu einem „Vorzeigeobjekt“ entwickelt. Den Betreuern der Malteser-Werke und den Sicherheitskräften von „Kötter“ sowie den Vertretern der Bezirksregierung vor Ort wird von vielen Seiten eine gute Arbeit bescheinigt. Beispielsweise von der Kreispolizeibehörde Soest – aber auch von Flüchtlingen selbst. – Und beim Job-Screening in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit bildet Wimbern ein landesweites Pilotprojekt.

Bei einem Besuch unserer Redaktion am Mittwoch (13. April 2016) war das freundliche Miteinander zwischen den Asyl suchenden Bewohnern und dem multikulturell besetzten Betreuerteam deutlich sichtbar.

Negative Einzelfälle schaden dem positiven Image der Einrichtung

Probleme gibt es aber natürlich auch zwei Jahre nach Eröffnung der Einrichtung am 14. April 2014. Meist sind es Einzelfälle, die dem Image der Landeseinrichtung erheblich schaden. Manchmal sind es aber auch nur Mißverständnisse und Vorurteile, die ein schlechtes Licht auf die „Zentrale Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) in Wimbern werfen. – So gibt es immer mal wieder mißbräuchliche Betätigungen der Druckknopfmelder für die Alarmierung der Feuerwehr, sprich mutwillig und unbegründet eingeschlagene Schutzglasscheiben und Auslösungen.

Einige der ärgerlichen Fehlalarme wurden allerdings nur versehentlich von Bauarbeitern verursacht, die durch Staubwolken und anderes die Rauchmelder der automatischen Brandmeldeanlage auslösten. – Dabei handele es sich um keinen strafbaren Missbrauch von Notrufen sondern um durchaus berechtigte Alarmierungen, erklärte Gemeindebrandinspektor Georg Ptacek kürzlich. Und Wimberns Löschgruppenführer Detlef Carrie meinte, dass die Feuerwehrleute lieber einmal zu viel zu einem Fehlalarm ausrücken würden, als zu einem tatsächlichen Einsatz, wo Leib und Leben von Opfern bedroht seien.

Auch bei unserem Besuch am Mittwoch gab es übrigens mal wieder eine unfreiwillige Übung und alle mussten das Hauptgebäude verlassen. – Und wieder waren keine Flüchtlinge an dem Fehlalarm schuld – sondern ausgerechnet Brandschutz-Baumaßnahmen.

Übung in der Evakuierung durch häufige Fehlalarme

Kai Jatzenko als Leiter des Malteser-Migrationsbüros NRW, welches seinen Dienstsitz in der ZUE hat, meinte dazu mit durchaus schwarzem Humor, dass man inzwischen jedenfalls Übung in der Evakuierung der einzelnen Gebäudekomplexe habe. – Dass es am gestrigen Donnerstag (14. April 2016) gegen 0.55 Uhr schon wieder zu einem mißbräuchlichen Fehlalarm durch einen mutwillig und unbegründet eingeschlagenen Feuermelder kam, konnte er da noch nicht wissen.

Bettina Zipplies als stellvertretende Einrichtungsleiterin seitens der Bezirksregierung Arnsberg betonte im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“, dass man an der kurzfristigen Lösung des Problems mit unberechtigten und versehentlichen Feueralarmen arbeite, die nicht nur für die freiwilligen Helfer ärgerlich sondern auch für die Steuerzahler teuer sind.

Zwei Jahre nach Inbetriebnahme der Einrichtung noch immer Bauarbeiten

Vierundzwanzig Monate nach Inbetriebnahme des ehemaligen Krankenhauskomplexes als Flüchtlingsunterkunft sind Handwerker und Bauleute übrigens noch immer fleißig mit Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen beschäftigt.

Vor allem ein sehr hoher gesetzlicher Anspruch an Brandschutzvorkehrungen ist der Grund dafür.

Die Arbeiten fänden meist in abgetrennten Bereichen statt, so dass es den Flüchtlingen nicht wie „ein Leben auf der Baustelle“ vorkomme, meinte Bettina Zipplies dazu.

Die Verantwortliche der Bezirksregierung vor Ort würde sich – ebenso wie die Malteser – noch einen weiteren Ausbau der ZUE Wimbern auf 800 Regelplätze sowie zusätzliche 100 Notplätze wünschen. – Aktuell hält die Landeseinrichtung maximal 480 Plätze vor, die auf Grund des derzeit geringen Flüchtlingsstroms nach Deutschland und der Baumaßnahmen allerdings vielfach nicht ganz ausgenutzt werden.

Bezirksregierung hat „einige Hausaufgaben immer noch nicht gemacht“

In den Gesprächen des Landes mit der Gemeinde Wickede (Ruhr) bezüglich der Größe und Dauerhaftigkeit der Einrichtung (wir berichteten) sei man „auf einem guten Weg zu einer gemeinsamen Lösung“, erklärte Pressesprecher Benjamin Hahn von der Bezirksregierung Arnsberg im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Während die Bezirksregierung von Ausbauplänen träumt, sieht Wickedes Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) allerdings, dass die Landesbehörde auch nach zwei Jahren für die bestehende Einrichtung „einige Hausaufgaben immer noch nicht gemacht hat“.

So seien weder der eigene Bolzplatz noch die ehemalige Hauskapelle hergerichtet. Und auch ein W-Lan als Internetverbindung für die Asylsuchenden sei in den 24 Monaten seit Eröffnung der ZUE in Wimbern immer noch nicht realisiert.

Als „hochproblematisch“ (O-Ton des Bürgermeisters) sieht Michalzik die viel zu häufigen Fehlalarmierungen der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Wickede (Ruhr) an. Dies sei nicht nur für die Einsatzkräfte sondern auch für deren Familien und Arbeitgeber „eine immense Belastung“. Die Kommune erwarte von der Bezirksregierung, dass sie diese Schwierigkeiten schnellstmöglich abstelle.

Kommune will maximal 500 Plätze und höchstens zehn Jahre

Mit der Unterbringungseinrichtung in der bestehenden Größe habe die Gemeinde inzwischen gelernt zu leben, meinte Bürgermeister Michalzik im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Kürzlich hatte er jedoch ebenso erklärt, dass sich die Kommune eine Beschränkung der Einrichtung auf eine Größe von maximal 500 Plätzen sowie eine Bestandsdauer von höchstens zehn Jahren wünschen würde.

Entsprechende Verhandlungen mit der Bezirksregierung als zuständiger Landesbehörde und Träger der ZUE in Wimbern laufen derzeit, nachdem die Gemeinde Wickede (Ruhr) vor dem Verwaltungsgericht in Arnsberg eine Klage gegen die Massenunterkunft für Asylbewerber erhoben hatte.

Bürgermeister sieht durch Aufstockung auf 900 Plätze den sozialen Frieden bedroht

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik hat „große Sorgen“ (O-Ton) im Hinblick auf eine mögliche Aufstockung der „Zentralen Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) in Wimbern auf bis zu 900 Betten. Eine solch hohe Zahl sei weder für den Ortsteil Wimbern noch für die Gesamtgemeinde Wickede (Ruhr) verhältnismäßig, meinte Michalzik, der dadurch den sozialen Frieden in der Gemeinde bedroht sieht.

Sicherheitsgefühl bei vielen Bürgern hat sich verschlechtert

Denn wenngleich es rund um die ZUE in Wimbern momentan weniger Probleme als bei manch vergleichbaren Flüchtlingsunterkünften gibt, gab es – je nach Belegung des Wohnheims – doch immer wieder unschöne Vorfälle in Wimbern und Wickede. Dazu gehören Körperverletzungen und Eigentumsdelikte, bei denen Flüchtlinge als Täter zwar festgenommen und kurzfristig ins polizeiliche Gewahrsam genommen wurden, dann allerdings zumeist abtauchten und somit den Strafverfolgungsbehörden entkamen.

Zum großen Ärger der Opfer! Und mit der Folge, dass sich das Sicherheitsgefühl bei vielen Bürgern verschlechtert hat. Hinzu kommt die erheblich gestiegene Zahl von Ladendiebstählen, die seit Eröffnung der ZUE vor zwei Jahren sprunghaft angestiegen ist. – Die Polizei hat dies durch ihre kürzlich veröffentliche Kriminalitätsstatistik 2015 offiziell bestätigt. Das Dunkelfeld ist dabei allerdings wesentlich größer, da längst nicht jeder Ladendieb erwischt wird. Die ertappten Straftäter haben außerdem kaum eine Strafe zu befürchten. – Zum Ärger mancher Geschäftsleute.

Dass die Mehrzahl der ZUE-Bewohner dabei ehrlich und friedlich ist, wird im Zorn über den unverschämten Mißbrauch der deutschen Gastfreundschaft vielfach verdrängt.

Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung für notleidende Flüchtlinge hält an

Trotzdem halte die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen weiterhin an, hieß es seitens der Malteser. Dies könne man sowohl am Zuspruch der vielen ehrenamtlichen Kräfte als auch an den weiterhin eingereichten Sachspenden ablesen.

Dass dies stimmt, konnte man bei der Evakuierung durch den Fehlalarm sehen. Denn nicht nur Asylsuchende aus Eritrea, Syrien oder dem Iran sondern auch bekannte Wickeder Gesichter erschienen bei der Räumung des Gebäudes auf dem alten Parkplatz des ehemaligen Marien-Krankenhauses.

Neben Einzelpersonen, die sich im Rahmen der Flüchtlingshilfe und -integration engagieren, sind hier die karitativen Verbände der evangelischen und katholischen Kirche sowie insbesondere der Freundeskreis "Menschen helfen Menschen" zu nennen, der viel an positiver Unterstützung für ZUE und Flüchtlinge geleistet hat.

Neben vielen schlimmen Schicksalen auch einige schwarze Schafe

Engagierte Bürger aus diesen Kreisen berichten von vielen schlimmen Schicksalen der Flüchtlinge ebenso wie von einigen schwarzen Schafen, die wohl eher auf die knapp 150 Euro Taschengeld pro Monat aus seien und – insbesondere unter Alkoholeinfluss – aggressiv seien und Randale machten.

Wenngleich die ZUE in Wimbern insgesamt einen sehr guten Eindruck mache und die Malteser als Betreuer insgesamt ordentliche Arbeit leisteten, gelte auch für die ZUE das nicht alles, was glänzt, Gold sei. Manche unschöne Vorfälle innerhalb der Einrichtung würden nach außen gar nicht publik, erklärten zwei ehrenamtliche Deutsch-Lehrer im Gespräch mit "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" vor einiger Zeit übereinstimmend.

Flüchtlinge leben derzeit einige Wochen oder Monate in Wimbern

Nach turbulenten Zeiten zu Anfang sehen die Malteser-Mitarbeiter die Massenunterkunft für Flüchtlinge nun in einem etwas ruhigeren Fahrwasser. Derzeit würden manche Flüchtlinge erst einige Wochen oder Monate in Wimbern leben, bevor sie Städten und Gemeinden zugewiesen würden. Gründe dafür seien die augenblicklich geringeren Zuwanderungszahlen sowie fehlende Plätze in den Kommunen.

Deshalb, so stellvertretender Betreuungsleiter Julian Demiet von den Maltesern im Gespräch mit "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE, sei nunmehr wieder das "Kerngeschäft" gefragt: die Betreuung der Flüchtlinge. – Zuvor sei es auf Grund des massenhaften Ansturms von Migranten vielfach nur um die kurzfristige Unterbringung und Versorgung sowie schnelle Abwicklung von Transfers in die Kommunen gegangen.

Kritik an Landesbehörden bezüglich unvollendeter Baumaßnahmen

Nicht nur Wickedes Bürgermeister ist übrigens verwundert ob des unverständlichen Stillstandes bei versprochenen Baumaßnahmen von Freizeiteinrichtungen in und um die ZUE.

Kritik an den zuständigen Landesbehörden wird inzwischen ebenso von Kai Jatzenko als Leiter des Malteser-Migrationsbüros NRW laut. Jatzenko bemängelte gegenüber unserer Redaktion, dass das Land nach zwei Jahren immer noch bei vielen geplanten Projekten hinterherhinke. Als Beispiele nannte Jatzenko die provisorischen Räumlichkeiten für Kindergarten und Frauentreff.

Aber auch eine seit Monaten teilfertige Wand im Rohbauzustand und die riesige teure Gabionen-Mauer als Schallschutz für den immer noch fehlenden Sportplatz im Außenbereich, lösen bei dem Diplom-Pädagogen offensichtlich nur noch Kopfschütteln aus.

ZUE bleibt im sprichwörtlichen Sinne "eine große Baustelle"

Durch die große Fluktuation der Bewohner wird die ZUE in Wimbern im sprichwörtlichen Sinne "eine große Baustelle" bleiben, da sich die Einrichtung und ihrer Mitarbeiter immer wieder spontan geänderten Anforderungen und neuen Bewohnern anpassen müssen.

Zwar wollen die Malteser-Werke wichtige Angebote wie den Deutsch-Unterricht in Zukunft noch mehr standardisieren und durch fest angestellte neue Lehrer professionalisieren. Doch ist ein Talent bei den vielen unterschiedlichen Menschen aus zahlreichen Herkunfsländern wohl besonders gefragt: Improvisation. Dies wird nicht nur bei der Verständigung mit Händen und Füßen in Folge des babylonischen Sprachengewirrs in der Massenunterkunft deutlich.

Einwohnermeldeamt der Kommune muss Flüchtlinge an- und abmelden

Bis zum gestrigen Donnerstag, 14. April 2016, hat das Einwohnermeldeamt der Gemeinde Wickede (Ruhr) übrigens bereits 15.655 Flüchtlinge in der Massenunterkunft im ehemaligen Marien-Krankenhaus an der Mendener Straße 52 in Wimbern registriert, die vor genau zwei Jahren in Betrieb genommenen wurde. Dies teilte Fachbereichsleiter Jürgen Schlautmann auf Nachfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ mit.

Denn während ihres Aufenthaltes in der ZUE in Wimbern werden die Flüchtlinge als Wickeder Einwohner gezählt. So muss bei jedem Ein- und Auszug eines Bewohners eine An- und Abmeldung im Rathaus der Gemeinde Wickede (Ruhr) erfolgen.

Rund 30 Mitarbeiter von Anfang an mit dabei

Zusammen mit Kai Jatzenko können übrigens rund 30 Mitarbeiter ihr zweijähriges "Arbeitsjubiläum" in der ZUE Wimbern feiern. Denn sie sind von Anfang an im Team mit dabei.

Marco Plümper als Leiter der Landeseinrichtung seitens der Bezirksregierung Arnsberg ist derzeit allerdings krank und Betreuungsleiterin Jana Förster von den Malteser-Werken ist auf Grund einer Schwangerschaft vorübergehend nicht mit im operativen Führungskreis vor Ort tätig. Sie hat aber von einem externen Büro außerhalb der ZUE weiterhin ein Auge auf die Massenunterkunft. – Auch die beiden sind übrigens seit 24 Monaten in der ZUE in Wimbern beschäftigt.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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Auf dem Bild (von links): die stellvertretenden Betreuungsleiter Miriam Pichler und Julian Demiet, die Malteser-Mitarbeiterin Joseline Frenzel, die Ehrenamtskoordinatorin Vithy Rajakulasingam, Malteser-Teamleiterin Nicole Gebauer, Kai Jatzenko als Leiter des Malteser-Migrationsbüros NRW sowie die stellvertretende Einrichtungsleiterin Bettina Zipplies und Pressesprecher Benjamin Hahn von der Bezirksregierung in Arnsberg nebst Udo Linnenbrink von der Bundesagentur für Arbeit, der im Bereich Job-Screening tätig ist. FOTO: ANDREAS DUNKER
Auf dem Bild (von links): die stellvertretenden Betreuungsleiter Miriam Pichler und Julian Demiet, die Malteser-Mitarbeiterin Joseline Frenzel, die Ehrenamtskoordinatorin Vithy Rajakulasingam, Malteser-Teamleiterin Nicole Gebauer, Kai Jatzenko als Leiter des Malteser-Migrationsbüros NRW sowie die stellvertretende Einrichtungsleiterin Bettina Zipplies und Pressesprecher Benjamin Hahn von der Bezirksregierung in Arnsberg nebst Udo Linnenbrink von der Bundesagentur für Arbeit, der im Bereich Job-Screening tätig ist. FOTO: ANDREAS DUNKER