Bezirksregierung beantwortet Fragen zu Veränderungen in der ZUE in Wimbern

28. Juli 2016

WICKEDE (RUHR) / ARNSBERG. Die Arnsberger Regierungspräsidentin Diana Ewert (SPD) hat am Dienstag (26. Juli 2016) mitgeteilt, dass die bisherige „Zentrale Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) für Flüchtlinge in Wimbern künftig als Spezialeinrichtung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie alleinreisende Frauen, Schwangere, Wöchnerinnen, alleinerziehende Mütter, Behinderte sowie Menschen aus dem LSBTTI-Spektrum genutzt werden soll, will sagen: Lesben, Schwule und Bisexuelle sowie Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle. – Die Redaktion von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ hat deshalb bei Benjamin Hahn als Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg bezüglich möglicher Auswirkungen durch die Umnutzung der Einrichtung nachgefragt.

Herr Hahn, warum hat die Bezirksregierung gerade das ehemaligen Marien-Krankenhauses in Wimbern als Standort für eine Unterbringungseinrichtung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ausgewählt? Welche Orte waren als Alternative noch im Gespräch?

Das ehemalige Marien-Krankenhaus verfügt bereits durch seine baulichen Gegebenheiten über beste Voraussetzungen für eine solche Einrichtung. Dazu gehören der behindertengerechte Zugang, aber auch das Schwesternwohnheim, das als eigenständiges Gebäude von den anderen Bereichen abgetrennt ist. Dadurch sind Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten für allein reisende Frauen gewährleistet.

Gibt es weitere solcher Einrichtungen im Regierungsbezirk, im Land Nordrhein-Westfalen oder deutschlandweit? Oder ist die Etablierung einer solchen Einrichtung ein Pilotprojekt?

Es gibt bereits Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die sich vor allem auf die Unterbringung von Frauen spezialisiert haben. Auch sollen in den anderen Regierungsbezirken ähnliche Einrichtungen entstehen. Im Regierungsbezirk ist dieses Projekt jedoch einzigartig.

Welche besonderen Rahmenbedingungen werden Bezirksregierung und Betreuungsverband bei der Aufnahme des besonderen Personenkreises in der Massenunterkunft berücksichtigen. Gibt es schon spezielle Richtlinien?

Nein.

Wann wird die Umnutzung der „ZUE Wimbern“ konkret erfolgen? Oder gibt es einen schleichenden Wandel zur Sondereinrichtung?

Es wird vermutlich einen eher schleichenden Wandel geben. Wir beginnen bereits jetzt in Wickede keine allein reisenden Männer neu unterzubringen.

Müssen weitere bauliche Veränderungen an dem Gebäudekomplex vorgenommen werden, um ihn als Sondereinrichtung zu nutzen?

Die Sicherheitsvorkehrungen im Außenbereich werden verbessert. Weitere bauliche Maßnahmen können anfallen, jedoch sind derzeit keine großen Umbauten mehr geplant.

Wimbern soll künftig ja vor allem auch Schwangere, Wöchnerinnen und Mütter mit (Klein-)Kindern aufnehmen. Mit welcher Entbindungsstation und mit welcher Kinderklinik kooperieren Sie?

Da die Zustimmung der Gemeinde zu unseren Plänen noch aussteht, wurden bisher keinerlei Kooperationsverträge geschlossen.

Welche Veränderungen gibt es für Betreuungs- und Wachpersonal sowie die Mitarbeiter der Bezirksregierung vor Ort in Wimbern? Ändert sich die Personalstärke oder -zusammensetzung? Werden beispielsweise mehr weibliche Kräfte eingestellt, wenn der Frauenanteil unter den Bewohnern steigt?

Es gilt das gleiche wie zuvor gesagt: Da die Zustimmung der Kommune zu unseren Plänen noch aussteht, wurden bisher diesbezüglich keinerlei neue Verträge geschlossen.

In einer Landeseinrichtung für Flüchtlinge in Burbach gab es in der Vergangenheit angeblich schon Übergriffe durch das Sicherheitspersonal auf die Schutzbefohlenen. Wie schützt die Bezirksregierung die weiblichen Flüchtlinge vor solchen Übergriffen durch männliches Personal?

Nach den Ereignissen in Burbach im Jahr 2014 hat die Bezirksregierung Kontroll-Teams eingeführt und die Sicherheitsüberprüfungen für die Mitarbeiter der Sicherheitsdienste verschärft.
Eine absolute Sicherheit ist nie gewährleistet. Aber für die Arbeit in einer Landeseinrichtung werden nur die Personen zugelassen, die nach einer intensiven Prüfung aller verfügbaren behördlichen Dokumente als vertrauenswürdig bewertet werden.

Welche eigenen Betreuungsangebote für Kinder gibt es künftig in Wimbern. Bislang sind ja der bereits seit langem geplante Kindergarten, der Bolzplatz und so weiter immer noch nicht fertig. Warum verzögern sich die Neu- und Umbauten seit fast zwei Jahren?

Ein Kindergarten beziehungsweise eine Kinderbetreuung sind vorhanden. Diese werden nach Abschluss der Brandschutzarbeiten noch einmal innerhalb des Hauses umziehen.

Durch sexuelle Übergriffe oder Diskriminierungen in den Herkunftsländern oder auf der Flucht könnten etliche Personen aus der neuen Zielgruppe besonders traumatisiert sein. Wie wirkt sich dies voraussichtlich auf die Einrichtung in Wimbern aus? Welche therapeutischen Maßnahmen für traumatisierte Flüchtlinge planen Sie?

Das wird mit dem Betreuungsverband („Malteser-Werke“, Anmerkung der Redaktion) zu besprechen sein.

Wir haben gerade in jüngster Zeit gesehen, dass es bei psychisch kranken Flüchtlingen zu unvorhersehbaren Gewaltausbrüchen kommt? Wie wirkt die Bezirksregierung und der Betreuungsverband dieser Gefahr entgegen?

Es werden in Wickede keine psychisch erkrankten Flüchtlinge untergebracht werden.

Bei einem Besuch des Malteser-Oberen vor einigen Monaten wurde durch die Mitarbeiterinnen der Sanitätsstation berichtet, das HIV beziehungsweise AIDS und andere ansteckende Krankheiten ein häufiges Problem bei den Patienten seien. Werden alle Bewohner richtig medizinisch untersucht und behandelt sowie über notwendiges Verhalten aufgeklärt, um eine Weiterverbreitung dieser Krankheiten entgegen zu wirken und auch die einheimische Bevölkerung davor zu schützen?

Ja, so ist es angedacht. – Allerdings werden die medizinischen Untersuchungen bereits in (…) den Erstaufnahmeeinrichtungen stattfinden.

Welche Nationalitäten werden künftig vornehmlich in der Sondereinrichtung in Wimbern vertreten sein? Nutzt man die Gliederung des Gebäudekomplexes, um Flüchtlinge nach Herkunfsländern, Geschlecht oder sexueller Orientierung getrennt unterzubringen?

Es werden die Nationen vertreten sein, die sich dann jeweils auf der Flucht befinden. Sie werden so auf das Gebäude verteilt, wie es sinnvoll ist. Das heißt, dass allein reisende Frauen von gehbehinderten Männern getrennt untergebracht werden. Eine Aufteilung nach Nationalität wird nicht stattfinden.

Wie lang wird demnächst voraussichtlich die durchschnittliche Verweildauer der Bewohner in Wimbern sein? Nach wie vielen Monaten werden die Flüchtlinge spätestens an kommunale Unterkünfte in den Gemeinden und Städten überwiesen?

Die gesetzliche Maximalverweildauer in einer Landeseinrichtung beträgt sechs Monate. Ob diese jedoch stets ausgereizt wird, ist von der jeweiligen Zuweisungs- und Unterbringungssituation auf kommunaler Ebene abhängig.

Welche Integrationsangebote und Sprachkurse werden den Flüchtlingen angeboten, die länger in Wimbern verweilen? Wie werden diese Angebote erfahrungsgemäß angenommen und bieten Bezirksregierung beziehungsweise Betreuungsverband auch genügend Plätze für den vorhandenen Bedarf?

Die Bezirksregierung bietet selbst keine Angebote an.

Seitens eines leitenden Vertreters der Arnsberger Bezirksregierung hieß es vor einiger Zeit im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“, dass die meisten schwangeren Frauen nicht in ihren Herkunftsländern sondern erst auf der Flucht schwanger geworden seien. Sei es durch Vergewaltigungen oder durch Zwangsprostitution in Europa, um die Kosten für die von Schleppern organisierte Flucht durch sexuelle Dienstleistungen „abzuarbeiten“. Erst wenn die Frauen durch Schwangerschaft dem Rotlichtmilieu nicht mehr von Nutzen seien, würde man die illegalen Einwanderinnen als „Flüchtlinge“ in die Obhut des deutschen Staates „abschieben“. Ergeben sich hierdurch nicht erhebliche Probleme und wie wirken sich diese auf Wimbern aus?

Das ist eine Frage an die Strafermittlungsbehörden. Die Bezirksregierung ist lediglich für die Unterbringung und kommunale Zuweisung der geflüchteten Menschen zuständig. Uns liegen deshalb dazu auch keine Erkenntnisse vor.

Auf welche Kooperationen mit karitativen Vereinigungen und Hilfseinrichtungen aus Wickede (Ruhr) hoffen Bezirksregierung und Betreuungsverband nach der Neuausrichtung der Flüchtlingsmassenunterkunft in Wimbern? Wie sind die bisherigen Erfahrungen?

Wir werden das gute Netzwerk und das ehrenamtliche Engagement vor Ort auch weiterhin nutzen. Ob es darüber hinaus noch Kooperationen mit anderen Vereinigungen geben wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen.

Zuletzt noch die Frage: Welche finanziellen Auswirkungen habem die Veränderung für die Gemeinde Wickede (Ruhr)? Bislang profitiert die Kommune finanziell als Standort einer großen Landeseinrichtung für Flüchtlinge? Wie sieht dies künftig damit aus, da die Regelbelegungszahl mit 400 Plätzen ja geringer als bislang ist?

Die Anrechnung erfolgt immer auf Basis der gültigen Gesetzeslage des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG). Die Bezirksregierung ist kein Gesetzgeber und kann daher keine Auskunft darüber geben, ob sich an der Gesetzeslage etwas ändern wird oder nicht. Daher ist es uns nicht möglich über finanzielle Veränderungen für die Gemeinde zu sprechen.

Und noch eine Zusatzfrage: Ist es nicht befremdlich, dass Deutschland als Aufnahmeland für bedrohte und verfolgte Flüchtlinge besondere Schutzmaßnahmen für Frauen und nicht-heterosexuell orientierte Zuwanderer treffen muss? Denn dies bedeutet ja, dass Asylsuchende die Sicherheit dieser Menschen in anderen Unterkünften gefährden.

Die Realität von Frauenhäusern in Deutschland zeigt, dass Frauen auch mitten in unserer Gesellschaft gefährdet sind. – Andererseits möchten wir eine andere Perspektive anbieten: Vielleicht fühlen sich die Frauen einfach wohler, wenn sie als allein reisende Flüchtlinge untereinander bleiben können.

Das gleiche gilt für Menschen aus dem „LSBTTI-Spektrum“ („LSBTTI = Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle“, Anmerkung der Redaktion): In Afghanistan steht Homosexualität unter Strafe und wird mit mindestens fünf Jahren Gefängnis bestraft.

Gleichgeschlechtlich liebende Menschen aus diesen Ländern müssen erst einmal verstehen, dass sie mit Deutschland ein Land vorfinden, in dem sie mit ihrer Sexualität offener umgehen können. Diesen Menschen anzubieten, dass sie zunächst erst einmal in einer geschützten Einrichtung untergebracht werden, ist sicherlich für das Vertrauen in sich selbst und die neue Umgebung förderlicher.

Danke für das Gespräch, Herr Hahn.

Die Interviewfragen stellte ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

ANZEIGE
ANZEIGE
Die Flüchtlingsmassenunterkunft des Landes Nordrhein-Westfalen im ehemaligen Marien-Krankenhaus in Wimbern ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Die Flüchtlingsmassenunterkunft des Landes Nordrhein-Westfalen im ehemaligen Marien-Krankenhaus in Wimbern ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Pressesprecher Benjamin Hahn von der Bezirksregierung Arnsberg vor der Flüchtlingsmassenunterkunft in Wimbern ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Pressesprecher Benjamin Hahn von der Bezirksregierung Arnsberg vor der Flüchtlingsmassenunterkunft in Wimbern ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER