Nach dem schweren Verkehrsunfall: Heftige Diskussion um „Gaffer“ in „Facebook“

26. September 2016

WICKEDE (RUHR) / KREIS SOEST. Der schwere Verkehrsunfall am Wochenende in der Wickeder Ortsmitte hat für Aufsehen und Betroffenheit in der Ruhrgemeinde gesorgt. Nicht zuletzt die spektakuläre Landung des ADAC-Rettungshubschraubers „Christopher 8“ aus Lünen auf der Bahnüberführung der Hauptstraße in Wickede hat die Blicke zahlreicher Schaulustiger auf sich gezogen. – Zu Behinderungen der Einsatzkräfte sei es durch die „Gaffer“ allerdings zu keiner Zeit gekommen, erklärten Polizei-Pressesprecher Frank Meiske und Hans-Peter Trilling als „Ärztlicher Leiter“ des Rettungsdienstes des Kreises Soest am heutigen Montag (26. September 2016) im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Im Sozialen Netzwerk „Facebook“ wurde hingegen das Verhalten einiger „Gaffer“ gerügt, die „teilweise mit Handy in der Hand“ und in Begleitung von Kindern an der Unfallstelle ausharrten, um die Rettungsmaßnahmen zu beobachten.

Zwischen 50 und 100 Schaulustige

Ein vorbeifahrender Wickeder Autofahrer will schätzungsweise zwischen 50 und 100 Leute gesehen haben, die um die Unfallstelle herumgestanden hätten. Er meint, dass man sich „für so ein Verhalten“ nur „Fremdschämen“ könne. Zudem kritisiert der Mann, dass selbst Autos vor ihm angeblich angehalten hätten, um zu schauen, was denn da los sei.

Unfallstellen sind kein Freiluftheater

Und in einem weiteren Kommentar heißt es von einer jungen Wickederin in Facebook: „Ich denke, dass es ein Stück weit ja normal ist, dass man wissen will, was da los ist. Aber zuhauf an einer Unfallstelle stehen bleiben, als wäre es ein Freilufttheater und sogar das Handy zücken … Das ist unmöglich!“

Neugierde gehört zur Natur des Menschen

Teilweise Verständnis für die Zuschauer am Rande hat ein anderer Kommentator: „Es liegt natürlich in der Natur der Menschen, dass man schon eine gewisse Portion Neugierde in sich hat, wenn irgendwo etwas passiert …“, schreibt er. – Andererseits kritisiert er generell das Fotografieren und Filmen, bei denen Unfallopfer im Fokus sind.

Wenngleich einige Beobachter die relativ spektakuläre Landung des Rettungshubschraubers mit den Kameras ihrer Handys aufnahmen, wurden aber – nach bisherigen Erkenntnissen – keine illegalen oder moralisch verwerflichen Aufnahmen von dem Wickeder Unfall in „Sozialen Netzwerken“ gepostet.

Rettungskräften nicht von ihrer Arbeit ablenken

Ein hauptberuflich als Feuerwehrmann und Rettungsassistent tätiger Wickeder erklärte im Verlauf der Facebook-Diskussion: „Wirksames Mittel gegen Gaffer ist, direktes Ansprechen und zur Hilfe auffordern.“ – Wenn ein Schaulustiger unerwartet durch die Sanitäter des Rettungsdienstes zum „lebenden Infusionsständer“ umfunktioniert würde, denke er künftig vielleicht anders über solche Situationen.

Weiter meint der „Profi“: „Ansonsten finde ich persönlich Gaffer gar nicht so schlimm, solange sie nicht im Weg stehen. Sollen sie sich ruhig den Appetit verderben.“

Und: „Was mich immer nervt, sind die Handys. Ehe man sich versieht, ist man als Helfer schon bei YouTube hochgeladen. Das löst Stress aus und man wird dadurch von der eigentlichen Arbeit abgelenkt.“

Bei dem Unfall am Samstagabend in der Wickeder Ortsmitte gab es allerdings keine Beschwerden des Rettungsdienstes oder der Polizei in diese Richtung.

Nachrückende Einsatzkräfte bei der Zufahrt nicht behindern

Die Forderung eines Facebook-Kommentators gleich „Strafanzeigen“ gegen die „Gaffer“ zu erstatten, scheint also unverhältnismäßig, wenngleich unbeteilige Personen eigentlich nur zur Hilfeleistung oder als Augenzeugen am Unglücksort verweilen sollten. Andere Passanten sollten sich sicherlich nicht um eine Unfallstelle herum gruppieren, um beispielsweise keine nachrückenden Einsatzkräfte bei der Zufahrt zu behindern.

Zeugen und Zuschauer fühlen sich zu Amateur-Journalisten berufen

Der Soester Polizei-Pressesprecher Frank Meiske sieht die Aufnahmen an Unfallstellen und ihre schnelle Veröffentlichung durch „Soziale Netzwerke“ im Internet generell als eine „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“. „Alles wird zu jederzeit ganz schnell berichtet“, so Meiske.

Unter anderem die „Jedermann-Reporter“, will sagen: Bürger- und Leser-Reporter von Zeitungen, hätten dazu geführt, dass sich inzwischen immer mehr Zeugen und Zuschauer bei Unfällen als Amateur-Journalisten berufen fühlten, die eventuell noch auf ein üppiges Honorar für die Veröffentlichung ihrer Aufnahmen in der BILD-Zeitung hoffen würden.

Anders als Polizisten bei der fotografischen Beweissicherung oder professionelle Berichterstatter von Medien hielten sich diese Amateure  häufig nicht an die üblichen Spielregeln und rechtlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Persönlichkeitsrechte von Patienten.

Angriffe auf Rettungskräfte und massive Behinderungen an Unfallstellen

Während aus Ballungsräumen im Ruhrgebiet in jüngster Zeit mehrere „massive Behinderungen“ von Einsatzkräften bei Unfällen und Rettungseinsätzen berichtet wurden, ist dies im Soester Raum noch kein Problem.

Auch häufiger werdende gewalttätige Übergriffe auf Sanitäter oder Feuerwehrleute im Einsatz – wie sie teilweise aus Fußballstadien durch alkoholisierte Randalierer oder aus manchen Wohnvierteln in Großstädten vermeldet werden – sind aus dem hiesigen Landkreis aktuell nicht bekannt.

„Bei uns stellt sich das Problem im Alltag nicht so“, heißt es seitens der zuständigen Behörden. „Behinderungen oder Angriffe auf Rettungskräfte haben wir im Kreis Soest bislang noch nicht zu verzeichnen!“ – Vielmehr gebe es durchaus positive Beispiele für Ersthelfer, die als Lebensretter bei Unfallopfern fungiert und diese vor dem Eintreffen des Rettungsdienstes wieder reanimiert hätten.

Jede Unfallstelle ist auch eine Gefahrenstelle

Während jeder Zeuge eines Unfalls zur sofortigen Hilfeleistung in Form eigener Rettungsmaßnahmen und der umgehenden Alarmierung des professionellen Rettungsdienstes gesetzlich verpflichtet sei, rät Hans-Peter Trilling als „Ärztlicher Leiter“ des Rettungsdienstes anderen Passanten davon ab als bloße Zuschauer am Rande des Geschehens zu verweilen. Denn jede Unfall- und Einsatzstelle sei auch eine Gefahrenstelle – auch für die „Gaffer“.

Für sehr gefährlich und unverantwortlich halten die Profis von Polizei und Rettungsdienst übrigens insbesondere „das langsame Fahren“ auf der Autobahn, wenn auf der Gegenfahrbahn ein Unfall passiert ist.

Hubschrauber-Landungen ziehen Schaulustige an

Aus langjähriger Erfahrung bekannt ist den Einsatzkräften: Sobald ein Rettungshubschrauber landet, gibt es eine Ansammlung von Schaulustigen.

Dabei müssten diese den Landeplatz aber immer unbedingt sofort räumen. Denn für die Piloten sei beim Landeanflug eine genügend große Freifläche notwendig. Außerdem würden durch den Rotor auch Dinge vom Boden aufgewirbelt, die umstehende Personen beim Umherfliegen verletzten könnten. Zudem seien die drehenden Rotorblätter lebensgefährlich, wenn man ihnen zu nahe komme.

Rennradfahrer trug Schutzhelm

Bezüglich des am Samstag auf der Hauptstraße in Wickede verunglückten Rennradfahrers aus Fröndenberg teilte die Pressestelle der Kreispolizeibehörde Soest am heutigen Montag (26. September 2016) auf Nachfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ schriftlich mit: „Zum Gesundheitszustand können wir keine Angaben machen. Erst wenn ein Unfallopfer verstirbt, erhalten wir eine Mitteilung der Klinik.“

Bestätigt wurde von der Polizei übrigens, dass der schwer verletzte Radfahrer während der Kollision mit dem Pkw zum Glück einen Schutzhelm auf dem Kopf getragen habe.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Der vor seiner Landung niedrig über die Hausdächer kreisende Hubschrauber sorgte am Samstagabend für Aufsehen in der Wickeder Ortsmitte. FOTO: ANDREAS DUNKER
Der vor seiner Landung niedrig über die Hausdächer kreisende Hubschrauber sorgte am Samstagabend für Aufsehen in der Wickeder Ortsmitte. FOTO: ANDREAS DUNKER