Agrar-Wandel und gespaltenes Image: Guter Bauer, schlechte Landwirtschaft?

29. November 2016

WICKEDE (RUHR). Als „arbeitsam“ und „bodenständig“ seien viele „Bauern“ bei ihren Mitbürgern bekannt und beliebt, erklärte Burkhard Schröer am Montagabend (28. November 2016) bei der traditionellen „Winterversammlung“ des landwirtschaftlichen Ortsverbandes Wickede (Ruhr) in der Gaststätte Korte. Während das Ansehen des einzelnen Landwirtes in der Bevölkerung häufig sehr positiv sei, stehe es um das Image „der Landwirtschaft“ als Ganzes in der heutigen Zeit aber eher schlecht, so der hauptamtliche Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest.

Massentierhaltung in den Ställen und Überdüngung auf den Feldern seien nur einige der Themen, die immer wieder negativ in die Schlagzeilen gerieten, so Schröer. Auch bäuerliche Familienbetriebe auf den Dörfern fühlten sich durch „Hetzkampagnen“ bestimmter Gruppierungen und Pauschalkritiken in der Presse immer wieder „an den Pranger“ gestellt. Und dies häufig zu unrecht.

Denn ihre zeitintensive Arbeit – teilweise ohne arbeitsfreie Sonn- und Feiertage sowie Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft – diene ja in der Regel der Produktion hochwertiger gesunder Lebensmittel. Zudem kümmerten sich etliche Landwirte auch im staatlichen Auftrage um den Naturschutz in der bäuerlichen Kulturlandschaft, die sie und ihre Vorfahren geschaffen hätten.

Diskrepanz zwischen „heiler (Werbe-)Welt“ und landwirtschaftlicher Produktion

Ein weiteres Problem beim zwiespältigen Image der Landwirtschaft sei die Diskrepanz zwischen der „heilen Welt“ von Ackerbau und Viehzucht auf Verpackungen der Lebensmittelbranche und die tatsächliche Produktionsweise in modernen bäuerlichen Betrieben, die effektiv und nachhaltig wirtschafteten. Die „lila Kuh“ auf grüner Wiese gäbe es einfach in der Realität nicht.

Bürgermeister: Außenstehenden fehlt es häufig an differenzierter Betrachtungsweise

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) von der Gemeinde Wickede (Ruhr) meinte als Gast des landwirtschaftlichen Ortsverbandes dazu, dass viele Berufsstände ein Pauschalurteil über sich ergehen lassen müssten, da es Außenstehenden häufig an einer differenzierten Betrachtungsweise fehle. Diese könne man angesichts einer immer komplexer werdenden Welt aber auch nicht immer von jedem Menschen erwarten. Deshalb sei es wichtig, dass die Bauern selbst über sich und ihre Arbeit transparent aufklären würden – und sei es nur im persönlichen Bekanntenkreis.

Michalzik lobte die „kurzen Dienstwege“, wenn es Klärungsbedarf bei bestimmten Themenfeldern zwischen Kommune und Landwirtschaft gäbe. Ortslandwirt Theo Arndt aus Wiehagen sei da immer ein guter Ansprechpartner für die Gemeinde Wickede (Ruhr).

Schwarze Schafe gibt es auch unter Landwirten

Elisabeth Franke als stellvertretende Geschäftsführerin der Kreisstelle Soest der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wies daraufhin, dass es nicht nur schwarze Schafe in den Viehherden mancher Landwirte gäbe sondern leider teilweise auch unter ihnen selbst. So würden einzelne uneinsichtige Landwirte durch das Ausbringen von Gülle auf die Felder an Sonn- und Feiertagen natürlich den Zorn von Spaziergängern und Radfahrern hervorrufen. Hier gelte es auch Rücksicht auf das Freizeitverhalten der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung zu nehmen.

Die anwesenden Landwirte rief Franke auf, dass sie in solchen Fällen einfach „Zivilcourage“ zeigen sollten und auf solche „Kollegen“ entsprechend einwirken müssten. Denn diese schädigten durch ihr negatives Verhalten den Ruf des gesamten Berufsstandes.

Sonnenblumen als schöne Säume für Mais-Monokulturen

Landfrau Dorothee Behme aus Wiehagen berichtete von einer einfachen Aktion zur Imageverbesserung. Landwirte hätten am Rande von riesigen Maisfeldern einfach ein paar Reihen mit Sonnenblumen angepflanzt. Dadurch wirkten die für die umweltfreundlichen Biogasanlagen notwendigen Monokulturen auf den ersten Blick schon viel freundlicher für Passanten.

Nachhaltigen Wandel in der Landwirtschaft bis 2030 gefordert

Aber es gehe nicht nur um das Image, betonte Burkhard Schröer. Aus dem „Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband“ heraus gäbe es auch Überlegungen zu einem nachhaltigen Wandel in der Landwirtschaft binnen der nächsten Jahre. – Im Gegensatz zu der von Kritikern geforderten „Agrar-Wende“ sei dies jedoch ein Weg in Etappen bis zum Jahr 2030.

Dabei ginge es unter anderem darum die „Bioversität“ (Insektenvielfalt) voranzutreiben, das Grund- und Oberflächen-Wasser zu schützen und den Einsatz von „Glyphosat“ zu reduzieren. Hinzu kämen die Initiative „Tierwohl“ und eine nachhaltige Nutztierhaltung. So sollten beispielsweise in Zukunft keine männlichen Küken bei lebendigem Leib mehr „geschreddert“ werden sondern schon die entsprechend befruchteten Eier vorab aussortiert werden.

Geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen und ein neuer Zeitgeist

Auch der bäuerliche Berufsstand müsse sich geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und einem neuen Zeitgeist anpassen, forderte der Geschäftsführer des Kreislandwirtschaftsverbandes. Denn durch die fehlende Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerung für eine industrielle Landwirtschaft müsse man sich einfach ändern, um nicht die eigene Existenz zu gefährden.

Durch eine fast industrielle Intensivwirtschaft dürften nicht weiterhin Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere sowie Elemente der Kulturlandschaft „geschädigt“ werden, mahnte Schröer ganz klar. Die Landwirtschaft müsse eigenes Fehlverhalten erkennen und korrigieren, da andere Menschen gesundheitliche Schäden durch das heutige Handeln der Landwirtschaft befürchteten. Die bäuerlichen Betriebe müssten sich außerdem wieder mehr den Erwartungen ihrer Kunden anpassen.

Experten für Nutztierhaltung, Pflanzenbau und Kreisläufe der Natur

Gleichzeitig müsse man auch auf die Stärken der Bauern hinweisen, die Experten für Nutztierhaltung und im Pflanzenbau seien und wie kaum ein anderer die Zusammenhänge und Kreisläufe in der Natur kennen würden.

Wichtig sei, dass der Berufsstand „geerdet“ bleibe und seinen Gemeinsinn sowie seine Verantwortung über Generationen im Blick behalte, so Schröer.

Kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe und große Handelsriesen in der Lebensmittelbranche

Frank Baumüller vom gleichnamigen „Fisch-Hof“ in Wiehagen gab hingegen zu bedenken, dass die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer weiter schrumpfe und die einzelne Betriebsgröße in der Regel immer weiter wachse. In solchen Zeiten sei es schwierig gegen ein bestehendes Image anzukämpfen.

Aus den Reihen der Wickeder Bauern wurde zudem klar gestellt, dass für viele Probleme eigentlich die monopolartigen Handelsriesen in der Lebensmittelbranche verantwortlich seien, die den Landwirten viele Vorgaben diktieren würden. Niedrige Gewinnspannen täten ein Übriges und ließen den traditionellen mittelständischen Familienbetrieben häufig nur wenig Spielraum.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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"Winterversammlung" des "Landwirtschaftlichen Ortsverbandes Wickede (Ruhr)" FOTO: ANDREAS DUNKER
"Winterversammlung" des "Landwirtschaftlichen Ortsverbandes Wickede (Ruhr)" FOTO: ANDREAS DUNKER