Investition in teuren Defibrillator für Sekundarschule überhaupt sinnvoll? – Experten meinen: Nein!

4. April 2017

WICKEDE (RUHR). Macht die Anschaffung eines automatisierten externen Defibrillators (AED) für die Wickeder Sekundarschule wirklich Sinn? – Diese Frage muss man sich stellen, wenngleich die Mitglieder des „Ausschusses für Bildung, Betreuung und Inklusion“ sowie des „Haupt- und Finanzausschusses“ diese Investition von 2.300 Euro für das kommende Jahr jeweils in der vergangenen Woche bereits einstimmig befürwortet haben, bevor der politische Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) am Donnerstag (6. April 2017) endgültig darüber entscheiden muss.

Generell ist die von CDU-Ratsherr Martin Vollmer bereits am 1. Dezember 2016 vorgeschlagene Anschaffung eines weiteren Defibrillators durch die Kommune eine scheinbar gute Idee. Denn ein solches medizinisches Gerät ist weitestgehend automatisiert und kann im Notfall selbst von Laien bei der Ersthilfe bedient werden, um Leben zu retten. – Ein solcher „Defi“ sorgt mittels Elektroschocks dafür, dass der normale Herzrhythmus eines Menschen wiederhergestellt wird, wenn dieser lebensbedrohlich aus dem Takt geraten ist.

Bereits in neun öffentlichen Gebäuden in Echthausen und Wickede

Bereits seit einigen Jahren gibt es in den folgenden öffentlichen Gebäuden der Ruhrgemeinde deshalb schon Defibrillatoren: in der „Bücherei im Bahnhof“, im Bürgerhaus, im Freibad, in der Gemeindehalle in Echthausen, in der Gerken-Sporthalle, im Rathaus, in der Sporthalle in Echthausen sowie in den Sporthallen der Engelhard- und der Melanchthon-Grundschulen.

Sporthallen sind bereits alle mit „Defis“ ausgerüstet

Für die Schulgebäude wurden bislang keine Defibrillatoren beschafft, weil in den benachbarten Sporthallen jeweils ein entsprechendes Gerät vorhanden sei, hieß es. – Da es nun an der Sekundarschule aber einen Schulsanitätsdienst gäbe, erscheine „das Vorhandensein eines Defibrillators im Schulgebäude sehr sinnvoll“, ist in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat zu lesen. Je nach Finanzlage solle deshalb noch in diesem oder nächsten Jahr ein 2.300 Euro teurer Defibrillator für die Sekundarschule angeschafft werden.

Besser mehr in Erste-Hilfe-Ausbildung investieren

Recherchen von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ haben aber ergeben, dass die Sinnhaftigkeit der teuren Anschaffung aber durchaus in Zweifel gezogen werden darf.

So erklärte Hans-Peter Trilling als Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes des Kreises Soest, dass es in der Vergangenheit in der Region zwar einige Fälle gegeben habe, wo noch vor Eintreffen des Regelrettungsdienstes ein Defibrillator zum Einsatz gekommen sei. Die Zahl bewege sich aber nur im ein- oder zweistelligen Bereich.

Ob der „Defi“ dabei wirklich Leben gerettet habe, darüber gebe es keine Statistik. Seiner Meinung nach solle man lieber mehr in die Erste-Hilfe-Ausbildung und somit menschliche Fähigkeiten als in solche technischen Geräte investieren.

Installation eines Defillibrators in einer Schule nicht zweckmäßig

Nach objektivierbaren Kriterien sei die Installation eines Defillibrators in einer Schule in der Regel nicht zweckmäßig. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes zwecks Reanimation (Wiederbelebung) sei in einem Senioren-Treffpunkt oder einer Kirche wohl wesentlich wahrscheinlicher.

Zudem würden die meisten Herzstillstände ohnehin nicht im öffentlichen Raum geschehen, so Trilling im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

„Der Einsatz von Defibrillatoren ist selten!“ – Die Begründung der Beschaffung sei häufig mehr emotional als rational.

Und gerade in einer Schule mit vielen jungen Menschen sehe er kaum Bedarf für eine solche Investition. – Tragische Einzelschicksale könne man natürlich nie ganz ausschließen. Deshalb könne man aber nicht in jedem Gebäude einen „Defi“ vorhalten.

„Wahrscheinlichkeit, dass ein Herzstillstand an unserer Schule passiert, ist sehr gering“

Auch seitens des Schulsanitätsdienstes findet man die Überlegung der Gemeinde zwar äußerst lobenswert, hält die Installation eines „Defis“ aber an einer anderen Stelle für besser, wo sich vermehrt Personen im Alter über 60 Jahren aufhalten.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Herzstillstand an unserer Schule passiert, ist sehr gering. Wenngleich auch sicherlich nicht gleich Null“, so eine Experten-Stimme aus dem Lehrerkollegium. Im Notfall könne man ja auch relativ schnell den Defibrillator aus der benachbarten Sporthalle holen.

Richtige Platzierung und Folgekosten sollten bedacht werden

Vielleicht sollten Gemeindeverwaltung und Kommunalpolitiker vor einer Entscheidung noch mal sachkundigen Rat einholen. Denn neben der Investition muss auch an die Folgekosten für Wartungen und Neubeschaffungen auf Grund von Vandalismus oder Überalterung gedacht werden. – Oder es sollte überlegt werden, ob die Installation eines weiteren Defibrillators nicht an anderer Stelle in Wickede (Ruhr) angebrachter ist.

Defibrillator im Freibad ist nur vier von zwölf Monaten im Jahr zugänglich

Fragen sollten sich die Verantwortlichen der Kommune auch mal, ob man den Defibrillator aus dem Freibad nicht außerhalb der Freibadsaison woanders platzieren könnte. Denn nur zwischen Anfang Mai und Ende August hat das Bad regulär geöffnet. Also nur vier Monate im Jahr. Acht Monate ist die Einrichtung geschlossen und der dort vorhandene „Defi“ somit im Notfall gar nicht verfügbar, weil er hinter verschlossenen Türen im „Winterschlaf“ ruht.

Wo sind die neun Defibrillatoren überhaupt in den Gebäuden „versteckt“?

Wichtig wäre es sicherlich auch die neun Standorte der vorhandenen Defibrillatoren mal besser bekannt zu machen und auch zu erklären, an welcher Stelle man sie in den großen Gebäuden überhaupt findet. Denn gerade die schnelle Verfügbarkeit macht die Anschaffung eines automatisierten externen Defibrillators (AED) ja überhaupt nur sinnvoll. Dann können diese medizinischen Geräte den Ersthelfern als technische Hilfe wirklich zur Lebensrettung dienen.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) zeigt den Defibrillator im Rathaus in Wickede. ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) zeigt den Defibrillator im Rathaus in Wickede. ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER