Von zänkischen Weibern, ewigen Bürgermeistern und netten Bösewichten

27. Juli 2017

SOEST. Dabei sein ist alles? Aber ja, auch wenn wir hier nicht über Sport, sondern über die "Soester Fehde" reden, genauer gesagt, über die Inszenierung des „Großen Sturms auf die Stadt von 1447“ – eine der größten Reenactment-Inszenierungen in Europa. Denn offensichtlich gilt die Aussage auch für die Akteure und Schauspieler des europäischen Mittelalterfestivals am kommenden Wochenende (28.- 30. Juli 2017) in Soest, an dem inzwischen über 900 Akteure aus zwölf Nationen teilnehmen.

Warum machen die das eigentlich und wie sind sie dazu gekommen? – Wir haben mal nachgefragt, zum Beispiel bei: Jutta Kutta (nein, k e i n  Künstlername!). Sie spielt beim Sturm ein „zänkisches Weib“, war schon bei der Fehde 2015 als „Waschweib“ dabei und hat nun das erste Mal eine Sprechrolle übernommen. Jutta Kutta kommt übrigens nicht aus Soest, sondern aus Fröndenberg, welches rund 40 Kilometer von Soest entfernt liegt. Also nicht gerade „um die Ecke“.

Auf die Frage, wie Sie denn in den „Sturm“ geraten ist, werden familiäre Einflüsse deutlich. „Mein Sohn war schon jahrelang Mitglied bei den Soester Mittelalterfreunden. Ich habe ihn immer zum Schwertkampftraining gebracht und so schon eine Menge von den Vorbereitungen und Proben mitbekommen.“

Als nächstes hatte sich ihr Mann mit dem Fehde-Virus infiziert und wurde ebenfalls Mitglied im Verein. „Tja, und dann habe ich auch mitgemacht. Inzwischen ist auch meine Schwiegertochter bei der Fehde aktiv, obwohl sie sich eigentlich nur mal ein Mittelaltergewand ausleihen wollte.“

So fängt das offensichtlich bei vielen Aktiven an: Spaß an der mittelalterlichen Gewandung, aber auch die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte.

Jutta Kutta „Das macht einfach irgendwie süchtig. Gut, dass ich gern selbst nähe.“

Inzwischen gibt’s übrigens sogar einen Nebenjob nur zur Finanzierung der Kostüme und weiterer historischer Accessoires.

Der "böse Kölner" ist der "Lieblingsfeind" der Soester

Es heißt ja immer, die bösen Charaktere wären schauspielerisch die größere Herausforderung und machten am meisten Spaß. Da hat Klaus Reising aus Soest ja Glück gehabt. Er spielt nämlich bereits zum zweiten Mal bei der Sturm-Inszenierung den Statthalter des Kölner Erzbischofs – nicht gerade eine kleine Sprechrolle. Vertritt also den politischen Gegner in der ersten Reihe.

2013 war er bereits bei der Theateraufführung "Meier Helmbrecht" als Ratsherr dabei.

Vom Ratsherrn zum Statthalter des Bischofs – keine schlechte Karriere also!

Bei den Schauspielkollegen gilt er als der „Lieblingsfeind“ der Soester. Wird daher auch gern privat augenzwinkernd als der „böse Kölner“ begrüßt.

Für Klaus Reising ist es ein riesiger Spaß zum Fehde-Team zu gehören. Er mag die Atmosphäre, den Zusammenhalt, das Miteinander der Akteure. „Es ist faszinierend mit dem historischen Gewand in ein anderes Leben schlüpfen zu können. Selbst mitzumachen bei so einer großen Veranstaltung ist schon ein tolles Gefühl.“

Immer mehr Soester verschreiben sich in der "Soester Fehde" der Stadtgeschichte

Er ist in Soest geboren, wohnt in Soest. Der Wall war als Kind sein Spielplatz. Den Eltern gehörte die alte Gaststätte „Zum Glockengießer“ ganz in der Nähe. Jetzt ist er Bürgermeister. Zumindest während der Fehde: Wilfried Heimann spielt den Soester Bürgermeister de Rohde.

Heimann ist bereits seit der ersten Fehde 2009 dabei, folgte einem Zeitungsaufruf für die Verteidiger der Stadt.

Prompt hatte er bereits 2011 die Nachfolge von Dr. Eckhard Ruthemeyer (dem amtierenden Soester Bürgermeister) angetreten, der bis dato seinen Vorgänger höchst selbst spielte.

Daher sein Credo, wen wundert’s „Einmal Fehde, immer Fehde. Ich freue mich zu sehen, dass es von Mal zu Mal mehr Fehde-Begeisterte gibt, die aktiv mitmachen. Vor allem immer mehr Soester haben sich ihrer eigenen Stadtgeschichte verschrieben.“

Auch Wilfried Heimann wird sein Alter Ego privat nicht los, schallt ihm doch oft genug auch im privaten Kreis „Hallo Bürgermeister“ entgegen. „Man lernt über die Jahre viele neue Leute kennen, auch aus anderen Nationen, Freundschaften werden geschlossen.“

Aus jedem Fehdejahr erinnert sich Wilfried Heimann an Anekdoten und besondere Ereignisse, die für ihn zusätzlich das tolle Flair der Veranstaltung ausmachen. „Man muss übrigens nicht unbedingt Vereinsmitglied werden. Man darf auch nur Schauspieler sein.“

Zehnjährige findet Kriegsspiel toll

Alva Schubert wohnt eigentlich in Berlin und ist die Tochter von Sturm-Regisseur Kai Schubert. Mit ihren 10 Jahren ist sie die jüngste Schauspielerin, aber auch schon zum zweiten Mal dabei. Diesmal allerdings mit einer Sprechrolle als Enkeltochter. Alva macht Theaterspielen viel Spaß, schließlich ist sie auch zuhause schon im Theaterkurs ihrer Schule aktiv. „Cool“ findet Alva die Theaterinszenierung und den Sturm an der Soester Wallanlage.

Der „Sturm auf die Stadt“ findet an folgenden Terminen am Wall statt:
Freitag, 28. Juli 2017., 19.00 Uhr
Samstag, 29. Juli 2017, 17.00 Uhr
Sonntag, 30. Juli 2017, 15.00 Uhr

Und noch ein Tipp: Außer bei den drei Sturm-Inszenierungen kann man die vier Schauspieler und rund 1.000 weitere Teilnehmer am Samstag um 14 Uhr beim festlichen Einzug des Herzogs von Kleve in die historische Altstadt bewundern. 

Weitere Infos zum Sturm, zum Festumzug und zur gesamten Veranstaltung: www.soesterfehde.de

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ARCHIVFOTO:ANDREAS DUNKER
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