Nur wer die Gefahr erkennt, kann diese auch bannen …

18. März 2018

WICKEDE (RUHR). Ist die Existenz der Sekundarschule Wickede (Ruhr) gefährdet? Ist die Bildungseinrichtung im Hövel eventuell von der Schließung bedroht, wenn sich die Zahl der Neu-Anmeldungen für die fünften Jahrgänge in Zukunft nicht merklich steigert? Bislang verneinten sowohl Schulleiter Peter Zarnitz als auch Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) als Vertreter des Schulträgers dies. – Die aktuellen Zahlen der Neu-Anmeldungen für den fünften Jahrgang 2018/2019 geben jedoch eine ganz andere Antwort: Ja, der Fortbestand der weiterführenden Schule vor Ort ist eindeutig in Gefahr, wenn sich der Negativ-Trend so weiter fortsetzt.

Denn die Wickeder Schule ist seit 2016 alljährlich auf eine Ausnahmegenehmigung durch die Bezirksregierung Arnsberg als zuständiger Aufsichtsbehörde angewiesen, da sie es nicht schafft, genügend Kinder für drei Parallelklassen mit normal 25 (mindestens jedoch 20) Schülern innerhalb des fünften Jahrgangs anzuwerben. Statt mindestens 60 bis normal gewünschten 75 Fünftklässlern sind es für das kommende Schuljahr nur 32 (!).

Dramatisches Allzeit-Tief bei der Zahl der Neu-Anmeldungen

Dies ist ein dramatisches Allzeit-Tief, womit die Kommune weit von der notwendigen Schülerzahl für die eigentlich gesetzlich vorgeschriebene Dreizügigkeit entfernt bleibt. – Nur noch einige Schüler weniger und eine einzige Klasse würde für den Unterricht im kommenden fünften Schuljahr genügen.

Pädagogisches Fundament der Sekundarschule wird erschüttert

Weit weg rückt da die immer wieder propagierte Idee der Differenzierung nach Neigungen und Fähigkeiten einzelner Schüler, die ja eigentlich das pädagogische Fundament für die Sekundarschule darstellt. Denn um genügend Kurse mit unterschiedlichem Leistungsniveau in der „Schule des längeren gemeinsamen Lernens“ zu bilden, reicht schlicht die Anzahl der Schüler nicht aus. – Dieser qualitativ differenzierte Unterricht ist auf Grund der mangelnden Quantität so gar nicht möglich.

Kommune will sich nun um Ursachen-Forschung kümmern

Hoffnung trotz der jüngsten Negativ-Nachricht macht, dass die Kommune jetzt vor dem Desaster offenbar nicht mehr die Augen verschließt und sich verstärkt um eine Ursachen-Forschung kümmern will. Und genau dies schuldet sie den Bürgern auch. Denn immerhin wurden rund acht (!) Millionen Euro Steuergelder in den Um- und Neubau des Schulzentrums investiert.

Und weiteres Geld soll noch in diesem Jahr für die Sanierung von Schulhof und Grünanlagen ausgegeben werden. Hinzu kommen die geplanten Fassaden-Sanierungen an den Altbauten. Außerdem soll die Hard- und Software-Ausstattung der Sekundarschule erweitert und modernisiert werden.

Schulleitung und Lehrer müssen auch ihr Angebot und ihr Handeln hinterfragen

Doch die bauliche und technische Infrastruktur scheint nicht das Problem der kommunalen Sekundarschule zu sein. Viele kritische Eltern und auch einige Schüler bemängeln eher das pädagogische Konzept und die mangelhafte Kommunikation der Schulleitung.

Außerdem fordern sie, dass sich die Lehrer um mehr Disziplin im Unterricht bemühen müssten, um ein entsprechend ruhiges Lernumfeld für die Kinder zu schaffen. Einzelne Störenfriede würden dieses immer wieder untergraben und nicht entsprechend von den verantwortlichen Pädagogen zur Räson gerufen.

Ruf der Bildungseinrichtung ist nicht der Beste

Ob die Freiheiten des „Selbstgesteuerten Lernens“ (SegeL) in jedem Fall besser als der frühere „Frontal-Unterricht“ sind, ziehen auch manche Beobachter in Zweifel.

Hinzu kommen Beschwerden über häufig wechselnde Lehrer und ausfallenden Unterricht in bestimmten Fächern.

Ob diese Kritik eher subjektiv ist oder eventuell auch einer objektiven Prüfung standhalten würde, scheint sekundär. Fakt ist, dass der Ruf der Wickeder Sekundarschule darunter leidet.

Zufriedenheit der Nutzer bestimmt wesentlich die Quote der Neu-Anmeldungen

Es hilft nicht, wenn Schulleitung und -träger darüber klagen, dass nicht genügend Eltern ihre Kinder zur Sekundarschule vor Ort schicken. Vielmehr müssen die Lehrer ein gutes pädagogisches Bildungsangebot schaffen, welches für Kinder und Eltern attraktiv ist. Denn die Zufriedenheit der Nutzer und eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda wird die Quote der künftigen Neu-Anmeldungen bestimmen.

Inklusion, Integration und viele andere Herausforderungen

Wenn dies auf Grund des bildungspolitischen Konzeptes der Sekundarschule mit Inklusion, Integration und vielen anderen Herausforderungen nicht möglich ist, müssen sich Kommunalverwaltung und -politik schließlich überlegen, ob eine andere Schulform sinnvoller ist und ob eine interkommunale Kooperation innerhalb des Raumes Werl, Wickede (Ruhr) und Ense möglich scheint – inklusive der notwendigen Busverbindungen.

Der kürzlich geschlossene Kooperationsvertrag mit der Sälzer-Sekundarschule in Werl jedenfalls war nicht sehr hilfreich. Sogar Wickeder Ratsmitglieder bezeichneten dieses Dokument in Hintergrundgesprächen mit unserer Redaktion als „Scheinvertrag“.

Entwicklung pragmatischer Konzepte für die Schullandschaft in Wickede

Deshalb gilt es gerade jetzt Ursachen-Forschung zu betreiben sowie zukunftsfähige und pragmatische Konzepte für die Schullandschaft in Wickede zu entwickeln und dabei die Bildungsangebote von Nachbarstädten nicht außer acht zu lassen. Denn damit kooperiert und konkurriert Wickede gleichermaßen.

Mit Kritikern und Unzufriedenen ins Gespräch kommen

Um eine Lösung des Problems zu erzielen, müssen die Verantwortlichen aus Schule, Verwaltung und Politik vor allem mit den Kritikern und Unzufriedenen ins Gespräch kommen und deren Argumente ernst nehmen.

Und auch Schulleitung und Lehrerkollegium müssen sich selbstkritisch hinterfragen, ob es vielleicht interne Probleme in der Wickeder Sekundarschule gibt, die man lösen muss. Diese unter den Teppich zu kehren, wäre der falsche Weg.

Selbstbild und Außenwahrnehmung der Sekundarschule Wickede (Ruhr)

Denn offenbar ist das Selbstbild der Sekundarschule ein ganz anderes als das Bild der Schule in der Außenwahrnehmung. Sonst hätten sich nicht so viele Wickeder Eltern in diesem und den Vorjahren gegen die lokale Sekundarschule und für eine andere weiterführende Schule außerorts entschieden.

An der baulichen Infrastruktur und Ausstattung kann es jedenfalls nicht liegen. Die ist dank kommunaler Investitionen von rund acht Millionen Euro auf dem modernsten Stand!

Gesellschaftliche und systembedingte Probleme

Fakt ist allerdings auch, dass es gesellschaftliche und systembedingte Probleme der Sekundarschulen allgemein gibt, die man vor Ort nicht beeinflussen kann. Dazu zählen beispielsweise die Schließungen von Förder- und Hauptschulen sowie immer mehr verhaltensauffällige und -gestörte Kinder auf Grund von schwierigen Situationen in den Elternhäusern. Daran können Schulträger und Pädagogen mit noch so viel gutem Willen nichts ändern.

Ergebnisoffene Überlegungen zur Zukunft des Schulstandortes

Der Erhalt einer weiterführenden Schule vor Ort für die Zukunft ist allemal eine enorme Herausforderung. Dabei müssen die Überlegungen ergebnisoffen angegangen werden.

Die Schuldigen für die Misere bei Kritikern aus Elternschaft und Medien zu suchen, wäre jedenfalls falsch. Denn wenn diese den Finger manchmal schmerzhaft in die Wunde legen, müssen ja auf jeden Fall wunde Stellen vorhanden sein.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"