„Den, den wir brauchen, der kommt nicht!“ seufzte Richterin Patricia Suttrop

3. Mai 2018

WICKEDE / WERL. Erhebliche Schmerzen und eine Operation in der Universitätsklinik Münster waren die Folgen eines Saufgelages am Abend des 27. Mai 2017 an der Ruhr. Denn während rund um ein privates Lagerfeuer in Höhe des Anglerheims anfangs noch eine entspannte Stimmung herrschte, kam es nach dem offenbar reichlichen Konsum von Bier und Wodka erst zu einem verbalen Streit und schließlich zu einer brutalen Schlägerei zwischen zwei jungen Männern aus Wickede.

Dabei verletzte ein 26-jähriger Auszubildender seinen gleichaltrigen Freund, der als Maschinenanlagenführer arbeitet, mit einem einzigen Faustschlag so schwer, dass dieser nicht nur ein geschwollenes linkes Auge sondern auch einen Riss in der knöchernen Augenhöhle dahinter erlitt.

Gegen einen Strafbefehl vom 8. Januar 2018 hatte der vermeintliche Straftäter rechtzeitig Widerspruch eingelegt und stand deshalb am heutigen Donnerstag (3. Mai 2018) im Rahmen einer Hauptverhandlung als Angeklagter wegen Körperverletzung vor dem Amtsgericht in Werl.

Trinkbecher aus Plastik in das brennende Lagerfeuer geworfen

Zu der verbalen und körperlichen Auseinandersetzung war es gekommen, nachdem der Geschädigte und als Nebenkläger auftretende Wickeder seinen Freund zuvor heftig provoziert hatte. Offenbar hatte er einen Trinkbecher aus Plastik in das brennende Lagerfeuer geworfen. Sein Freund ermahnte ihn deshalb eindringlich: „Lass den Scheiß! Das stinkt und qualmt! Sonst schmeiß ich dich in die Ruhr …“

Doch der alkoholisierte Wickeder gab keine Ruhe und warf mindestens noch ein weiteres Kunststoffteil in die Flammen. Daraufhin kam es zu einem Gerangel zwischen den alkoholisierten Männern.

Erst Kopftritt und dann Faustschlag?

Wie der Angeklagte heute vor Gericht berichtete, habe er den Geschädigten auf Grund seiner massiveren Statur schließlich zu Boden gebracht und sich dann seitlich auf ihn drauf gekniet und fixiert, um ihn von Schlägen gegen sich abzuhalten.

Daraufhin habe sein Widersacher plötzlich gegen seinen Kopf getreten und er habe nur noch „schwarz gesehen“. Dieser Tritt mit dem Fuß sei erfolgt, obwohl der Provokateur gewusst habe, dass er zuvor bereits eine schwere Kopfverletzung gehabt habe und ein entsprechender Tritt für ihn bedrohlich sei. (Die lange Narbe durch die Haare war vor Gericht offensichtlich.)

Quasi in „Notwehr“ habe sein Mandant sich daraufhin mit dem kräftigen Faustschlag gewehrt, meinte der Strafverteidiger des Beschuldigten. Dass sein Schlag unglücklicherweise voll auf das Auge seines damaligen Freundes gegangen sei, habe er nicht gewollt, so der Angeklagte.

Opfer konnte sich an wesentliche Details nicht mehr erinnern

Im Zeugenstand bestätigte das Opfer später die Darstellungen des Angeklagten weitestgehend, konnte sich aber an genaue Details der körperlichen Auseinandersetzung nicht mehr erinnern.

Der 26-jährige Maschinenanlagenführer schilderte, dass er sich nach der Schlägerei noch von einem Bekannten hätte nach Hause fahren lassen und sich dann schlafen gelegt habe. Am nächsten Tag habe er ein „Feilchen“ und ein Tennisball großes geschwollenes Auge gehabt. Seine Mutter habe ihn daraufhin ins Werler Krankenhaus zur Untersuchung geschickt. Per Computertomografie hätte man schließlich den Riss in der knöchernen Augenhöhle entdeckt und es sei zu der Operation in der Universitätsklinik in Münster gekommen, bei der die Ärzte ihm ein Netz und eine Titanplatte eingesetzt hätten. Seine Sehkraft sei durch die Verletzung nicht nachhaltig beeinträchtigt. Weitere Folgeschäden im Alter seinen nicht auszuschließen.

Rausch aus Bank ausgeschlafen und dann in Ruhr gestürzt

Ein weiterer Zeuge konnte nichts konkretes zum Vorfall sagen. Er erinnerte sich nur, dass er seinen Rausch auf einer Bank ausschlafen wollte und durch den Streit wach geworden sei. Dann sei er in die Ruhr gestürzt. – Ein vierter Mann soll ihm dann wieder aus dem Fluß geholfen haben, während daneben die Prügelei stattfand.

Dieser weitere geladene Zeuge, der vielleicht noch Wesentliches zur Klärung des Sachverhaltes hätte beitragen können, war aber am heutigen Donnerstag trotz Ladung nicht vor Gericht erschienen. – „Den, den wir brauchen, der kommt nicht!“ seufzte denn auch Richterin Patricia Suttrop.

Strafverteidiger setzt offenbar auf Freispruch seines Mandanten

Eine avisierte mögliche Einstellung des Verfahrens verweigerten der Angeklagte und sein Verteidiger. Sie erwarten offenbar einen Freispruch, da es sich bei dem Faustschlag um eine „Notwehr“ gehandelt haben soll.

Die Hauptverhandlung wurde auf Grund des fehlenden Zeugens deshalb ausgesetzt. Ein Anschlusstermin wird vom Gericht noch festgesetzt.

Unentschuldigt fehlender Zeuge muss Ordnungsgeld zahlen

Für sein unentschuldigtes Fehlen bei der Verhandlung wurde der Zeuge, der inzwischen in die Nähe von Frankfurt verzogen sein soll, mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro oder ersatzweise vier Tagen Ordnungshaft belegt.

Ob auf Grund des Alkoholkonsums der Zeugen und der Erinnerungslücken bei dem Geschädigten noch Licht ins Dunkel der Tatnacht kommt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat der 26-jährige Maschinenanlagenführer aus Wickede seine Provokationen mit dem mehrfachen Verbrennen von Plastikmüll mit seiner eigenen Gesundheit bezahlt.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Das Amtsgericht in Werl ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Das Amtsgericht in Werl ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER