LEADER hat der Gemeinde bislang nur Kosten verursacht

15. November 2018

WICKEDE (RUHR). Die Gemeinde Wickede (Ruhr) hat bereits 20.000 Euro für den „Overhead“ des regionalen LEADER-Projektes bezahlt und noch keinen Cent aus dem Förderprogramm für den regionalen Raum erhalten. Dies bestätigte Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) am heutigen Mittwoch (14. November 2018) auf Anfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“. Seit dem Jahre 2015 zahle die Kommune jährlich 5.000 Euro für den LEADER-Verwaltungsapparat, so Michalzik, ohne bislang überhaupt finanziell davon profitiert zu haben.

Dabei stehen im Rahmen von LEADER innerhalb von sieben Jahren insgesamt zirka 2,7 Millionen Euro an europäischen Fördergeldern für die fünf beteiligten Kommunen Ense, Fröndenberg/Ruhr, Welver, Werl und Wickede (Ruhr) zum Abruf bereit.

Neben den Mitteln zur Umsetzung von Projekten zur Stärkung des ländlichen Raumes dient ein Teil des Geldes dabei allerdings auch der Finanzierung des sogenannten Regionalmanagements, welches aktuell 1,5 Arbeitsstellen umfasst und bis zum Jahre 2023 im Dienst ist.

Nur bei gemeinnützigen Institutionen werden 65 Prozent der Kosten von LEADER-Projekten gefördert 

Auf den ersten Blick scheint LEADER vor allem für gemeinnützige Vereine, Verbände und Einrichtungen ein lukratives Angebot zu sein, denn diese erhalten immerhin 65 (!) Prozent der Kosten von ihren beantragten und genehmigten Projekten ersetzt.

Öffentliche Träger werden mit 60 Prozent sowie Privatleute und Wirtschaftsunternehmen mit 30 Prozent gefördert. Dabei ist es in der Realität allerdings wohl so, dass gerade letztere eher den Staat oder die Kommunen mit den 70 Prozent ihrer Eigenmittel fördern und nicht umgekehrt, denn an den finanziellen Zuschuss durch die öffentliche Hand sind zahlreiche Vorgaben geknüpft, die eher einen Gewinn für die Allgemeinheit bringen.

Projekt-Anträge scheitern häufig an bürokratischen Hürden und fehlendem Interesse der Entscheider

Wer sich als Privatmann, Institution, Unternehmen oder nicht gemeinnütziger Verein trotz der erheblichen Eigenanteile aber aus idealistischen Gründen fürs Gemeinwohl im Rahmen von LEADER engagieren möchte, scheitert allerdings vielfach an dem bürokratischen Aufwand bei der Beantragung oder dem fehlenden Interesse der Entscheider an bestimmten Projekt-Ideen.

Hinzu kommt noch, dass die Maßnahmen mindestens Kosten in Höhe von 4.000 (!) Euro verursachen müssen, um nicht unter die Bagatellgrenze zu fallen. Viele kleinere sinnvolle Projekte fallen damit ohnehin direkt durchs Raster.

Viele Projekte vollmundig angekündigt, die schließlich doch scheiterten

So zogen die evangelische und katholische Kirchengemeinde in Wickede ihr Gemeinschaftsprojekt eines ökumenischen Meditationsweges nach langem hin und her verärgert zurück und realisierten es bald darauf zügig mit eigenen Mitteln.

Auch das „FarbBad“ mit Graffiti-Kunst am Freibad sowie der Bau eines hölzernen Unterstandes für Jugendliche und Wanderer an der Ruhr in Wickede scheiterten als LEADER-Projekte und wurden schließlich anderweitig umgesetzt, nachdem sie erst medial groß als LEADER-Projekte propagiert worden waren.

Schnell wieder verworfen wurde auch die ebenfalls bereits öffentlich gemachte Idee der Schaffung von besseren Flußzugängen für Kanufahrer am Ruhrufer.

Gleich im Ansatz abgeschmettert wurde auch die Idee der Erstellung einer Online-Bilddatenbank mit historischen Fotoaufnahmen aus Wickede (Ruhr) sowie ein „Medialer Marktplatz“ in Form einer regionalen Online-Plattform, die beispielsweise einen Veranstaltungskalender mit Terminen von Einrichtungen, Vereinen und Verbänden umfassen sollte und ein breites bürgerschaftliches Kommunikationsangebot außerhalb sozialer Netzwerke hätte bieten können. – Dabei fehlte offenbar der politische Wille zur Unterstützung solcher digitaler Angebote möglicher Projektträger.

„Ruhrleuchten“ ist kein Leuchtturmprojekt im LEADER-Sinne

Das aktuell einzige konkrete lokale LEADER-Projekt für Wickede ist kein praktisches Projekt sondern eine knapp 14.000 (!) Euro teure theoretische „Machbarkeitsstudie“ für die abendliche Beleuchtung von zwei oder drei Wasserstauwehr-Anlagen im Bereich der Ruhr.

Und bei dieser horrenden Summe geht es erst einmal hauptsächlich nur um die Planung und Probebeleuchtung der Bauwerke im Rahmen des „Ruhrleuchten“ genannten Projektes.

Die finanziell klamme Kommune Wickede (Ruhr) hat dabei bereits rund 5.000 Euro in der Planungsphase des Luxusprojektes zu tragen.

Wie viel Geld die tatsächliche Realisierung des Projektes sowie der jährliche Energieverbrauch nebst den sicherlich nicht ganz günstigen Wartungs- und Reparaturarbeiten jährlich kosten könnten, ist derzeit noch völlig offen. Diese werden dann auch nicht mehr von LEADER unterstützt, sondern sind von der Gemeinde Wickede (Ruhr) alleine zu tragen. – Selbst ein absoluter Laie kann sich dabei leicht ausrechnen, dass Outdoor-Lichtinstallationen mit elektrischem Strom im Bereich eines Fließgewässers wie der Ruhr sicherlich nicht kostengünstig sind.

Und bei der Berechnung der weiteren Folgekosten darf man neben den hier besonders starken Witterungseinflüssen sicherlich auch mögliche Vandalismusschäden nicht ganz außer Acht lassen.

Hinter dem Projekt „Ruhrleuchten“ steht übrigens als Initiator Dr. Martin Michalzik (CDU), der in Personalunion Bürgermeister der Gemeinde Wickede (Ruhr) und Vorsitzender des Vereins „LEADER-Region Börde trifft Ruhr e.V.“ sowie Sprecher der „Lokalen Aktionsgruppe“ (LAG) ist, deren Mitglieder er offenbar teilweise auch beruft.

So ist es nicht verwunderlich, dass dieses Projekt die bisherigen Hürden zur LEADER-Förderung in Höhe von knapp 9.000 Euro bereits genommen hat, während andere Vorschläge schon im Vorfeld gescheitert sind.

Die Notwendigkeit der nächtlichen Beleuchtung der Bauwerke an der Ruhr erschließt sich dabei nicht jedem, zumal die Kommune sicherlich wichtigere Aufgaben wie etwa die dringend notwendige Modernisierung von Kindergärten und Grundschulen sowie die Sanierung von gemeindeeigenen Straßen und Wegen mit Steuermitteln zu finanzieren hätte.

Ob also gerade das „Ruhrleuchten“ die richtige regionale Entwicklungsstrategie zur Erhaltung der Lebensqualität im ländlichen Raum ist, darf deshalb doch arg bezweifelt werden.

Zumal „LEADER“ (Liaison entre actions de développement de l´économie rurale) übersetzt so viel bedeutet wie: „Verbindung von Aktionen zur Entwicklung der Wirtschaft im ländlichen Raum“. Was die nutzlose Beleuchtung von Bauwerken damit zu tun hat, bleibt sehr fraglich.

Jedenfalls scheint die vermeintliche „Inwertsetzung“ (O-Ton Michalzik) der Stauwehre eher eine Vernichtung von geldwerten Steuermitteln und ein Kapitel für das „Schwarzbuch“ des Bundes der Steuerzahler zu werden.

Weitere überörtliche LEADER-Projekte von denen Wickede (Ruhr) profitieren soll

Wesentlich sinnvoller scheint da schon das regionale LEADER-Projekt „Rollende Waldschule“ der Kreisjägerschaft Soest zu sein. Dabei handelt es sich um ein rund 34.000 Euro teures Informationsmobil zur heimischen Flora und Fauna, welches den Nutzern den Lernort Natur näher bringen will. – Bis auf die Stadt Fröndenberg im Kreis Unna sollen alle LEADER-Kommunen von „Börde trifft Ruhr“ davon einen Nutzen ziehen.

Eher theoretischer Natur ist dagegen leider das Projekt „Bewegungsoffensive 2020“, welches auch nur die zum Kreis Soest gehörigen vier Kommunen betrifft. Denn bei der Initiative des Kreisportbundes soll es um Untersuchungen zu Sporttrends und Bedarfsanalysen von Bürgern im heimischen Raum gehen.

Ebenfalls erst einmal Theorie bleibt auch ein Radweg durch die künstlich von der Politik geschaffene LEADER-Region „Börde trifft Ruhr“, sprich Ense, Fröndenberg, Welver, Werl und Wickede (Ruhr). Denn auch dabei ist erst einmal nur ein planerisches Konzept angedacht.

Damit LEADER (Liaison entre actions de développement de l´économie rurale) nicht so bürokratisch klingt, soll es in Kürze noch 12.000 Euro teure Songwriting-Workshops mit Jugendlichen geben, die ein selbst getextetes und gesungenes regionales Lied über die LEADER-Region als Musikvideo produzieren sollen. – Bleibt abzuwarten, was aus der Aktion „Jugend eine Stimme geben“ wird.

Lobeshymne auf Leistungen von LEADER wäre momentan noch verfrüht

Eine Lobeshymne auf die Leistungen von LEADER wäre mit Blick auf den mangelnden Nutzen und die hohen Kosten für die Gemeinde Wickede (Ruhr) jedenfalls momentan noch verfrüht. Denn viele im Jahre 2014 begeistert an der Bewerbung für das europäische Förderprogramm LEADER mitwirkende Bürger sind inzwischen davon enttäuscht und frustriert.

Aber bis zum Jahresende 2020 werden ja noch Förderanträge zu innovativen und nachhaltigen Projekten aus den Bereichen Soziales, Kultur, Tourismus oder Wirtschaft angenommen und vielleicht nicht durch die Bürokratie blockiert oder durch die verantwortlichen Entscheider abgelehnt. Ihre Umsetzung müsste dann bis spätestens Ende 2022 erfolgen.

Alle Bürger, Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen sind jedenfalls weiterhin eingeladen ihre Ideen in den Prozess einzubringen und die Region so mitzugestalten. Das Motto dabei lautet: „Zusammen Heimat Zukunft geben“.

Der heimische LEADER-Initiator und örtliche Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) erklärte gegenüber „wickede.ruhr HEIMAT  ONLINE“ am heutigen Mittwoch (14. November 2018): „Regionalentwicklung kann man nicht nur lokal nach eigenem Nutzen und Kosten berechnen.“ Und weiter: „Die Effekte der Förderperiode kann man nur am Ende bewerten.“

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Der Wickeder Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) eröffnete kürzlich zusammen mit Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke (SPD) und Ursula Heinen-Esser (CDU) als Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz die Ausstellung "LEADER und VITAL.NRW" im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf. FOTO: LANDTAG NRW
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