Nicht vom Unfallort geflohen und doch ein Bußgeld wegen Fahrerflucht bekommen

22. November 2018

WICKEDE / WERL. Wegen vermeintlicher Fahrerflucht, sprich: unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, muss ein 77-jähriger Taxi-Chauffeur jetzt eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro bezahlen. – Wenn er die Summe fristgerecht begleiche, werde das Strafverfahren gegen ihn komplett eingestellt, urteilte Richterin Patricia Suttrop vom Amtsgericht Werl am heutigen Donnerstag (22. November 2018). – Dabei hatte sich der Unfallverursacher gar nicht vom Unfallort entfernt, sondern die geschädigte Besitzerin eines an der Bushaltestelle an der Ludgerusstraße geparkten Autos sogar in der benachbarten Sekundarschule der Gemeinde Wickede (Ruhr) ausfindig gemacht und zusammen mit ihr das von ihm touchierte Fahrzeug inspiziert. Doch offenbar an der falschen Stelle. Denn während der Unfallverursacher zusammen mit der Geschädigten im hinteren Bereich des roten Minis nach einem vermuteten Schaden suchte, stellte sich am Folgetag heraus, dass dieser wohl auf der vorderen Fahrerseite verursacht worden war.

Was war geschehen? Nachdem der Fahrer am 1. Juni 2018 in der Schillerstraße einen Dialyse-Patienten abgesetzt hatte, setzte er mit seinem Großraumtaxi zurück in die Ludgerusstraße. Dabei übersah er offenbar den roten Mini, der an der Schulbushaltestelle abgestellt war. Da der 77-jährige Wickeder die Kollision mit dem anderen Fahrzeug bemerkte und die Besitzerin in der benachbarten Sekundarschule vermutete, betrat er die Bildungseinrichtung und machte die Geschädigte schnell ausfindig. Die 68-jährige Wickederin untersuchte daraufhin gemeinsam mit ihm ihren touchierten Pkw im hinteren Bereich, da der Verursacher dort einen möglichen Schaden vermutete. Doch beide entdeckten keine Macke und fuhren schließlich davon. Denn es schien ja alles in Ordnung zu sein.

Auf der Heimfahrt wurde der Seniorin über eine Kontrollanzeige in ihrem Pkw dann angezeigt, dass ein Leuchtmittel an ihrem Fahrzeug defekt sei. Und erst am darauf folgenden Tag bemerkte sie an ihrem zwischenzeitlich in einer Garage abgestellten Auto die Unfallschäden. Neben dem zerstörten Leuchtmittel vorne links am Pkw entdeckte sie dabei auch noch weitere Schäden an Stoßstange und Motorhaube.

Gemeinsam mit ihrem Sohn fuhr sie zum Firmenparkplatz des Taxi-Unternehmens, wo die Familie schließlich rote Lackspuren an einem der Personentransporter feststellte und fotografisch festhielt.

Den Vorfall gab die Frau danach bei der Polizei in Werl zu Protokoll. Die Arnsberger Staatsanwaltschaft erstattete schließlich Strafantrag gegen den Taxi-Chauffeur, da diese scheinbar davon ausging, dass der Unfallverursacher die Geschädigte bewusst nicht auf den tatsächlichen Sachschaden im Gesamtwert von rund 2.300 Euro hingewiesen habe, der inzwischen allerdings von der Versicherung des Taxi-Unternehmens beglichen wurde.

Vor Gericht entschuldigte sich der Taxi-Fahrer zudem bei der Geschädigten für die Kollision mit ihrem Auto und die nachfolgenden Unannehmlichkeiten.

Warum er trotz der Information an die Geschädigte und der gemeinsamen Begutachtung des touchierten Autos eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro bezahlen muss, war für einige Prozess-Zuschauer allerdings unverständlich. Auch wenn Richterin Patricia Suttrop dem Angeklagten vorhielt, dass es kürzlich schon einmal ein eingestelltes Verfahren wegen einer vermeintlichen Unfallflucht in Werl gegen den Angeklagten gegeben habe.

Offensichtlich scheint es jedoch ratsam zu sein, auch bei Kollisionen mit reinen Sachschäden auf jeden Fall die Polizei zur Begutachtung zu Hilfe zu rufen.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

Das Amtsgericht in Werl ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Das Amtsgericht in Werl ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER