17. Mai 2019
WICKEDE (RUHR). Die „gute Stube“ der Gemeinde scheint in einem viel schlechteren Zustand zu sein, als bislang öffentlich bekannt war. – Während Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) noch Anfang diesen Jahres in einem Exklusiv-Interview mit unserem lokalen Nachrichten-Portal „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ erklärt hatte: „Daher trete ich dem Begriff ,marodes Bürgerhaus‘ entgegen. (…) Wir sehen aber Modernisierungsbedarf.“, gibt es jetzt ganz andere Informationen. Denn bei einem nicht-öffentlichen Treffen von Kommunalpolitikern, Verwaltungsmitarbeitern und einigen speziell ausgewählten Vertretern von Vereinen mit den Architekten Carsten Rinsdorf und Henrike Aulig aus Lippstadt, wurde am vergangenen Mittwoch (15. Mai 2019) deutlich, an welchen Stellen des kommunalen Veranstaltungszentrums in der Ortsmitte es überall erheblichen Sanierungsbedarf gibt. – Die Gesamtkosten für eine notwendige Instandsetzung und angedachte Modernisierung schätzen Insider im Millionen-Bereich.
Aus CDU-Kreisen soll die Gemeindeverwaltung deshalb sogar aufgefordert worden sein die Differenz zwischen den Kosten für Reparaturen und Erneuerungen des Bestandsgebäudes sowie einem möglichen Abriss und Neubau zu berechnen.
„An vielen Stellen besteht am und im Bürgerhaus echter Handlungsbedarf.“
Nach den bisherigen Äußerungen von Bürgermeister Dr. Martin Michalzik verwundern diese Gedankenspiele nun sicherlich. Allerdings teilte er am heutigen Freitag (17. Mai 2019) auch auf der kommunalen Homepage selbst mit: „An vielen Stellen besteht am und im Bürgerhaus echter Handlungsbedarf.“
Bürgerhaus: „Billig-Bauweise aus Beton, die nicht werthaltig ist“
Aus Sicht mehrerer fachkundiger Insider soll die Überlegung bezüglich eines Neubaus gar nicht so abwegig und wirtschaftlich angeraten sein.
Denn beim mehr als 40
Jahre alten Bürgerhaus handele es sich „um eine Billig-Bauweise aus Beton, die
nicht werthaltig ist“, meinte einer der Experten im Hintergrundgespräch mit „wickede.ruhr
HEIMAT ONLINE“. Im Rahmen der Ortskernsanierung hätten sich die damals
Verantwortlichen der Gemeinde den konstruktiv schlechten Neubau von der vor Ort
eingesetzten Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) als Ersatzbau für die alte
Wickeder Schützenhalle „aufschwatzen“ lassen. Die „Lebensdauer“ des Gebäudes
laufe daher schneller ab als die eines teureren und qualitativ hochwertigeren
Bauwerkes.
Die künftige Unterhaltung des Bürgerhauses sei mit
erheblichen Kosten-Risiken verbunden.
Zudem müsse die Gemeinde als Eigentümer und Vermieter der Mehrzweckhalle die gestiegenen Ansprüche der heutigen Nutzer bei ihren Überlegungen mit berücksichtigen.
Das Gedankenspiel bezüglich eines Neubaus im kommenden Jahrzehnt erachtete der Bau-Experte deshalb als sinnvoll.
Mit dem Lippstädter Architekten Carsten Rinsdorf habe die Kommune dabei einen fachlich guten Berater und Entwurfsplaner an ihrer Seite, so die Meinung.
Rinsdorf ist in Wickede kein Unbekannter, denn als damals noch angestellter Mitarbeiter des Planungsbüros „Passgang - Sprengkamp und Partner“ in Lippstadt war er bereits in Um- und Neubau der kommunalen Sekundarschule im Hövel involviert. – Ihn träfe dabei allerdings nicht die Schuld für die enormen Mehrkosten der Baumaßnahme, hieß es dazu am heutigen Freitag (19. Mai 2019) aus dem Rathaus.
Bauliche Mängel an vielen Stellen der kommunalen Mehrzweckhalle
Akute Probleme gibt es im Bürgerhaus derzeit bei Dach und Festern. Selbst erneuerte Elemente sollen auf Grund einer nicht fachgerechten Montage vor einigen Jahren angeblich schon wieder undicht sein.
In die Jahre gekommen und nicht mehr zeitgemäß sind auch die großen Heizungs- und Lüftungsanlagen, deren zentrale Technik im Untergeschoss installiert ist. – Bei hochsommerlichen Temperaturen fehle eine vorgeschaltete Kühlung bei der Lüftung und an windigen Tagen zöge es kalt durch die undichten Fenster, wissen die Gäste des Hauses.
Aufgrund der innenliegenden Entwässerungsleitungen des Daches käme es bei Regen immer wieder dazu, dass Wasser von Decke und Fenstern tropfe.
„Der große Stromausfall zu Silvester machte in jüngster Zeit technische Sorgen deutlich“, so die Gemeindeverwaltung in einer Mitteilung.
Hinzu kommen ein enormer Energie-Verbrauch für Heizung und Licht und eine mangelnde Barrierefreiheit für Behinderte. So ist das in das kommunale Veranstaltungszentrum integrierte Restaurant „Bürgerstuben“ für Gehbehinderte nur über einen Umweg zu erreichen und verfügt selbst auch über keine Behinderten-Toilette.
Sanierung und Modernisierung oder Abriss und Neubau?
Ob das ortsbildprägende Bürgerhaus in der Ortsmitte
umfangreich saniert und modernisiert werden soll oder ob ein Neubau wirtschaftlich
sinnvoller erscheint, will die Gemeinde Wickede (Ruhr) in den nächsten Jahren
nun mit Unterstützung des Lippstädter Architektur-Büros klären.
Im Juli diesen Jahres sollen schon mal finanzielle Förderchancen für das Gesamtprojekt oder zumindest Teile davon auf überörtlicher Ebene ausgelotet werden.
Bis September 2019 sollen die Planungen dann hoffentlich soweit gediehen sein, dass entsprechende Mittel im Entwurf für den Gemeindehaushalt 2020 sowie die Finanzvorschau für 2021 eingeplant werden können.
Vertreter ausgewählter Vereine nahmen an nichtöffentlichem Treffen teil
Neben den Vertretern der Gemeinde nahmen übrigens auch Mitglieder von Arbeiterwohlfahrt (AWO), Katholischer Frauengemeinschaft (KFD), Kolpingfamilie und Schützenbruderschaft an der exklusiven Informationsveranstaltung hinter verschlossenen Türen teil. Diese nutzen das kommunale Veranstaltungszentrum häufig.
Fachbereichsleiter
Markus Kleindopp und Stephan Magnus als zuständiger Sachbearbeiter für
Gebäudemanagement im Rathaus übernahmen zusammen mit Bürgermeister Dr. Martin
Michalzik (CDU) und den Fachleuten des Lippstädter Architektur-Büros die zirka
einstündige Führung durchs Bürgerhaus und die Informationen zu dem anstehenden
Großprojekt der Gemeinde.
Dabei machte die Kommune bereits darauf aufmerksam, dass im Rahmen der notwendigen Baumaßnahmen mit einer vorübergehenden Schließung des Hauses oder einzelnen Räumlichkeiten zu rechnen sei.
Bislang keine näheren Angaben zu den Kosten
Zur Höhe der Kosten konnte oder wollte die Kommune bislang nichts sagen. Diese dürften sich – nach Recherchen von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ – bei beiden Varianten aber voraussichtlich im einstelligen Millionen-Bereich bewegen.
ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“