Ein Himmel voller Plastikmüll …

3. Juli 2019

WICKEDE (RUHR). Geschlossene Gesellschaft im kommunalen Freibad: Anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung der Gemeinde Wickede (Ruhr) hatte das Rathaus am Montag (1. Juli 2019) zum „Dîner en blanc“ (Abendessen in Weiß) am Beckenrand geladen, wo sonst der Verzehr von Nahrung strengstens verboten ist.

Zur Dekoration des Beckens mit Segel- und Drachentretbooten sowie riesigen aufblasbaren weißen Plastik-Schwänen blieb der Freibad-Betrieb einen halben Tag zuvor sowie zum Aufräumen und Reinigen einen halben Tag danach trotz des schönen Wetters für zahlende Besucher geschlossen. Denn schließlich scheute das Organisationsteam der Gemeinde keine Kosten und Mühen, um den rund 200 Gästen des Massenpicknicks bei freiem Eintritt ein außergewöhnliches Ambiente zu bieten.

Weißes Wohlstandsbürgertum versammelt sich rund ums blaue Wasserbecken

Und so versammelte sich ein Teil des Wohlstandsbürgertums ganz in Weiß an dem lauen Sommerabend rund ums blaue Wasser des große Schwimmbeckens, um lustvoll Häppchen, Sekt und andere Leckereien in guter Gesellschaft alter Bekannter zu genießen und in seiner uniformen Kostümierung gesehen zu werden.

„Alle fotografieren sich, alle fühlen sich wie die Braut bei der Hochzeit, vermutlich sogar die Männer“, mutmaßte die Kultur-Journalistin Juliane Reichert zu dem spießigen Trend-Event schon einmal im Online-Portal der überregionalen Tageszeitung „Welt“ in Bezug auf ein „Dîner en blanc“ an anderem Ort. – Denn schließlich wollen die meisten Teilnehmer doch dokumentieren, dass auch sie zu dem auserwählten Kreis der lokalen Party-People gehören.

In Großstädten wird das „Dîner en blanc“ privat organisiert

In Wickede (Ruhr), wo das „Dîner en blanc“ nicht privat – wie in Großstädten üblich – sondern sogar von den Bediensteten der Gemeinde geplant und durchgeführt wird, gab es zu der festlich illuminierten und dekorierten Open-Air-Location bei sommerlichen Temperaturen noch ein kaltes Eis am Empfang und ein paar warme Worte vom Bürgermeister im Innern gratis dazu.

Unterhaltungsprogramm zum „Social Dining“ und „Smalltalk“

Damit es den Gästen beim „Social Dining“ und „Smalltalk“ nicht langweilig wurde, hatte die Gemeinde für ein Duo mit Live-Musik – darunter ein hauptberuflicher Rathaus-Mitarbeiter – und einen Discjockey mit professioneller Licht- und Ton-Anlage gesorgt, die von der privaten Firma eines anderen kommunalen Angestellten aufgebaut und gesteuert wurde.

Zudem gab es noch zwei Synchronschwimm-Vorführungen von drei Damen des Werler Schwimmclubs, deren kleine Einzel- und Zweier-Darbietungen sich allerdings in der großen Wasserfläche des kommunalen Wickeder Schwimmbades etwas verloren.

Im Hintergrund sorgte eine eigens installierte Fontäne für eine breite plätschernde Wasserwand als Kulisse.

Kommunal inszeniertes Massenpicknick unter freiem Himmel

Bereits seit 2011 hat das „Dîner en blanc“ nach dem Vorbild bekannter Weltstädte erstmals Einzug im kleinen „Dorf“ Wickede gehalten. In der Ruhrgemeinde wurde der vermeintlich spontane Flashmob zum Massenpicknick unter freiem Himmel allerdings stets unter der Regie der Tourismus-Beauftragten und Wirtschaftsförderin Ruth Hornkamp sowie weiterer Rathaus-Mitarbeiter aufwändig inszeniert.

Aufwand und Kosten der Gemeinde für die Veranstaltung

Darüber wie hoch der personelle Aufwand für die Vor- und Nachbereitung sowie Durchführung der kommunalen Veranstaltung ist und wie hoch die tatsächlichen Kosten für das Vergnügen von knapp zwei Prozent der Einwohner der Gemeinde Wickede (Ruhr) sind, haben sich die Verantwortlichen im Rathaus in der Vergangenheit nicht geäußert. Aus aktuellem Anlass hat die Redaktion unseres lokalen Nachrichten-Portals „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ aber am heutigen Mittwoch (3. Juli 2019) mal schriftlich nachgefragt und wartet gespannt auf Antwort.

Denn angesichts der hohen Verschuldung der Kommune muss das süße Leben wie Gott in Frankreich sicherlich kritisch betrachtet und hinterfragt werden. Davon kann sich auch ein „Dîner en blanc“ nicht weißwaschen.

Politische Prominenz wie bei einem CDU-Sommerfest

Dass der politische Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) mit seiner CDU-Mehrheit das kommunale Event trotzdem nicht auf den Prüfstand stellt, verwundert nicht. Denn angesichts der lokalpolitischen Prominenz der Teilnehmer könnten Beobachter die Veranstaltung schnell mit einem Sommerfest der CDU verwechseln. Deshalb müssen die weiß gekleideten Fans des „Dîner en blanc“ für die Zukunft der Veranstaltung in Wickede vermutlich nicht schwarzsehen.

Unkontrolliert umherfliegender Plastikmüll in der Luft

Schwarzsehen müssen dagegen wohl nur die grünen Klimaschützer für unsere Umwelt. Denn im Rahmen der Diner-en-blanc-Feier zum 50-jährigen Bestehen ließen die Gäste der Gemeinde rund 200 weiße Gasluftballons mit dem neuen kommunalen Logo mit Namenskärtchen der Absender gen Himmel steigen.

Ob der Plastikmüll die Gemeindegrenzen überfliegt, ist fraglich. Denn die Ballons schienen eher mit Kriech- als mit Treibgas gefüllt zu sein.

Besonders problematisch dabei: Direkt neben dem Freibad als Startplatz befinden sich das Naturschutzgebiet „Ruhraue“ und der Hövelwald.

Elitäres „Dîner en blanc“ statt großem Volksfest zum „Gemeinde-Geburtstag“

Vor zehn Jahren gab es zum „Vierzigjährigen“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) am 1. Juli übrigens ein richtiges Volksfest mit Bürgern aus fast allen Bevölkerungsschichten auf dem Marktplatz in der Ortsmitte. Beim „Dîner en blanc“ zum Wochenanfang war der Teilnehmerkreis dagegen sehr elitär. Ein großes Bürgerfest soll es als Nachfeier des „50. Geburtstages“ erst am 6. September 2019 geben.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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„Dîner en blanc“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) im kommunalen Freibad FOTO: ANDREAS DUNKER
„Dîner en blanc“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) im kommunalen Freibad FOTO: ANDREAS DUNKER
Die Teilnehmer des „Dîner en blanc“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) ließen weiße Gasluftballons mit aufgedrucktem Gemeinde-Logo gen Himmel steigen. FOTO: ANDREAS DUNKER
Die Teilnehmer des „Dîner en blanc“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) ließen weiße Gasluftballons mit aufgedrucktem Gemeinde-Logo gen Himmel steigen. FOTO: ANDREAS DUNKER