Bei einem Punkt errötet die rote Bürgermeister-Kandidatin …

8. Januar 2020

WICKEDE (RUHR). Inga Westermann erzählte wenig über ihre eigene Person und viel über ihre politischen Ideen. – Am gestrigen Dienstagabend präsentierte sich die Sozialdemokratin erstmals persönlich vor Vertretern der zwei tagesaktuellen lokalen Medien, um nach ihrer einstimmigen Nominierung als Bürgermeisterkandidatin durch den Vorstand des SPD-Ortsvereins Wickede (Ruhr) über ihre kommunalpolitischen Ziele zu informieren.

Am heutigen Mittwoch (8. Januar 2020) wird die ausgebildete „Kauffrau für Marketingkommunikation“ übrigens 39 Jahre alt. Doch ihr Geburtstag war bei der Präsentation kein Thema. Getreu dem Motto: „Über das Alter von Frauen spricht man nicht!“ – Trotzdem ist es interessant zu wissen, dass sie knapp 20 Jahre jünger als ihr politischer Mitbewerber Dr. Martin Michalzik (59, CDU) ist, der als amtierender Bürgermeister ebenfalls bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 um diesen wichtigen Posten in der Gemeinde Wickede (Ruhr) kämpfen will.

Sprachliche Feinheiten in der Formulierung sind ihr extrem wichtig

Dass Ehrlichkeit und Genauigkeit für Inga Westermann ganz wichtig sind, wurde deutlich, als sie berichtete, dass sie zwar in Wickede aufgewachsen, aber „keine gebürtige Wickederin“ sei. – Auf Nachfrage der Journalisten wurde dann aber schnell deutlich, dass sie nur im Krankenhaus in Werl geboren wurde und als wenige Tage altes Baby bereits in die Ruhrgemeinde kam, um dort als Kind und Jugendliche aufzuwachsen. – Anders als Michalzik, der erst im Grundschulalter mit seinen Eltern nach Wickede gezogen ist.

An diesem Beispiel wurde klar, dass der Kauffrau für Marketingkommunikation und der Hobby-Schriftstellerin die sprachlichen Feinheiten in der Formulierung extrem wichtig sind.

Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre in Paderborn studiert

Über ihre Familie erzählte Inga Westermann ansonsten von sich aus wenig. Nur soviel, dass sie im Hause ihrer Großeltern im Eichendorffring in Wickede aufgewachsen sei und in Folge einer Krebserkrankung und des frühen Todes ihrer Mutter ihr Studium der Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre in Paderborn trotz guter Noten vorzeitig abgebrochen hätte.

Andere familiäre Details waren gestern Abend kein Thema. Irgendwie traute sich auch niemand im Raum weiter danach zu fragen. Und von sich aus gab die etwas schmallippige Sozialdemokratin nichts davon preis. Auch über ihren Familienstand sagte sie nichts.

Dass sie geschieden ist, möchte sie ungern veröffentlicht wissen. – Dies hatte die erste Frau an der Spitze des Wickeder SPD-Ortsvereins bereits im Jahre 2016 bei ihrer Wahl zur lokalen Parteivorsitzenden gegenüber unserer Redaktion verlauten lassen.

Seit 1999 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Lieber als über ihr Privatleben erzählt Inga Westermann über ihre politische Karriere auf örtlicher Ebene: Über ihren Eintritt in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) im Jahre 1999 und ihre ersten parteipolitischen Erfahrungen erst als Stellvertretende und dann als Erste Vorsitzende der Wickeder Jungsozialisten (Jusos) sowie ihre Tätigkeit als Mitglied des politischen Rates der Gemeinde Wickede (Ruhr) seit der letzten Kommunalwahl im Jahre 2014 berichtete sie offen.

Arbeitgeber ist über politisches Engagement informiert

Weniger redselig ist sie in Bezug auf ihren Arbeitsplatz: Aktuell sei sie als Import-Sachbearbeiterin eines Unternehmens in Arnsberg-Bergheim beschäftigt.

Ihr Arbeitgeber wisse von ihrem politischen Engagement in ihrer Heimatgemeinde Wickede (Ruhr). Sie habe ihm aber versprochen ihn nicht namentlich zu erwähnen, sagt Westermann.

Nur so viel verrät sie auf hartnäckige Nachfrage der Journalisten dann doch: Es handele sich um ein mittelständisches Familien-Unternehmen und einen Hersteller hochwertiger Küchengeräte.

Frage nach Erfahrung in Führungsposition

Auf die Frage, ob sie denn Führungserfahrung habe, um eine Kommune mit immerhin mehr als hundert Mitarbeitern zu leiten, errötet die rote Bürgermeister-Kandidatin leicht und gerät kurzfristig etwas ins Stottern. Sie sei nur eine einfache Sachbearbeiterin und keine „Chefin“, betont sie schließlich, auch keine Abteilungsleiterin. Führungserfahrung habe sie bislang nur in der Partei gesammelt. Aber sie traue sich die Leitung der Gemeinde durchaus zu. Sie könne sich gut in neue Bereiche einarbeiten.

Dies habe sie unter anderem als Quereinsteigerin bei der Agentur für Arbeit bewiesen, wo sie zwei Jahre lang einen befristeten Vertrag als Mitarbeiterin gehabt habe. Aber auch in ihren jetzigen Job habe sie sich schnell eingearbeitet.

Auch CDU-Landrätin hatte vor der Wahl keine Verwaltungserfahrung

Als die Journalisten ob dieser mangelnden Führungserfahrung skeptisch dreinschauen, springt ihr Ex-Bürgermeisterkandidat und SPD-Fraktionsvorsitzender Engelbert Gurka hilfreich zur Seite. Die derzeitige CDU-Landrätin Eva Irrgang aus Wiehagen habe auch keine Verwaltungsausbildung und kein juristisches Studium und lenke trotzdem seit Jahren die Kreisverwaltung in Soest mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen wolle ja ganz bewusst, dass auch Bürger mit normalen Berufen in die politischen Spitzenpositionen gewählt werden könnten, so Gurka. Für viele fachliche Fragen gäbe es dann kompetente leitende Beamte in der Verwaltung.

Inga Westermann atmet nach diesem Vergleich auf.

Den Journalisten scheint diese Argumentation schlüssig zu sein und ihre Skepsis scheint verflogen. – Schließlich ist auch der amtierende Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) von Haus aus eigentlich „Diplom-Pädagoge“ und kein Jurist oder geschulter Verwaltungsprofi.

„Ich möchte die erste Bürgermeisterin meiner Heimatgemeinde werden!“

Nachdem sich die sozialdemokratische Bürgermeister-Anwärterin in privaten Angelegenheiten ähnlich kühl wie die Raum-Temperatur im kleinen Saal hinter der Gaststätte „Bürgerstuben“ zeigte, taut sie bei der direkt anschließenden Präsentation ihrer politischen Vorstellungen deutlich auf.

„Ich möchte die erste Bürgermeisterin meiner Heimatgemeinde werden!“ sagt Inga Westermann ganz selbstbewusst. – Und Ex-Bürgermeister-Kandidat und SPD-Ehrenvorsitzender Helmut Bäcker, der bei dem Termin zu dem Geleit von Westermann gehört, zeigt sich sichtlich erfreut und stolz, dass die erste Wickeder Bürgermeister-Kandidatin – die Betonung liegt auf der weiblichen Form – aus den Reihen der Sozialdemokraten kommt.

Bislang viel Zuspruch aus der Bürgerschaft erfahren

Seit der öffentlichen Bekanntgabe ihrer Kandidatur vor einigen Wochen über die Medien habe sie bereits viel Zuspruch aus der Bürgerschaft erfahren, so Westermann. Und weiter: „Ich sehe definitiv ’ne Chance!“

Inga Westermann nicht nur demokratische „Anstandsdame“ der SPD zur Kommunalwahl

Und SPD-Fraktionschef Engelbert Gurka betont, dass es sich bei der Nominierung von Inga Westermann nicht nur um eine „Anstandsdame“ handele, um den Schein einer demokratischen Wahl durch eine Gegenkandidatin aus den Reihen der größten Oppositionsfraktion im politischen Rat der Gemeinde Wickede (Ruhr) zu wahren.

Zusammen mit der ehrenamtlichen stellvertretenden Bürgermeisterin Ellinor Schilling (SPD) sind sich Gurka und Bäcker einig, dass Inga Westermann durchaus die Intelligenz und Befähigung für das Bürgermeister-Amt besitzt.

Dabei ist allen Journalisten und Sozialdemokraten im Raum wohl insgeheim klar, dass es mehr als schwierig werden dürfte, den in weiten Teilen der Bevölkerung bekannten und beliebten Amtsinhaber Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) „vom Thron zu stürzen“.

„Ohne Gegenkandidat keine demokratische Wahl“

Einig sind sich die anwesenden Sozialdemokraten jedenfalls darin, dass es „ohne Gegenkandidat keine demokratische Wahl“ gäbe, da der Wahlschein bei einem einzigen Kandidaten ja keine Pro- oder Contra-Abstimmung ermögliche.

Gerade in der heutigen Zeit, wo die Demokratie teilweise von Extremisten gefährdet würde, dürfe man sich keine Blöße geben, sind sich die Sozialdemokraten einig.

Wahlkampf-Programm ähnelt dem des politischen Mitbewerbers

Die politischen Themen-Felder, die die SPD-Spitzenkandidatin, in ihrem Vortrag auflistet, klingen denen von Michalzik und seiner CDU dann allerdings in vielen Punkten doch sehr ähnlich: Bürgernähe, lokales Gesundheitssystem, Heimat, Klima, Lebensqualität, Wertschätzung … – Alles durchaus auch politische Schlagwörter aus der Agenda des amtierenden Bürgermeisters und der örtlichen Christdemokraten.

„Ich unterstütze seine Politik nicht vollumfänglich!“

Wie bei der „GroKo“, der großen Koalition von Christ- und Sozialdemokraten, auf Bundesebene sind die Parteien der demokratischen Mitte offenbar immer weniger unterscheidbar. – Dies wird indirekt auch aus dem Satz deutlich: „Ich unterstütze seine Politik nicht vollumfänglich!“ (Anmerkung der Redaktion: Inga Westermann meint damit die Politik von CDU-Bürgermeister Dr. Martin Michalzik.)

Daraus ist zu schließen: Wesentliche kommunalpolitische Gegensätze scheint es zwischen der SPD-Ratsfrau und dem CDU-Verwaltungschef also nicht zu geben.

Manches klingt zudem, als wolle die SPD das Rad neu erfinden und manches nach Wunschträumen, deren Realisation an finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen im Rathaus zum Scheitern verurteilt scheinen. – Aber dies ist bei der politischen Konkurrenz nicht anders und gehört wohl irgendwie zum kommunalen Wahlkampf-Getöse.

Einige ganz eigene Akzente der SPD-Bürgermeister-Kandidatin

Und doch setzt Inga Westermann als SPD-Spitzenkandidatin einige ganz eigene Akzente:

So würde sie den lokalen Umweltschutz nicht so sehr wie die Christdemokraten als pures Lippenbekenntnis sehen, sondern wirklich in der Praxis umsetzen: Gasluftballons zum Gemeinde-Geburtstag seien im Naturschutzgebiet ein „No-Go“ und statt eines gefällten Nadelbaumes auf dem Wickeder Weihnachtsmarkt könne die Kommune auch eine Tanne am Marktplatz pflanzen und ganzjährig stehen lassen. Ein kleiner Schritt zum Klimaschutz auf kommunaler Ebene …

Auch die geplante Beleuchtung des alten Trommelwehres sei in Zeiten des Arten- und Insektensterbens nicht mehr zeitgemäß.

Beim kommunalen „Ferienspaß“ wünsche sie sich mehr „Umwelterziehung“.

Und zum CDU-Projekt „Bike-Park“ sagt sie: „Den bräuchte ich persönlich nicht!“

Verkauf der kommunalen Mehrfamilienhäuser war ein Fehler

Als erheblichen Fehler in der Amtszeit von CDU-Bürgermeister Michalzik betrachtet SPD-Spitzenkandidatin Westermann den leichtfertigen Verkauf der drei kommunalen Mehrfamilienhäuser am Lindenweg 12, 14 und 16 an die Volksbank Wickede (Ruhr) eG.

Mietgünstiger sozialer Wohnraum sei aus ihrer Sicht für Wickede wichtig. Gerade für junge Leute wie Auszubildende zum Facharbeiter aber auch Rentner seien solche Angebote vonnöten. Zudem befürworte sie den Bau von Mehrgenerationen-Häusern.

Soziale Gerechtigkeit ein Grund für Engagement in der SPD

Der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit sei ein wesentlicher Grund dafür gewesen, dass sie in die SPD eingetreten und als umweltbewusste junge Frau nicht bei den „Grünen“ Mitglied geworden sei, erklärte Westermann auf Nachfrage unseres lokalen Nachrichten-Portals „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Besserer Online-Service seitens des Rathauses gefordert

Zusammen mit SPD-Fraktionsvorsitzendem Engelbert Gurka forderte Inga Westermann einen besseren Online-Service seitens des Rathauses.

Nachdem durch den Glasfaser-Ausbau ein schnelles Internet vor Ort bestünde, müsste die Kommune die Digitalisierung schneller vorantreiben, damit Bürger viele Angelegenheiten bei Bedarf außerhalb der Öffnungszeiten des Rathauses von zuhause aus erledigen könnten. Trotzdem müsse auch die Bürgernähe und persönliche Beratung erhalten bleiben. – Personal ließe sich deshalb vermutlich mit einer Digitalisierungsoffensive nicht sparen.

Kommunales Bürgerhaus als Kongress-Zentrum ausbauen

Dem avisierten Sanierungsvorhaben für das Bürgerhaus in der Wickeder Ortsmitte von Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) stimmt Westermann zu. Allerdings würde sie sich den Ausbau zum Kongress-Zentrum wünschen, um durch Vermietungen für Seminare, Tagungen und Workshops zusätzliche Einnahmen für die Gemeinde Wickede (Ruhr) zu generieren.

Zwispältiges Verhältnis zum Autobahn-Lückenschluss

Während sich die SPD Wickede (Ruhr) weiterhin generell für den Lückenschluss zwischen der Anschlussstelle Hemer und der Autobahn 445 bei Arnsberg-Neheim ausspricht, sind die Aussagen von SPD-Bürgermeister-Kandidatin Inga Westermann dazu eher diffus. Sie sieht in den bisherigen Trassen-Plänen noch keine umweltverträgliche Lösung. Und diese sei die Voraussetzung für den Lückenschluss. Zudem müsse für die Zustimmung zu dem Bau auch eine verkehrliche Entlastung für Wickede erkennbar sein, meinte Westermann.

Hohe Verschuldung der Gemeinde kein Thema

Überhaupt nicht aktiv angesprochen wurde von der SPD-Spitzenkandidatin gestern Abend übrigens die desolate Finanzlage und die überaus hohe Verschuldung der Gemeinde Wickede (Ruhr).

„Das Geld war nie so günstig wie jetzt!“

Auf Nachfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ erklärte sie dann aber ähnlich wie Michalzik: „Das Geld war nie so günstig wie jetzt!“

Und: „Durch Investitionen werden Werte geschaffen.“ Deshalb müsse man zum Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur gegebenenfalls weitere Kredite aufnehmen.

Strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen angeprangert

Das Problem sei die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen durch den Staat. Gemeinde und Stände müssten von Bund und Land entschuldet werden und die notwendigen Finanzmittel für die von oben vorgegebenen Aufgaben erhalten. – Darin ist sich die örtliche SPD denn mit der CDU jedenfalls einig.

Nach der Nominierung durch den örtlichen SPD-Vorstand muss Inga Westermann jetzt noch offiziell durch eine Mitgliederversammlung der Partei als Bürgermeister-Kandidatin gewählt werden. Dies dürfte aber nur noch eine Formsache sein. Mit einem Gegenkandidaten ist vermutlich nicht zu rechnen, meinten die anwesenden Sozialdemokraten.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr“

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SPD-Bürgermeister-Kandidatin Inga Westermann FOTO: ANDREAS DUNKER
SPD-Bürgermeister-Kandidatin Inga Westermann FOTO: ANDREAS DUNKER