„Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos!“

16. Januar 2020

WICKEDE (RUHR). Es besteht Handlungsbedarf, um die hausärztliche Versorgung für die Einwohner der Gemeinde Wickede (Ruhr) auch in Zukunft sicherzustellen. Darüber gibt es Konsens zwischen den Kassenärzten vor Ort und der Kommune. Bei einem Gespräch zwischen Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und sieben niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Internisten aus Wickede am gestrigen Mittwochnachmittag (15. Januar 2020) im Rathaus zeigte sich deutlich: Es bedarf mittelfristig dringend einiger Nachfolge-Regelungen in den lokalen Arzt-Praxen. Denn aktuell ist nur einer der acht in Wickede praktizierenden Hausärzte unter 50 Jahre alt und vier Mediziner sind sogar über 60. Außerdem ist absehbar, dass einige der alteingesessenen Hausärzte in den nächsten fünf Jahren in den wohlverdienten Ruhestand treten werden.

Dass alle ortsansässigen Hausärzte – mit Ausnahme des entschuldigten Dr. Gerhard Th. Höhmann (78) – an dem Treffen teilnahmen, macht deutlich, dass die Mediziner an einer tragfähigen Zukunftslösung für die weitere Versorgung ihrer Patienten sehr interessiert sind.

Mit in der Runde saßen die Wickeder Hausärzte: Thorben Hansen (36), Olga Tubbesing (50), Dr. Christodoulos Phonias (55), Dr. Elmar Calles (56), Dr. Reinhard Werner (61), Dr. Uwe Klaus Stücker (64) und Dr. Ulrich Weber (66). Hinzu kamen Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Wirtschaftsförderin Ruth Hornkamp von der örtlichen Gemeindeverwaltung sowie Prokurist Marcel Frischkorn von der Wirtschaftsförderung des Kreises Soest.

„Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos!“

„Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos!“ lautet das Resümee des jüngsten Mediziners. Denn aktuell ist die Ruhrgemeinde mit sechs Praxen – darunter die Gemeinschaftspraxis Dres. Weber, Calles, Hansen – bei der hausärztlichen Versorgung durchaus noch „komfortabel“ aufgestellt.

Die hiesigen Ärzte betreuen sogar noch Patienten aus den Nachbarkommunen, die dort keine Praxen mehr finden, die sie aufnehmen. Denn im Umland sieht es durch Ärzte-Mangel im ländlichen Raum teilweise „dramatisch“ aus.

Gerade deshalb sei es wichtig, sich in Wickede frühzeitig um neue Mediziner zu bemühen, um Abstriche in der hausärztlichen Versorgungsfähigkeit vor Ort zu vermeiden, waren sich die versammelten Hausärzte einig.

Zumal sich durch die Altersstruktur in der örtlichen Ärzteschaft klar abzeichnen würde, dass einige Kollegen voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gingen.

Und angesichts des bekannten Mediziner-Mangels sei gerade in ländlichen Bereichen eine Nachfolger-Gewinnung für Hausärzte nicht so einfach.

„Ärzlicher Nachwuchs ist schwer zu bekommen!“

Olga Tubbesing erklärte dazu im Gespräch mit unserem lokalen Nachrichten-Portal „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ bereits: „Ärzlicher Nachwuchs ist schwer zu bekommen!“

Und Thorben Hansen sagt: „Ich wäre um jeden Kollegen froh, der nach Wickede kommt!“ Er hoffe, dass die Politik das Klagen der Hausärzte auf dem Land ernst nehme.

Gemeinschaftspraxis-Gründer Weber charakterisiert die drohende Situation im ärztlichen Bereich vor Ort als „dramatisch“, da junge Mediziner sich heutzutage kaum noch als Hausärzte im ländlichen Raum niederlassen wollen, und sagt im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“: „Ich habe keine Idee, wie dieses riesige Problem gelöst werden soll.“

Schlüsselrolle zur Nachbesetzung von Arzt-Stellen: Eigenes Netzwerk und wirtschaftliche Lage

Prokurist Marcel Frischkorn von der Wirtschaftsförderung des Kreises Soest zeigte als Referent konkrete Hilfen und interessante Förderprogramme für die Nachfolge in angestammten Arzt-Praxen auf.

Er werde die ohnehin durch ihre tägliche Arbeit stark beanspruchten Mediziner gerne bei der Suche nach Nachfolgern sowie der Digitalisierung und Fachkräftegewinnung beraten und unterstützen, versprach Frischkorn.

Eine Schlüsselrolle zur Nachbesetzung von Arzt-Stellen spiele allerdings vor allem das persönliche Netzwerk der Praxis-Inhaber zu jungen Kollegen und der bisherige wirtschaftliche Erfolg der Praxis, meinte Frischkorn aus seiner kreisweiten Erfahrung.

Die Lage und die Attraktivität einer Gemeinde ihrer Infrastruktur kämen nur als zweiter Aspekt dazu, hieß es. Und: Bei den aktuell niedrigen Zinsen und Förderungen sei eine Start- oder Modernisierungsfinanzierung derzeit meistens unproblematisch.

Junge Ärzte wollen Balance zwischen Arbeit sowie Freizeit und Familie

Insgesamt zeichnete sich in der Gesprächsrunde auch ab, dass sich die Organisation des Hausarztberufes in Deutschland aktuell deutlich wandelt. Denn immer mehr junge Allgemeinmediziner möchten lieber als Angestellte arbeiten und wollen sich nicht früh als freiberufliche Unternehmer mit einer eigenen Praxis selbstständig machen. – Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Freizeit seien dabei ebenso wichtige Faktoren wie das finanzielle Risiko durch Regressforderungen von Krankenkassen eine bedeutende Rolle spiele, so die heimischen Hausärzte.

Ob die Kommune finanzielle Zuschüsse für ärztliche Existenzgründer gewährt, ist fraglich

Ob langfristig zur Standortsicherung von Praxen einmal Ideen wie kommunale Einrichtungszuschüsse oder Zinsübernahme von Investitionen ins Spiel kämen, bliebe abzuwarten, erklärte Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU). Denn dabei müsse die Gemeinde auch gegenüber anderen Berufen und Branchen fair bleiben.

Frischkorn: Dialog und gemeinsame Perspektive sind unverzichtbar

„Mit Blick auf die Trends und Probleme sind eine gemeinsame Perspektive und der Dialog unverzichtbar“, erklärte Frischkorn. – Das wichtige Thema bleibt also wohl weiter in der kommunalpolitischen Diskussion.

ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“

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Prokurist Marcel Frischkorn von der Wirtschaftsförderung des Kreises Soest und Wirtschaftsförderin Ruth Hornkamp von der örtlichen Gemeindeverwaltung FOTO: DAVID ADRIAN / GEMEINDE WICKEDE (RUHR)
Prokurist Marcel Frischkorn von der Wirtschaftsförderung des Kreises Soest und Wirtschaftsförderin Ruth Hornkamp von der örtlichen Gemeindeverwaltung FOTO: DAVID ADRIAN / GEMEINDE WICKEDE (RUHR)