Corona-Infektionen in der ZUE Wimbern: Was die Verantwortlichen zu erwähnen vergaßen …

27. August 2020

WICKEDE (RUHR) Die insgesamt zirka 400 zur Verfügung stehenden Plätze in der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge (ZUE) in Wimbern seien aktuell nur mit rund 180 Bewohnern belegt, erklärte Einrichtungsleiter Ford David am gestrigen Mittwochabend (26. August 2020) im Bürgerhaus in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur, Soziales und Sport des politischen Rates der Gemeinde Wickede (Ruhr). Auf Einladung der Kommune gaben er und seine Vorgesetzte Svenja Fritz als zuständige Dezernentin für Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen der Bezirksregierung Arnsberg einen Überblick über die derzeitige Belegung und die Schutzmaßnahmen in Folge der Coronavirus-Pandemie. Dabei verschwiegen sie allerdings einige wichtige Fakten.

Auf Grund der Maßnahmen zum Schutz vor der Coronavirus-Pandemie sei die Massenunterkunft des Landes Nordrhein-Westfalen im ehemaligen Marien-Krankenhaus nur etwa zur Hälfte belegt, betonten David und Fritz. Denn so könnten kleinere Kohorten innerhalb der Einrichtung gebildet werden, die möglichst getrennt voneinander in dem großen Gebäudekomplex an der Mendener Straße leben könnten.

Bei Corona-Verdachts- oder Infektionsfällen solle so möglichst eine Voll-Quarantäne vermieden werden, indem man im Notfall nur positiv getestete ZUE-Bewohner und ihre Kontaktpersonen der sogenannten "Kategorie 1" in abgesonderte Räumlichkeiten isolieren müsse, so Dezernentin Svenja Fritz.

Soweit die schön vorgetragenen Theorie.

Was die Verantwortlichen der Bezirksregierung aber verschwiegen, ist die Tatsache, dass die zuletzt positiv getesteten Bewohner in Wirklichkeit nicht nur einer einzigen Kohorte angehörten, es in der Massenunterkunft also scheinbar sehr wohl Kontakte zwischen den einzelnen Kohorten und somit erhebliche Infektionsrisiken gibt. – Der Kreis Soest als zuständiges Gesundheitsamt hatte auf Nachfrage unseres lokalen Nachrichten-Portals "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" schriftlich mitgeteilt, dass die insgesamt sechs bekannt gewordenen Coronavirus-Infizierten in der ZUE Wimbern aus verschiedenen (!) Kohorten stammten.

Auch dass es nach Bekanntwerden einer ersten Infektion in der landeseigenen Flüchtlingseinrichtung offenbar zu ganz erheblichen Kommunikationsproblemen zwischen der ZUE in Wimbern und der Kreisbehörde in Soest gekommen war, wurde bei dem Vortrag am gestrigen Abend leider komplett von den Mitarbeitern der Bezirksregierung Arnsberg verschwiegen, wenngleich die ZUE-Mitarbeiter dabei – nach bisherigen Recherchen unserer Redaktion – wohl keine Schuld trifft und sie von selbst schnell mit einer Isolierung der mit dem Coronavirus infizierten Frau reagiert hatten.

Mitarbeiter der beauftragten Betreuungs- und Sicherheitsdienstleister erfuhren die Neuigkeit über den damaligen Corona-Fall in der ZUE allerdings auch teilweise erst durch die Lektüre unseres exklusiven Beitrages, wie uns Insider berichtet haben.

Und die Soester Kreisverwaltung musste zugeben, dass ihr zuständiges Gesundheitsamt angeblich erst rund 60 (!) Stunden nach dem positiven Test-Ergebnis Kenntnis von dem Fall erhalten hatte. – Selbst unsere Redaktion war bereits etwa 24 Stunden zuvor von dem Corona-Fall in der ZUE Wimbern informiert worden.

Dabei gibt es seit Ende des Jahres 2018 eigens eine "Zusammenarbeitsvereinbarung" von Bezirksregierung, Gemeinde- und Kreisverwaltung sowie Kreispolizeibehörde, die das Miteinander der zuständigen kommunalen und staatlichen Stellen für Notfälle regelt. – Von Wickedes Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) wurde diese in der gestrigen Ausschuss-Sitzung noch als beispielhaft gelobt.

Scheinbar ist diese Regelung allerdings das Papier auf dem sie geschrieben wurde nicht wert, denn in der Praxis funktionierte die Kommunikation zwischen der Wimberner Landeseinrichtung und der Kreisverwaltung definitiv nicht. – Nach umfangreichen investigativen Recherchen unserer Redaktion in den letzten Monaten steht dies fest.

Um die notwendigen Detail-Informationen dazu schlussendlich vollständig zu erhalten, musste "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" der Behörde von Regierungspräsident Hans Josef Vogel (CDU) übrigens erst sogar mit einer Klage vor dem Arnsberger Verwaltungsgericht drohen.

Nun tun sich weitere Fragen zu dem damaligen Behördenversagen auf.

Auf Grund der Umsicht einiger Mitarbeiter vor Ort in der ZUE in Wimbern wurde die ursprünglich infizierte Bewohnerin allerdings schnell isoliert und es kam zu keiner größeren Verbreitung der Krankheit in der Einrichtung mit besonders schützenswerten ("vulnerablen") Personen wie Müttern und Kindern.

Dies war aber vermutlich mehr Glück als Verstand. Denn erst mehrere Tage nach dem positiven Test der infizierten Frau in der großen Flüchtlingsunterkunft in Wimbern entschloss sich das Soester Kreisgesundheitsamt schließlich am Mittwoch, 10. Juni 2020, eine generelle Quarantäne für die Masseneinrichtung zu verhängen.

Die Coronavirus-Infektion der Bewohnerin war der ZUE dabei bereits seit dem Freitag der Vorwoche bekannt. Denn am 5. Juni 2020 um 19.07 Uhr war die Einrichtung eigens telefonisch über das Test-Ergebnis informiert worden. – Dies bestätigte der persönliche Referent des Arnsberger Regierungspräsidenten, Florian Frey, in einem Schreiben vom 25. August 2020 an die Redaktion von "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" erst kürzlich. (Wir berichten noch!)

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"

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ZUE-Einrichtungsleiter Ford David, Ausschussvorsitzender Norbert Spieth (SPD), Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Dezernentin Svenja Fritz von der Bezirksregierung Arnsberg nach dem Vortrag im Bürgerhaus in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER
ZUE-Einrichtungsleiter Ford David, Ausschussvorsitzender Norbert Spieth (SPD), Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) und Dezernentin Svenja Fritz von der Bezirksregierung Arnsberg nach dem Vortrag im Bürgerhaus in Wickede FOTO: ANDREAS DUNKER