Sommer-Interview: Halbzeitbilanz von Wickedes Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU)

22. Juni 2017

WICKEDE (RUHR). Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten und diesen Zeitrahmen hält Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) auch gerne bei von ihm moderierten Veranstaltungen ein – sofern Diskussionen nicht dringend eine „Nachspielzeit“ erforderlich machen. In diesen Tagen ist „Halbzeit“ für Michalzik. Bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 wurde er mit 55,91 Prozent der abgegebenen Stimmen direkt in das kommunale Spitzenamt gewählt. Am 23. Juni 2014 löste er dann seinen Vorgänger Hermann Arndt (CDU) als Rathaus-Chef ab. Seitdem läuft die sechsjährige Amtszeit von Michalzik als kommunaler Wahlbeamter der Gemeinde Wickede (Ruhr). – „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ zieht deshalb eine Bilanz mit dem Bürgermeister in Form eines Interviews.

wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Bevor Sie 2014 im Alter von 53 Jahren das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Wickede (Ruhr) übernommen haben, waren Sie neun Jahre in Düsseldorf in der Landespolitik und -verwaltung tätig. Haben Sie den „Abstieg“ von der „Landesliga“ auf die lokale Ebene bislang schon einmal bereut?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Dass mir eine deutliche Mehrheit der Bürger ihr Vertrauen ausgesprochen hat, das Bürgermeisteramt in Wickede (Ruhr) auszuüben, empfinde ich nach wie vor als Ehre.

Von ,,Abstieg“ kann daher keine Rede sein. Im Gegenteil: Ich erlebe, dass das Amt des Bürgermeisters von der Bevölkerung besonders geschätzt und respektiert wird.

In der Kommunalpolitik ist die Nähe zwischen Menschen und Mandat so groß wie in keinem anderen Amt.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Manchmal greifen Sie gerne Vergleiche aus dem Segelsport auf, den Sie in Ihrer knappen Freizeit als Hobby betreiben. Durch die Flüchtlingswelle ist das vorher in ruhigem Fahrwasser schippernde Schiff „Wickede“ direkt zu Beginn Ihrer Amtszeit ganz schön ins Schaukeln geraten.

Wie sehr hat es Sie persönlich geärgert, dass Bundes- und Landespolitik der Gemeinde diese „raue See“ beschert haben? Was erwarten Sie als Kommunalpolitiker von Ihren CDU-Parteifreunden Angela Merkel als Bundeskanzlerin und Armin Laschet als voraussichtlichem NRW-Ministerpräsidenten künftig bei der Flüchtlings- und Integrationspolitik?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: „Raue See" entsteht dann, wenn Stürme über lange Strecken hinweg Wellen bewegen und auftürmen. Der ursprüngliche Grund für die Krise lag weder in Berlin noch in Düsseldorf. 66 Millionen Menschen sind weltweit Flüchtlinge. 45 Millionen übrigens in ihren eigenen, meist bitterarmen Heimatländern. So wie in Deutschland nach 1945. Im Kongo kommen allein 2017 eine Million Menschen hinzu. – Blicken wir auf 2014 zurück, müssen wir feststellen: Ohne die Grenzöffnung drohte eine humanitäre Katastrophe mitten in Europa – vor allem in Ungarn. Wie würden wir heute reden, wenn es dazu gekommen wäre?

Richtig ist, dass mich 2014 und 2015 tiefe Sorgen um Wickedes Zusammenhalt und den Sozialen Frieden in der Gemeinde beschäftigten. Das war ein schwerer Einstieg ins Amt. Es gab ja erhebliche Störungen und schlechte Erfahrungen.

Bund und Land haben damals vergeblich versucht, die Ausnahmelage mit Routinen zu erledigen, die dazu nicht mehr passten. Verbesserungen haben lange gebraucht. – Einen Impuls dazu hat die Konferenz von ZUE-Gemeinden gegeben, zu der ich im Herbst 2014 nach Wickede eingeladen hatte.

Aber die Arbeit ist noch nicht erledigt: Ich finde, es muss Standard werden, dass jeder Asylbewerber sofort an der Grenze eine von allen Behörden lesbare Identitäts- und Datenkarte ausgestellt bekommt. – Dass Betrug verhindert wird, findet sicherlich auch die Zustimmung der Schutz suchenden ehrlichen Menschen.

Die sogenannte Flüchtlingskrise hat unterstrichen, wie wichtig Städte und Gemeinden für Deutschlands Zukunft sind. Denn hier vor Ort entscheidet es sich, ob und wie Integration gelingt. – Und dies kann nur funktionieren, wenn Erfolge organisiert und Probleme benannt werden. Daran haben Menschen in Wickede großen Anteil. Wie beispielsweise die Partner vom „Runden Tisch“ zur „Zentralen Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) in Wimbern.

Die Mitglieder dieser Gruppe und viele andere setzen sich in Wickede (Ruhr) ehrenamtlich für Flüchtlinge ein. – Dafür bin ich dankbar.

Echte Abhilfe kommt nur, wenn in den Heimatländern der Flüchtlinge neue Arbeit, Chancen und Zuversicht entstehen. Dazu muss Deutschland beitragen. Unser Wohlstand wird nicht bleiben, wenn er mit globalen Ungerechtigkeiten erkauft wird.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Auf Grund des Betriebes der zentralen Landeseinrichtung zur Flüchtlingsunterbringung im ehemaligen Marien-Krankenhaus in Wimbern sollte die Gemeinde Wickede (Ruhr) kommunal keine neuen Flüchtlinge mehr zugewiesen bekommen. Dieses Versprechen hat die Bezirksregierung Arnsberg bei einer Bürgerversammlung gegeben. Nun muss die Gemeindeverwaltung sich doch um die Einquartierung weiterer Flüchtlinge in der Ruhrgemeinde kümmern. – Wie kommt es zu diesem Wortbruch der Bezirksregierung und warum akzeptiert die Kommune dies widerspruchslos? Welche Herausforderungen kommen durch die Migration voraussichtlich noch auf die Ruhrgemeinde zu?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: In unserer Umgangssprache ordnen wir unter den Begriff „Flüchtlinge“ pauschal Menschen ein, die unter rechtlichen Gesichtspunkten jedoch unterschiedlich zu betrachten sind.

Bei der ZUE geht es um „asylsuchende“ Personen. Bei ihnen ist noch zu klären, ob sie auf Zeit oder auf Dauer bleiben dürfen. Für diesen Personenkreis galt und gilt die Zusage der Bezirksregierung.

Auf alle Kommunen verteilt werden jetzt „anerkannte“ Asylbewerber. Sie werden lange zu uns gehören – viele für immer. Daher ist ihre Aufnahme und Integration auch eine Aufgabe für alle – an der wir mitwirken. Derzeit haben wir nicht einmal zehn dieser Fälle. Die Betreuung erfolgt durch meine Mitarbeiter, bald auch durch ehrenamtliche Mentoren, vor allem aber durch das Jobcenter „Arbeit Hellweg Aktiv“ in Soest.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: „Hohe Wellen“ hat auch die Diskussion um den als „Überschwemmungsgebiet“ ausgewiesenen Bereich des ehemaligen TuS-Sportplatzes an der Ruhrbrücke geschlagen. Das Wickeder Unternehmen, welches dort ursprünglich ein neues Autohaus bauen wollte, ist vom Kaufvertrag für das – inzwischen scheinbar unbebaubare – Grundstück zurückgetreten. Statt wertvollem Bauland besitzt die Gemeinde nun nur einen Flecken „Brachland“, welches sie zuvor teuer als vermeintliches Bauland von einem privaten Besitzer gekauft hat. Trocken gelegt scheint der Sumpf jedenfalls noch nicht zu sein. Wie geht es dort weiter?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Es ist in einigen Fällen richtig, Flächen mit Zukunftschancen selbst in die kommunale Hand zu nehmen. So lässt sich eine gute Gemeindeentwicklung am besten steuern.

Das ist beim alten Sportplatz der Fall. – Schade ist, dass die Gemeinde das vor einigen Jahren bei dem ehemaligen Merse-Grundstück neben dem Bürgerhaus nicht gemacht hat!

Beim alten Sportplatz besteht ein Konflikt zwischen älterem Baurecht und jüngstem Umweltrecht. Die Regeln für den Hochwasserschutz sind 2015 deutlich verschärft worden. Das ist langfristig zur Sicherheit der Anwohner und Betriebe durchaus sinnvoll. Kurzfristig ist es aber für uns und unsere Verkaufsabsichten ärgerlich.

Es ist uns jedoch nun im Rahmen eines Gespräches im NRW-Umweltministerium gelungen, einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. – Wie sieht der aus? Wir werden aufzeigen, wie wir langfristig für das gesamte Gebiet „Ruhrufer“ und die westliche Erlenstraße den Hochwasserschutz organisieren. Dies soll zusammen mit der weiteren Renaturierung der Ruhr erfolgen.

Wir lassen jetzt berechnen, wie das durch Ufergestaltung geht und zu welchem Preis. Entsprechende Flutsimulationen liegen inzwischen als Grundlage vor. – Wenn der Rat dann entscheiden kann, dass wir das langfristig umsetzen, werden wir die Erlaubnis bekommen, schon im Vorgriff darauf kurzfristig auf dem Gelände bauen zu dürfen. Dann ist der Weg frei zum Verkauf.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Wie sieht es mit den anderen Immobilien der Gemeinde aus? Für das Areal rund um den alten TV-Tennisplatz am Freibad findet die Kommunalpolitik seit Jahren keine sinnvolle und wirtschaftlich tragbare Nachnutzung. Die zwischenzeitliche Idee eine „Paintball-Anlage“ auf dem Gelände zu etablieren, scheint „ein Schuss nach hinten“ gewesen zu sein. Nachdem der Pulverdampf dieses Schnellschusses verraucht ist und der Knall verhallt ist, ist es in der Kommunalpolitik um dieses Thema leise geworden. Und den wertvollen Grund und Boden nur zu touristischen Zwecken zu nutzen – wie es die CDU-Fraktion scheinbar favorisiert, ist angesichts der hohen Schuldenlast der Gemeinde Wickede (Ruhr) doch absurd. Wie sind Ihre Pläne und Wünsche für das Gelände zwischen dem Freibad als kommunalem Prestigeobjekt und dem kleinen Gewerbegebiet „Zum Ostenfeld “?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Hier erleben wir beispielhaft, wie sich Pläne im gesellschaftlichen Wandel verändern. Das gab es in Wickede (Ruhr) immer. In den 1970-er Jahren war geplant, bis zu fünf (!) achtstöckige Hochhäuser an der Fichtenstraße zu errichten. – Und es ist doch gut, dass diese Pläne nicht verwirklicht wurden. Oder?

Die früheren Pläne rund ums Freibad sahen größere Liegewiesen und ein Minigolf-Feld vor. Diese Ideen fand man bis in die 1990-er Jahre noch prima. – Heute gibt es dafür aber gar keinen Bedarf mehr.

Ich möchte, dass wir ein neues Gesamtkonzept für das frühere TV-Tennis-Gelände bekommen. Dazu gehören der kleine Wald, die Straße am Freibad und die Parkplätze. – Mir ist wichtig, gute Alternativen zu haben.

Einen Interessenten, der dort ein Paintball-Feld anlegen möchte, gibt es ja bereits. – Allerdings muss sich erst zeigen, welcher Aufwand – beispielsweise für Lärmschutz – und welche Folgen und Risiken damit verbunden sind.

Es wäre auch grundsätzlich möglich, dort einen oder zwei Handwerksbetriebe anzusiedeln. Dafür gibt es aber bislang überhaupt keine Nachfrage. – Wohnbebauung halte ich dort nicht für angebracht.

Für unsere Gemeinde am Ruhrtalradweg könnte dort ebenso gut eine Bike-Arena (Sportstätte mit Trainingsparcours für Fahrradfahrer, Anmerkung der Redaktion) hin passen. Denn Wickede ist auch durch manche Betriebe eng mit dem Fahrrad verbunden, das 2017 seinen 200. Geburtstag feiert.

Wohnmobil-Stellplätze könnten uns touristisch ebenfalls attraktiver machen.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Während die örtlichen Sozialdemokraten die kommunalen Immobilien immer wieder als „Tafelsilber“ der Gemeinde Wickede (Ruhr) bezeichnen und davon möglichst wenig verkaufen wollen, haben Sie als Bürgermeister immer auf die laufenden teuren Kosten für den dauerhaften Erhalt von öffentlichen Einrichtungen und das personalintensive Gebäudemanagement verwiesen. Für Bürgerhaus, Freibad, Gemeindehalle und so weiter haben sie deshalb höhere Nutzungsentgelte gefordert und politisch durchgesetzt. Und doch kosten Einrichtungen wie die „Bücherei im Bahnhof“ oder das Freibad vor allem die Allgemeinheit der Steuerzahler und nicht die Nutzer viel Geld. Muss sich die Kommune deshalb auf Dauer von einigem „Luxus“ trennen oder Preise für die Nutzer weiter erhöhen? Wie wollen Sie die Kosten für solche Zuschussbetriebe künftig refinanzieren?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Mit Tafelsilber, das nicht gepflegt werden kann, deckt niemand gerne seinen Tisch. Die Zahl der Wünsche ist auch in Wickede (Ruhr) nicht selten größer als die Menge der Möglichkeiten.

Fakt ist: Würde man Wickede (Ruhr) heute als Ort neu aufbauen, gäbe es natürlich keine vier Sporthallen, keine zwei Sportplätze, keine zwei Grundschulen und auch nicht ein Bürgerhaus in Wickede und eine zusätzliche Gemeindehalle in Echthausen. – Für aktuell rund 11.500 Bürger würde es eine viel geringere Zahl kommunaler Einrichtungen geben.

Einiges davon ist bei der derzeitigen sinkenden Einwohnerzahl – die mal für Wickede viel höher prognostiziert worden war – nach strengen Maßstäben wohl mehr als bedarfsdeckend.

Jedenfalls sparen andere Gemeinden entsprechende Kosten. Ense hat weder ein kommunales Freibad noch Gemeindehallen mit Zuschüssen aus dem öffentlichen Haushalt. Der Betrieb des Bürgerhauses kostet umgerechnet rund 900 Euro an öffentlichen Zuschüssen am Tag. Und für das Freibad fallen mehr als 2.000 Euro öffentlichen Subventionen je Öffnungstag an. Das ließe sich fortführen.

Diese Einrichtungen sind bei uns aber nun mal da und wir schätzen sie auch. Und ein „Zumachen“ kostet auch viel Geld. Man denke dabei an Gebäudesicherung, Vandalismusschäden und so weiter. Solange keine ganz neue Verwendung kommt, wäre dies ein einfallsloses Stilllegen öffentlicher Werte. – Deshalb sind kleine Schritte der richtige Weg. Dazu gehört es für mich, faire Preise von den Nutzern zu nehmen.

Viele Entgelte für die Nutzung der kommunalen Einrichtungen wie Bürgerhaus oder Freibad waren etwa zehn Jahre lang nicht angepasst worden. Das war gut gemeint. Es wird aber kaum anerkannt.

Ich kenne und schätze die Arbeit vieler Vereine. Doch das darf kein Tabu für einen wirklich ordentlichen Ausgleich sein, was das Verhältnis zwischen Kosten, Nutzungsentgelten und den Zuschuss durch die Allgemeinheit angeht. – Dieser Ausgleich muss stets neu gesucht werden.

Auch bei den jetzt geltenden angehobenen Gebühren gilt zum Beispiel für das Bürgerhaus: So ein gutes Raum- und Service-Angebot für diesen Preis ist im Umfeld schwer oder gar nicht zu finden. – Das zeichnet uns aus. Das ist vielen Wickedern zu wenig bewusst.

Das trifft ebenso für die Preise fürs Freibad zu. Und für den ganz geringen Beitrag, den Sportvereine für unsere Sportstätten leisten, die sie ganzjährig nutzen. – Daher werde ich mich hier weiter für Korrekturen einsetzen, wenn sie nötig werden.

Eine Nebenbemerkung: Ich finde, ehrenamtliche Kommunalpolitiker verdienen nicht zuletzt deshalb mehr Anerkennung, weil sie sich der durchaus undankbaren Aufgabe stellen, solche Fragen und Konflikte zu entscheiden. Es ist immer leichter, von der Tribüne aus zuzuschauen und zu kritisieren, als selbst ins Spiel zu gehen. – Für 2020 werden übrigens alle Parteien engagierte Bürger suchen, die bereit sind, sich im Rat einzubringen. Wer meint; Ich kann das besser, als die jetzt „regierenden“ Ratsmitglieder, sollte sich einfach schon mal warmlaufen …


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Die Mietshäuser der Gemeinde – beispielsweise am Lindenweg – sind teilweise in die Jahre gekommen und zwingend renovierungsbedürftig. Leer stehende Wohnungen wurden schon nicht mehr vermietet, weil es erheblichen Renovierungsbedarf und keine notwendigen Finanzmittel im Haushalt für die Sanierung gibt. – Wird die Kommune sich weiterhin im „Sozialen Wohnungsbau“ engagieren und selbst günstige Mietwohnungen für die Bürger anbieten oder denken Sie über eine mögliche Übergabe der gemeindeeigenen Häuser an Institutionen wie die „Kreis-Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Soest e.G.“ nach, deren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Sie sind? Oder plant man gar weitere „Privatisierungen“ wie bei der ehemaligen Hausmeisterwohnung am kommunalen Regenbogen-Kindergarten in Wiehagen?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Zwei Objekte haben wir bereits gut – und im politischen Konsens – aufgegeben.

Da es keinen Hausmeister am Wiehagener Kindergarten mehr gibt und in Zukunft auch keinen mehr geben wird, war es richtig, das die Gemeinde das frühere Hausmeisterhaus an die Familie verkauft hat, die bisher schon lange als Mietpartei dort drin gelebt hat.

Für das Mehrfamilienhaus an der Isenstraße 5, welches sich bisher ebenfalls im Besitz der Kommune befand, haben wir auch gute Käufer gefunden.

Bei den 18 Wohnungen in den drei kommunalen Mietshäusern am Lindenweg 12, 14 und 16 gehen nun die Meinungen bei den politischen Fraktionen im Gemeinderat auseinander. – Dafür habe ich einerseits Verständnis, andererseits aber auch eine eigene klare Position. Es gibt aber noch keine Entscheidung dazu. Daher bedauere ich, dass das Thema von einer politischen Seite aus künstlich „hochgezogen“ wurde. Das hat nichts bewirkt – außer Verunsicherung bei den betroffenen Bewohnern.

Mit diesen drei gemeindeeigenen Häusern machen wir jedenfalls keine „kommunale Wohnungspolitik“. Und unsere Schwerpunkte im Rathaus liegen außerdem auf anderen Gebieten.

Ich kenne gute Beispiele dafür, dass in alten Häusern moderne und preiswerte Mietwohnungen entstehen. Ich finde nicht, dass wir für die nötige Modernisierung dieser Gebäude Steuergeld einsetzen sollten, wenn dies in gleicher Form durch private Investoren geschehen könnte. – Ob wir dafür jemanden finden, wird sich zeigen. Aber ich meine, den Versuch müssen wir machen. Daran arbeite ich.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Für viele Bürger ist es kaum nachvollziehbar, dass sich der Neubau der Lebensmittelmärkte EDEKA im Zentrum und REWE auf dem bisherigen Speditionsgelände Bauerdick so lange hinzieht. Sind die langen Entscheidungswege von Behörden und Politik verursacht oder sind die Investoren selbst Schuld an den zeitlichen Verzögerungen? Was fehlt noch, damit der Bau der Märkte wirklich starten kann? Und auf wann terminieren Sie den voraussichtlichen Baubeginn?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: Auch für meine Mitarbeiter und mich ist das mitunter frustrierend – mehr als wir nach draußen zeigen können. Dennoch gehen wir in jedes Gespräch, welches Eigentümer, Planer, Betreiber oder Investoren wünschen, mit großer Aufgeschlossenheit und Einsatzbereitschaft.

Wir haben aber keinen Einfluss auf die wirklichen Eckpunkte. Die müssen andere aushandeln: Wer verkauft zu welchem Preis? Wann? An wen? Wir begleiten als Rathaus jede Planung zeitnah und zügig.

Wir legen Sitzungen von politischen Entscheidungsgremien so, wie es für rasche Entscheidungen notwendig ist.

Für den Standort des neuen REWE-Marktes am Waltringer Weg haben wir unseren Teil der Arbeiten erledigt, damit nach den bisherigen Plänen gebaut werden kann. Ansonsten gehört zur Verantwortung von Rat und Verwaltung ein kritischer Blick und die Berücksichtigung des gemeindlichen Gesamtinteresses. – Wie beispieslweise bei den Plänen für einen neuen EDEKA-Markt auch gleichzeitig ein besserer Ausbau der Christian-Liebrecht-Straße mit angegangen werden kann. Dabei sprechen wir noch über Details. – Aber aus meiner Sicht ist es richtig und wichtig, sich einige Wochen dafür Zeit zu nehmen, um über solche Baumaßnahmen gründlich nachzudenken, die unser Ortsbild auf Jahrzehnte verändern.


wickede.ruhr HEIMAT ONLINE: Fleißig gebaut wird inzwischen seit Jahren am Gebäudekomplex der bisherigen Gerken-Hauptschule, deren letzter Jahrgang Ende diesen Monats verabschiedet wird. Damit ist die Hauptschule im Hövel dann Geschichte. Nun hat die Gemeinde Wickede (Ruhr) in Um- und Neubauten für die neue Sekundarschule investiert, dessen Aufbauphase mit dem fünften Jahrgang des nächsten Schuljahres nach den kommenden Sommerferien abgeschlossen ist. Nachdem die Investitionen in die Zukunft einer weiterführenden Schule am Standort Wickede inzwischen „explodiert“ und voraussichtlich auf rund acht Millionen Euro angewachsen sind, während die Zahl der Neuanmeldungen von Schülern erheblich hinter den Erwartungen zurückbleibt, fragen sich viele Bürger: Stehen die finanziellen Investitionen der Kommune noch in einem vernünftigen Verhältnis zur Schülerzahl? Würde man die Sekundarschule nicht lieber in eine Gesamtschule umwandeln, weil diese Schulform kein so großes Imageproblem in der heutigen Elternschaft hat?

Bürgermeister Dr. Martin Michalzik: 2011 wurde die Entscheidung getroffen, mit einer Sekundarschule für Wickede (Ruhr) eine eigenständige, weiterführende Schule zu sichern. Dafür gab und gibt es gute Argumente.

Den Begriff „Kostenexplosion“ finde ich nicht passend. Eine Explosion ist außer Kontrolle. Bei uns ist aber keine Ausgabe ohne gute sachliche Begründung erfolgt. Landauf und landab wird beschworen: „Investiere in Bildung!“ – Das tun wir als Gemeinde Wickede (Ruhr) sowohl an der Sekundarschule als auch an den zwei Grundschulen.

Wir tun es für unsere Kinder und Jugendlichen, für die Familien und den Wirtschaftsstandort.

Wir werden nach den Ferien eine hochmoderne Sekundarschule mit einer Top-Ausstattung haben.

Die Sekundarschule bietet die besondere Chance, um qualifizierte Abschlüsse der Sekundarstufe 1 in einem Lernumfeld zu machen, welches ortsnah ist und die Möglichkeiten zur individuellen Förderung bietet. – Das unterscheidet uns von den großen Schulkomplexen in den Nachbarstädten.

Durch Kooperationen ist ein prima Übergang in die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule in Fröndenberg oder an eines der Berufskollegs in der Region garantiert. – Gleiches gilt auf Grund der guten Kontakte der Sekundarschule zu den heimischen Betrieben für Karriere-Chancen über den Weg der praktischen Berufsausbildung.

Die Schulart „Sekundarschule“ ist neu in Nordrhein-Westfalen. – Was eine Sekundarschule organisatorisch und pädagogisch bedeutet, war beim Start im Jahre 2012 in Wickede sicher für die meisten nur vage erkennbar. Und auch der tatsächliche Aufwand für die Um- und Neubauten war sicherlich von Anfang an noch nicht richtig klar.

Die voraussichtlich notwendigen Investitionen in den Schulkomplex im Hövel waren anfangs zu pauschal kalkuliert und daher zu niedrig veranschlagt.

Mit dieser Lage bin ich nach meinem Amtsantritt vor drei Jahren – am 23. Juni 2014 – umgegangen.

Es fehlte eine Gesamtbetrachtung, die Elemente wie EDV, Alarmanlagen und so weiter – ergänzend zu den reinen Baukosten – mit einbezog. Zudem fehlten die Kosten für die Möblierung der Klassenzimmer und ein Puffer für unvorhersehbare Mehrkosten. – Die Folgen hat mein Zehn-Punkte-Plan aus 2015 aufgegriffen (wir berichteten).

Ob und wie sich Zukunftsinvestitionen einmal rechnen, weiß man immer erst später. Sicher ist nur, wer nicht investiert, hat gar keine Zukunft. – Das gilt insbesondere für Bildung und Schule.

Jede neue Schulform braucht Zeit und Erfahrungen, um sich zu etablieren. – Die CDU Wickede (Ruhr) hat programmatisch mitgewirkt, dass Sekundarschulen von der neuen Landesregierung diese Zeit bekommen. Der neue Koalitionsvertrag führt ausdrücklich aus, dass auch zweizügige Sekundarschulen möglich sein sollen. Das begrüße ich sehr. Weiter lesen (Fortsetzung)

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Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Bürgermeister Dr. Martin Michalzik (CDU) ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER