Alle wichtigen Hintergründe zum Großeinsatz der Polizei im kleinen Dorf Echthausen

9. April 2018

WICKEDE (RUHR) / ARNSBERG / ENSE / WERL. Was steckt hinter dem Großeinsatz der Polizei am vergangenen Freitag (6. April 2018) in Echthausen? Wie kam es schlussendlich doch noch zu der polizeilichen Ingewahrsamnahme des gesuchten Mannes aus Echthausen? Und was ist über die Person bekannt, die sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden haben und bewaffnet gewesen sein soll? – Die Redaktion von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ hat bei den zuständigen Behörden die wesentlichen Fakten recherchiert.

Was wissen wir zur gesuchten Person, die mit starken eigenen Kräften der Kreispolizeibehörde Soest, einem Sondereinsatzkommando (SEK) sowie Teilen einer Hundertschaft der Landesbereitschaftspolizei aus Bochum und einem Hubschrauber der Polizeifliegerstaffel Nordrhein-Westfalen gesucht wurde?

Der gesuchte Mann ist 54 Jahre alt und wohnt in einem Eigenheim am Höhenweg in Echthausen. Im Dorf ist er als „Einzelgänger“ und „Eigenbrödler“ bekannt. Zwar wirkt sein Verhalten auf manche Mitbürger etwas komisch – aber keinesfalls gefährlich.

Laut dem Amtsgericht Werl lief im Jahre 2016 bereits schon einmal ein „Unterbringungsverfahren“ gegen den offenbar unter Betreuung stehenden Echthausener.

Während das Werler Gericht den Mann schon länger für „brandgefährlich“ gehalten habe und befürchte, dass von dem Echthausener eine „Eigen- und Fremdgefährdung“ ausgehen könnte, habe sich das Landgericht Arnsberg in einem späteren Berufungsverfahren allerdings gegen die freiheitsentziehenden Maßnahmen in einer psychiatrischen Einrichtung ausgesprochen, erklärte Amtsgerichtsdirektor Hans-Joachim Berg im Gespräch mit „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ am heutigen Montag (9. April 2018). Deshalb sei der 54-Jährige bis zum Wochenende auch noch immer auf freiem Fuß gewesen.


Was ist dem polizeilichen Großeinsatz ab Freitagmittag im kleinen Dorf Echthausen vorausgegangen, dass es dazu überhaupt kam?

Da muss man etwas weiter zurückgreifen: Am 24., 26. und 27. Oktober 2016 hatte der arbeitslose Single im Job-Center in Werl offenbar randaliert und mehrere Mitarbeiter bedroht. Unter anderem hatte er damit gedroht, mit einem „Tankwagen mit Flüssiggas“ den „ganzen Laden“ in die Luft zu sprengen.

Unter der Überschrift „Angeklagter vor Gericht: Ein Anschlag mit Tanklastzug hätte zu wenig Tote zur Folge“ berichtete „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ übrigens am 29. Juni 2017 über das Strafverfahren vor dem Amtsgericht Werl folgendes:

„Wegen dieser und ähnlicher verbaler Bedrohungen an mehreren Tagen stand der Mann, der sich weder einsichtig noch reumütig zeigte, am heutigen Donnerstag (29. Juni 2017) als Angeklagter vor Gericht in Werl.

Unter anderem soll der (damals) 53-Jährige am 24. Oktober 2016 den Empfangsdamen des Arbeitsamtes auch damit gedroht haben, dass er sein Waffen-Arsenal schon aufgerüstet habe und das Job-Center ,vorsichtig‘ sein solle.

Am 26. Oktober 2016 erhielt der Wickeder dann ein ,Hausverbot‘ (im Werler Job-Center), nachdem er nochmals beim Arbeitsamt erschienen und ausfällig geworden war.

Auch im Beisein von Polizei-Beamten zeigte er sich am 27. Oktober 2016 nicht einsichtig und wiederholte vor mehreren Zeugen in ruhigem Ton seine Drohungen. (…)

Nach der Beweisaufnahme und Zeugenanhörung meinte der Angeklagte, dass seine Idee eines Anschlages mittels eines ,Tankwagens mit Flüssiggas‘ auf das Arbeitsamt doch eigentlich nicht effektiv genug sei. Denn dabei gäbe es ,zu wenig Tote‘. – Vielmehr drohte er im Rahmen des Strafprozesses am heutigen Donnerstagvormittag (29. Juni 2017) im Beisein von Richterin Patricia Suttrop und den anderen Anwesenden mit einem Vergeltungsschlag durch ,Giftgas‘ oder ähnlichem auf das Job-Center. (…)

Vor der Verkündigung des Urteils durch Richterin Patricia Suttrop erklärte der Angeklagte, dass er eine Geldstrafe ablehne und stattdessen lieber auf Staatskosten ins Gefängnis gehen wolle. Von ihm bekäme die Justiz ,keinen Pfennig‘. – Die Straftaten abgestritten wurden von dem (damals) 53-jährigen Wickeder bis zuletzt nicht. Vielmehr bestätigte er durch seinen Auftritt vor Gericht eher die vorgetragenen Beschuldigungen.

Sein Pflichtverteidiger erklärte, dass die Kommunikation mit seinem Mandanten ,reichlich schwierig‘ gewesen sei und er den Ausführungen der Staatsanwaltschaft zustimme.

Richterin Patricia Suttrop sprach in ihrem Urteil schließlich auch eine Geldstrafe in entsprechender Höhe (100 Tagessätze à 15 Euro) aus.

Denn der Angeklagte war bereits am 1. Juni 2015 auf Grund eines ähnlichen Deliktes schon einmal zu einer Geldstrafe sowie einem neuntägigen Aufenthalt in der Psychiatrie verurteilt worden.

Der uneinsichtige Wickeder (Echthausener) erwiderte darauf, dass er die Geldstrafe nicht zahlen werde und in Berufung gegen das Urteil gehen wolle. Schließlich wären seine offiziellen Einkünfte auch zu gering zur Zahlung der Strafe und an seine anderen Einnahmen aus ,Wirtschaftskriminalität‘ (O-Ton), die sich auf bis zu 5.000 Euro pro Monat beliefen, kämen die Behörden ohnehin nicht ran.“

Soweit der damalige Bericht von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ über einen Angeklagten, der sich am heutigen Montag (9. April 2018) als identisch mit dem gesuchten Mann aus Echthausen im Rahmen des Polizei-Großeinsatzes erwies.

Dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt, machte der 54-jährige Arbeitslose aus Echthausen in der vergangenen Woche deutlich. Denn am Donnerstagnachmittag (5. April 2018) fand tatsächlich eine Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Arnsberg statt. Dabei rastete der Mann erneut aus.

Wie Richter Johannes Kamp als Pressesprecher des Landgerichtes am heutigen Montag (9. April 2018) auf Anfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“ mitteilte, habe der Echthausener während der Berufungsverhandlung plötzlich „einen augenscheinlich gefährlichen Gegenstand“ gezückt. Dabei habe es sich wohl um ein nicht-metallisches Messer gehandelt, denn ansonsten hätte der Metalldetektor am Eingang des Gerichtes sicherlich Alarm ausgelöst, so Kamp.

Als ein Justiz-Wachtmeister den Echthausener nach dem Vorfall gebeten habe, ihm das Messer auszuhändigen, habe der Mann dies verweigert und das Messer gegen den Mitarbeiter gerichtet.

Schließlich hätten die Anwesenden die Situation aber beruhigen können und die Hauptverhandlung sei fortgesetzt worden.

Das Urteil des Amtsgerichtes Werl sei von dem Vorsitzenden Berufsrichter und den zwei ehrenamtlichen Schöffen des Landgerichtes allerdings auf eine Gesamtstrafe von 70 Tagessätzen à 15 Euro herabgesetzt worden, sagte Gerichtssprecher Johannes Kamp.

Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, ließ man den Mann dann zunächst aber gehen, nachdem er das Messer weggesteckt und sich beruhigt hatte, hieß es.

Im Nachgang wurde seitens der Staatsanwaltschaft Arnsberg allerdings sofort ein Strafverfahren wegen Bedrohung gegen den Echthausener eingeleitet.

Die durch die Staatsanwaltschaft informierte Polizei beobachtete die Wohnanschrift des Mannes seit Donnerstag, um den Beschuldigten zeitnah bei seiner Rückkehr an der Höhenstraße 49 in Echthausen in Gewahrsam zu nehmen.

Bis Freitag lagen keine konkreten Hinweise auf den Aufenthaltsort des Beschuldigten vor. Gegen Mittag erhielt die Polizei dann durch einen Zeugen telefonisch einen Hinweis auf den konkreten Aufenthaltsort des Beschuldigten in Echthausen.

Aber der Mann hatte offenbar auch irgendwie von der Suche nach ihm erfahren. Telefonisch drohte der Echthausener den Polizeibeamten und mit einer Selbsttötung.

Weil der Beschuldigte an den bekannten Anschriften nicht angetroffen wurde, kam es zu dem großen Polizei-Einsatz im kleinen Dorf Echthausen, um dem Gesuchten habhaft zu werden und ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Nicht zuletzt ein bei einer durch die Staatsanwaltschaft angeordneten Hausdurchsuchung aufgefundenes Luftgewehr und das gezückte Messer im Gericht ließen die Polizei sicherheitshalber mit großem Eigenschutz agieren, da der Echthausener bereits mehrfach Amtspersonen mit dem Tode gedroht hatte.


Wo und wie kam es zu der Festnahme des Gesuchten und was geschah danach mit dem 54-jährigen Echthausener?

Der Gesuchte wurde am Samstagmorgen (7. April 2018) in Ense-Bremen durch eine Zeugin gesehen, die die Polizei über den Aufenthaltsort des Verdächtigten informierte.

Die Sicherheitskräfte nahmen den Mann schließlich gegen 9.15 Uhr an der Straße „An der Waterlappe“ in Gewahrsam, nachdem sie ihn festgenommen und seine Identität überprüft hatten.

Dabei habe der Gesuchte keinen Widerstand geleistet, berichtete Polizei-Pressesprecher Jens Westhaus auf Nachfrage von „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“. Und weiter wörtlich: „Bei der Ingewahrsamnahme wurden keine Waffen aufgefunden.“

Nach einer Begutachtung des Festgenommenen durch einen Arzt hätten sich aber die Hinweise auf eine psychische Ausnahmesituation bei dem Echthausener bestätigt, so Westhaus.

Das Ordnungsamt der Gemeinde Ense habe daraufhin eine Zuführung in die geschlossene psychiatrische Abteilung des St.-Johannes-Hospitals in Neheim verfügt, erklärte ein Sprecher der Nachbarkommune am heutigen Montag (9. April 2018) gegenüber „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“.

Charlotte Merz als Direktorin des Amtsgerichtes Arnsberg teilte am heutigen Montag im Gespräch mit unserer Redaktion des weiteren mit, dass ein Richter die Maßnahme des Enser Ordnungsamtes in einem Eilverfahren bestätigt habe. Der Echthausener werde nun auf Anweisung des Betreuungsgerichtes „einstweilen“ in der psychiatrischen Abteilung des Klinikums Arnsberg verbleiben.

Erkenntnisse über den Aufenthalt des Beschuldigten bis zu seiner Ingewahrsamnahme liegen den Ermittlungsbehörden aktuell wohl noch nicht vor.


Die Polizei bat die Bürger zwischenzeitlich um Mithilfe bei der Fahndung nach dem Gesuchten. Wer verdächtige Beobachtungen mache oder den gesuchten Mann kenne und sichte, solle diesen nicht selbst ansprechen sondern schnellstmöglich und unauffällig den Polizei-Notruf 110 informieren, hieß es. – Warum veröffentlichte die Polizei in diesem Zusammenhang nicht mehr Detailinformationen oder ein Foto des Gesuchten?

„Während der Suchmaßnahmen wurde keine aktive Öffentlichkeitsfahndung durchgeführt. Den Polizeibeamten waren der Name und das Aussehen des Mannes jedoch, auch aufgrund von aktuellen Zeugenhinweisen, bekannt. Bei der Wahrnehmung von verdächtigen Personen sollte die zeitnahe Information an die Polizei zu einer umgehenden Überprüfung dieser Feststellungen führen“, nahm Polizei-Pressesprecher Jens Westhaus am heutigen Montag (9. April 2018) konkret Stellung zu der Kritik an der Kommunikation der Kreispolizeibehörde Soest in diesem Fall.

Letztlich wollte die Polizei wohl vor allem Störungen bei ihrer Suche und mögliche neue Gefahrenpotentiale durch selbst ernannte „Hilfssheriffs“ im Rahmen der Fahndung vermeiden, ließ ein Insider wissen.


Wie konnte die Polizei eine Gefährdung der Bevölkerung ausschließen, wenn der Gesuchte möglicherweise bewaffnet war und sich vermutlich in einem psychischen Ausnahmezustand befand?

Dazu Polizei-Pressesprecher Jens Westhaus am heutigen Montag (9. April 2018): „Die Drohungen des Beschuldigten bezogen sich ausschließlich auf die Polizei. Auch in der Vergangenheit bedrohte der Beschuldigte ausschließlich Amtsträger. Daher war eine Gefährdung der Bevölkerung nicht vorhanden.“


Wie das eingeleitete Strafverfahren wegen Bedrohung weitergeht, nachdem der 54-jährige Mann aus Echthausen nunmehr vorerst in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde, bleibt abzuwarten.


ANDREAS DUNKER für „wickede.ruhr HEIMAT ONLINE“


QUELLE: 29. Juni 2017: Angeklagter vor Gericht: Ein Anschlag mit Tanklastzug hätte zu wenig Tote zur Folge | wickede.ruhr HEIMAT ONLINE

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Beamte der Landesbereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalen in Echthausen FOTO: ANDREAS DUNKER
Beamte der Landesbereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalen in Echthausen FOTO: ANDREAS DUNKER