Tierschützer kritisieren Schafhalterin

17. Februar 2021

WICKEDE / KREIS SOEST. Der starke Schneefall und die eisigen Minus-Temperaturen haben eine Wickeder Hobby-Schafhalterin offenbar kalt erwischt. Denn ihre kleine Herde auf einer Weide an der Eisenbahnstraße war den widrigen Witterungsverhältnissen relativ schutzlos ausgesetzt. – Um das Tierwohl besorgte Bürger informierten deshalb in der vergangenen Woche telefonisch das Veterinäramt des Kreises Soest. Dieses teilte die Bedenken der Anrufer zumindest teilweise und traf entsprechende Anordnungen zum Schutz der Tiere.

Deren zügige Umsetzung musste die Besitzerin der Schafe fotografisch dokumentieren, sodass das Veterinäramt in Soest die verbesserten Verhältnisse per Ferndiagnose überprüfen konnte.

Die Tierhalterin gäbe inzwischen regelmäßig nachvollziehbare Rückmeldungen über das Befinden der Schafe an das Veterinäramt, teilte Wilhelm Müschenborn als Pressesprecher des Kreises Soest am heutigen Mittwoch (17. Februar 2021) auf Nachfrage unseres lokalen Nachrichten-Portals "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" mit.

Wickeder Ordnungsamt nahm Schafhaltung in Augenschein

Amtshilfe leistete zudem das Ordnungsamt der Gemeinde Wickede (Ruhr). David Adrian und Daniel Luig verschafften sich an der Koppel vor Ort einen Überblick, dass die Tiere ausreichend zusätzliches Futter zum Fressen und ungefrorenes Wasser zum Trinken hatten.

Tiere sollen inzwischen in einem Stall in Ense untergebracht sein

Inzwischen seien die ostpreußischen Skudden – so der Name der Schafrasse – in einem Stall in der Nachbargemeinde Ense untergebracht, teilte die 56-jährige Tierhalterin am heutigen Mittwoch telefonisch im Gespräch mit "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE" mit. Die Schafe seien bis zu ihrem Abtransport in die Nachbargemeinde artgerecht gehalten und ordentlich von ihr versorgt worden. Die Schafe habe sie aus einer Haltung übernommen, die kein Futter mehr für die Tiere gehabt habe. Die fernmündlichen Anweisungen des Soester Kreisveterinäramtes betrachte sie nur als "Empfehlung" und nicht als eine behördliche Anordnung im verwaltungsrechtlichen Sinne.

Koppel verfügt über keinen schützenden Unterstand

Allerdings gab die "Aussteigerin", wie sie sich selbst bezeichnet, im Gespräch mit unserer Redaktion zu, dass die extrem kalten Temperaturen sie unvorbereitet überrascht hätten und sie weder über einen Unterstand auf der Koppel noch über einen freien eigenen Stall verfüge. Ein Weidezelt, welches den Tieren ausreichend Schutz vor Niederschlägen und Wind böte, sei bestellt, aber noch nicht geliefert.

Witterungsschutz auf der Weide fehlt

Genau dies schien aber ein Manko bei der Hobby-Schafhaltung an der Eisenbahnstraße zu sein. Denn laut den Empfehlungen des Schafzuchtverbandes und der Schafzüchtervereinigung Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Lippstadt sowie Auskunft des Kreisveterinäramtes müssen ganzjährige Unterstände als Witterungsschutz auf den Weiden vorhanden sein, sofern es keinen natürlichen Schutz wie ganzjährig belaubte Bäume, Hecken und so weiter im umzäunten Bereich gibt. Außerdem müssen Liegeflächen mit trockenem Untergrund innerhalb des Unterstandes für die Tiere vorhanden sein.

Hobby-Schafhalterin hält Rasse für robust genug

Dass ein solcher Unterstand und eine solche Liegefläche trotz des Winterwetters mit dem starken Schneefall und den erheblichen Minustemperaturen fehlte, gab die Schafhalterin im Gespräch mit unserer Redaktion heute offen zu. Ihr habe zudem die Zeit und die Möglichkeit zum sofortigen Abtransport der Tiere in einen Stall gefehlt, teilte die Hobby-Schäferin ebenfalls ehrlich mit.

Dass sie sich über mehrere Tage deshalb nicht ordnungsgemäß um die zirka 15 Schafe in der eisigen Freilandhaltung gekümmert habe, bestritt sie aber. Die Rasse sei robust und könne diese ab.

Fachleute sind anderer Meinung

Andere Schafhalter und die Tierärztin des Kreisveterinäramtes sehen dies offenbar anders. Insbesondere mit Blick darauf, dass am Dienstag auch noch drei Lämmer bei der eisigen Kälte im Freien geboren wurden.

Die Pressestelle der Kreisverwaltung Soest als zuständige Veterinärbehörde erklärte dazu wörtlich: "Das Ablammen der Tiere und die Haltung von Sauglämmern bis zur vierten Lebenswoche dürfen in der kalten Jahreszeit nur dann im Freien erfolgen, wenn allen Tieren ein geeigneter Witterungsschutz zur Verfügung steht. Der Witterungsschutz muss sauber, trocken, windgeschützt und eingestreut sein. Alternativ müssen Schafe im Stall ablammen."

Die Wickeder Hobby-Schafhalterin missachtete dies aber und redet sich auch weiterhin ihr Fehlverhalten schön, indem sie behauptet, dass solche Maßnahmen für ihre genügsame Landschafrasse ignoriert werden könnten. – Mehrere befragte Fachleute sehen dies allerdings anders.

Strohliegefläche erst nach Aufforderung geschaffen

Dass es Versäumnisse der Tierhalterin vor Ort gab, bestätigt auch die Aussage des Kreises Soest, dass die Halterin "unmittelbar nach der Kontaktaufnahme durch die für den Tierschutz zuständige amtliche Tierärztin am selben Tag noch tätig" geworden sei. "Sie versorgte die Schafe mit Heu und schuf eine Strohliegefläche an der Hecke." – Offenbar mangelte es zuvor hieran. – Die Wasser- und Kraftfutterversorgung der Tiere sei allerdings sichergestellt gewesen, so die Soester Behörde.

Bereits im vergangenen Jahr im Fokus der Öffentlichkeit

Bereits am 25. Juni 2020 waren die Wickeder Tierhalterin und ihre kleine Schafherde in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Damals waren etliche Schafe aus der Koppel ausgebrochen und vor einen Regionalexpress-Zug der Oberen Ruhrtalbahn gelaufen, deren Schienen in unmittelbarer Nähe parallel zur Weide verlaufen. Dabei wurden acht der zwölf Schafe getötet und durch die Wucht des Aufpralls zerfetzt. Der Zugführer und die an Bord befindlichen Reisenden wurden durch die Kollision nicht verletzt. Allerdings wurde der Zug beschädigt, sodass er nur noch bis zum Bahnhof Wickede fahren konnte und dort zur späteren Reparatur stehen blieb. Für die Bahnreisenden war in Wickede Endstation.

Schuldfrage ungeklärt und Ordnungswiedrigkeitsverfahren eingestellt

Ein Ordnungswiedrigkeitsverfahren der Gemeinde Wickede (Ruhr) gegen die Schafhalterin sei damals nicht weiter verfolgt worden, da sie durch die ihr zur Last gelegten erheblichen Kosten ohnehin schon genug gestraft gewesen sei, hieß es am heutigen Mittwoch aus dem Rathaus.

Die Schuldfrage bezüglich des Unglücks sei polizeilich nicht zu klären gewesen, berichtete zudem ein Sprecher der zuständigen Bundespolizei in Münster im Gespräch mit "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE".

Keine ausreichende Sicherung durch Elektroweidezaun?

Dazu, ob die Schafherde während des extremen Schneefalls in der vergangenen Woche durch den Elektroweidezaun genügend gesichert war, gibt es widersprüchliche Aussagen.

Die Tierhalterin schrieb nämlich selbst in einem Facebook-Post von "Wickede AKTUELL": "Wegen des Schnees kommt jedoch nicht genug Strom auf den Zaun, aber wie heißt es so schön, gutes Futter und satte Schafe sind die beste Ausbruchsicherung."

Ob die Wickederin dies auch so gegenüber der Kreisverwaltung kommuniziert hat, scheint zweifelhaft zu sein, denn von dort hieß es: "Der Weidezaun war nach den Angaben der Tierhaltung, an denen zu zweifeln kein Anlass bestand, auch im Schnee funktionsfähig. Zwei Tage später wurden die Schafe, da inzwischen Lämmer geboren waren, in einen Stall transportiert."

Fakt ist: "Schafe müssen mit einem festen Zaun beziehungsweise elektrischen Zaun so eingefriedet werden, dass sie die Fläche nicht gegen den Willen des Tierhalters verlassen können. Die Funktionsfähigkeit des Weidezaungerätes ist vom Tierhalter sicherzustellen und regelmäßig zu kontrollieren."

Ein benachbarter Schafhalter und eine weitere Zeugin berichteten öffentlich in Facebook darüber, dass ihrer Meinung nach der Zaun in den letzten Monaten nicht immer sicher genug gewesen sei.

Behörden und Tierschützer wollen kritisierte Schafhaltung im Auge behalten

Behörden und Bürger, die um das Wohl der Tiere besorgt sind, werden die Herde jedenfalls wohl weiter unter Beobachtung halten und notfalls aktiv werden, wenn die Halterin nicht umgehend für Abhilfe bei Missständen sorgt.

ANDREAS DUNKER für "wickede.ruhr HEIMAT ONLINE"


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Nach aktuellen Kenntnissen des Kreises Soest gibt es in der Gemeinde Wickede (Ruhr) insgesamt zwölf Schaf- und Ziegenhaltungen mit zusammen rund 1.800 Tieren. – Unser Bild zeigt eine weidende Schafherde auf den Ruhrwiesen in Wickede. ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER
Nach aktuellen Kenntnissen des Kreises Soest gibt es in der Gemeinde Wickede (Ruhr) insgesamt zwölf Schaf- und Ziegenhaltungen mit zusammen rund 1.800 Tieren. – Unser Bild zeigt eine weidende Schafherde auf den Ruhrwiesen in Wickede. ARCHIVFOTO: ANDREAS DUNKER